So stirbt man in Afrika an Aids

Warum westliche Gesundheitskonzepte im südlichen Afrika scheitern
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So stirbt man in Afrika an Aids

Untertitel: Warum westliche Gesundheitskonzepte im südlichen Afrika scheitern. Eine Streitschrift
Autor: Reimer Gronemeyer
Brandes & Apsel Verlag
Frankfurt, 2002
Broschur, 14x20 cm, 185 Seiten, etliche sw-Fotos


Verlagsankündigung:

Jeden Tag sterben in Afrika 6320 Menschen an HIV/Aids. Präventionskampagnen zeigen bisher kaum Wirkung: Die Infektionszahlen sinken nicht.

Im Gegenteil: Allein im Jahr 2001 haben sich im subsaharischen Afrika 3,4 Millionen Menschen neu infiziert. 28 Millionen Afrikaner tragen den Virus in sich.

Die westliche Medizin hätte die Mittel, die tödliche Krankheit in eine chronische umzuwandeln, aber die Kosten sind astronomisch hoch: So stirbt man in Afrika an AIDS.

Dieses Buch wirft vier zentrale Fragen auf: Warum breitet sich die Epidemie im südlichen Afrika so rasend schnell aus? Welche sozialen Folgen hat die Aids-Katastrophe?

Warum wirken die Präventionskampagnen nicht? Welche Auswege gibt es aus dieser afrikanischen Tragödie?

Wer die Krankheit bekämpfen will, darf sich nicht auf die medizinischen Aspekte beschränken, sondern muss die sozialen Erschütterungen bedenken, die den massenhaften Aidstod möglich machen. AIDS ist eine Folge sozialer Verwerfungen und wird zugleich zur Ursache weiterer Zerstörung afrikanischer Lebenswelten. Erkennbar wird auch eine überwältigende Kompetenz, die Kranken in nachbarschaftlichen Netzen aufzufangen, die es so in Europa längst nicht mehr gibt.

"So stirbt man in Afrika an Aids" ist ein leidenschaftliches Plädoyer für einen respektvollen Umgang mit den kulturellen und sozialen Traditionen Afrikas im Kampf gegen Aids. Der bekannte Buchautor und Wissenschaftler Reimer Gronemeyer hat zahlreiche Gespräche mit Experten und Betroffenen im südlichen Afrika geführt. Er zeigt eindrucksvoll, dass die Zerstörung der afrikanischen Lebenswelt - der Familie, der Subsistenz, der Normen - die entscheidende Voraussetzung für die Ausbreitung des Virus geschaffen hat. Aids ist in Afrika eine Modernisierungskatastrophe.


Inhalt:

1. Die These:

AIDS in Afrika: eine Modernisierungskatastrophe? Die explosive Verbreitung von HIV/AIDS ist aus der vorangehenden Zerstörung afrikanischer Lebensverhältnisse zu verstehen. Das Scheitern von Präventionskampagnen erklärt sich auch aus der Blindheit der Gesundheitskrieger - der AIDS-Experten aller Art - gegenüber diesen sozialen Voraussetzungen. Der Krieg gegen AIDS, von dem gern geredet wird, kann die katastrophischen Folgen der Epidemie noch verstärken, wenn die sozialen Voraussetzungen und Folgen der Epidemie übersehen werden.

2. Die Szene:

Schwarze Stimme - weiße Stimme. Von den Kollateralschäden der Hilfe. Der Besuch bei einer AIDS-kranken Frau und das Interview mit einer europäischen Ärztin eröffnen die Szenerie, lassen den Spannungsbogen sichtbar werden, der heute das Leiden an der Krankheit einerseits und die Bekämpfung der Katastrophe andererseits umschreiben. Der Blick fällt auf mögliche Kollateralschäden des Kriegs gegen HIV/AIDS, auf Kollateralschäden der Hilfe.

3. Die Ursachen:

Der kranke Kontinent Die Nachtseite der Globalisierung: AIDS in Afrika. Was ist die Ursache für den Erfolg der Epidemie? Ist es das Fehlverhalten der Afrikaner, die nicht präventiv handeln? Oder gibt es externe Ursachen? Hat die Verwüstung afrikanischer Lebensverhältnisse erst die Voraussetzung für die Ausbreitung des Virus geschaffen? Ist die HIV/AIDS-Katastrophe eine Globalisierungsfolge? Die Folie bietet ein AIDS-Steckbrief: Woher kommt die Seuche? Welches Ausmaß hat sie und welche Prognosen über ihren künftigen Verlauf muss man formulieren?

4. Die Folgen:

Habitat und AIDS in Afrika. Die Zerstörung der Subsistenz. Traditionelle Lebensformen in Afrika haben kulturelle, religiöse und ökonomische Zusammenhänge geboten, die heute weitgehend zerstört sind. Diese Zerstörung ist Voraussetzung für die Verbreitung des Virus. AIDS hat also nicht nur medizinische, sondern auch soziale Ursachen. Zugleich scheint die AIDS-Epidemie selbst zum Vollender dieses Zerstörungsprozesses zu werden. Das, was es noch an Subsistenz gibt, ist durch die Epidemie bedroht. Felder, die nicht mehr bearbeitet werden, Familien, die zerbröckeln, Eigenhilfe, die an ihre Grenzen gerät. Der egumbo - die Wohnstätte der Ovambo in Nordnamibia - ist das Beispiel, an dem die Existenz, die Kraft und die Zerstörung dieses Lebenszusammenhangs beschrieben werden. An die Stelle des egumbo treten im Verlauf des Modernisierungsprozesses neue Orte: Universitäten, Schulen, Arbeitercompounds (-Siedlungen), Kasernen, Krankenhäuser, Gefängnisse. Die alten sozialen Zusammenhänge verschwinden und weichen einer modernen Mobilität und Orientierungslosigkeit, die den idealen Nährboden für HIV/AIDS abgeben. Das wird sichtbar an der Veränderung von Körperkonzepten, an der Auflösung der Familie, an dem Verschwinden sozialer Normen, am Niedergang eigener Tätigkeit im Bereich der Ernährung, der Heilung usw.

5. Die Bekämpfung:

Infizierte Lebenswelten. Die medizinische Kolonisierung des schwarzen Kontinents Unter dem Ansturm von HIV/AIDS werden ältere Heilungskonzepte obsolet und weichen einem westlichen biomedizinischen Verständnis von Krankheit und Gesundheit. Counselling (Beratung), Prävention und Home-based-Care (Hauspflege) werden die Angeln, in denen die neue Medizin eingehängt ist. Verdeckt unter dem westlichen Deutungsmuster bleiben afrikanische Körper-und Krankheitsvorstellungen zwar lebendig, aber sie werden zum Gegenstand des Krieges gegen HIV/AIDS. Die HIV/AIDS-Epidemie macht automatisch alles Afrikanische verdächtig und lässt das Afrikanische zum Risikofaktor werden. An die Stelle alter Auffassungen müssen - um den Preis von Krankheit und Tod - neue Deutungsmuster gesetzt werden, die präventionsgerechtes Denken, kontrollierte Sexualität und verwaltete Nachbarschaftshilfe durchsetzen.

6. Die Auswege:

Afrikanische Alternativen. Der Befreiungskampf ist noch nicht zu Ende. Wenn HIV/AIDS ein Globalisierungsphänomen ist, dann könnte eine Konsequenz sein: Nur eine radikal auch in den Köpfen der Afrikaner durchgesetzte Moderne, die sich auf neue Körperkonzepte, auf Lebensplanung, Individualisierung und Selbstkontrolle stützt, kann die Epidemie eingrenzen. Dabei ist nicht zu übersehen, dass dies eine bittere Moderne wäre, in der Afrika das verliert, was es an ökonomischen, sprachlichen, kulturellen, medizinischen, musikalischen, philosophischen Reichtümern - nennen wir es Subsistenz - hat, ohne viel von dem dafür zu bekommen, was die reichen Gesellschaften haben: Leben also unter der Bedingung eines Neokolonialismus, der sich Globalisierung nennt. Abhängigkeit statt Subsistenz, Afrika als kontinentaler Pflegefall. Auswege aus dieser afrikanischen Variante der zerstörerischen Globalisierung dürften nicht leicht zu finden sein - sie sind ja auch sonst kaum erkennbar. Auf der Seite der Gesundheitskrieger wäre zuerst einmal zur Kenntnis zu nehmen, was es an eigener Kraft, Elastizität und Hilfe in Afrika alles gibt. Respekt im Umgang mit den familialen, kulturellen, sozialen, medizinischen und ökonomischen Traditionen wäre ein Anfang. Wie die Betroffenen, die von HIV/AIDS bedrohten Bewohner Afrikas, um ihren sozialen Reichtum kämpfen könnten und ihn zu verteidigen hätten - das kann von außen, von Europa aus niemand sagen. Man kann allerdings dafür argumentieren, dass der Krieg gegen AIDS nicht so geführt wird, dass er das Eigene Afrikas ständig ins Visier nimmt, um es zu vernichten.