Registratur PA. 27: Dokumente zum Kirchenstreit und Militär in Namibia 1970er Jahre

Bezug auf Diskussionen innerhalb der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Südwestafrika (DELK) zur Apartheidspolitik in Namibia und zum Zusammenschluss von sog. schwarzen und weissen Schwesterkirchen
Hammerbeck-Bruhns, Hella und Friedrich
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Registratur PA. 27: Dokumente zum Kirchenstreit und Militär in Namibia 1970er Jahre

Bearbeitung: Dag Henrichsen
Basler Afrika Bibliographien
Namibia Resource Centre & Southern Africa Library
Basel, 2003
Broschur, 15x21 cm, 27 Seiten, 1 sw-Foto


Aus der Einleitung:

Hella und Friedrich Hammerbeck-Bruhns übergaben den Basler Afrika Bibliographien Ende der 1980er Jahre eine Sammlung von Dokumenten zum sogenannten Kirchenstreit in Namibia, desweiteren einige persönliche Unterlagen zur Rolle des südafrikanischen Militärs in einem namibischen Farmbezirk. Die vorliegende Arehivregistratur erschliesst diese Sammlung, deren Schwerpunkt Materialien mit Bezug auf Diskussionen innerhalb der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Südwestafrika (DELK) zur Apartheidspolitik in Namibia im allgemeinen, zum Zusammenschluss von sogenannten schwarzen und weissen Schwesterkirchen im besonderen, bilden.

Hella und Friedrich Hammerbeck-Bruhns nahmen an diesen Diskussionen regen Anteil und unterhielten enge Beziehungen zu u.a. dem damaligen stellvertretenden Landespropst der DELK, Pastor Ludwig Friese, der zahlreiche der hier aufgeführten Dokumente sammelte. Hella und Friedrich Hammerbeck-Bruhns Hella Henriette Hammerbeck-Bruhns wurde am 31. Dezember 1933 als zweites Kind von Susanne Schlettwein und Rolf Hammerbeck in Swakopmund (Namibia) geboren. Die Familie bewirtschaftete die Farm Franken im Kamanjab Distrikt. Nach der Schulzeit in Tsumeb, Windhoek und Swakopmund studierte Hella Hammerbeck in Kapstadt (Südafrika) Bibliothekskunde, anschliessend arbeitete sie von 1958 bis 1960 in der Bundesrepublik Deutschland.

Mit ihrer Rückkehr nach Namibia war sie in der Stadtbibliothek von Windhoek tätig und heiratete im Juli 1961 Friedrich Joachim Heinrich Bruhns. Friedrich Bruhns, am 18. April 1927 in Pamamaa (Estland) als fünftes Kind von Marie Celine von Grot und Friedrich Bruhns geboren, lebte seit 1952 mit Unterbrechungen in Namibia. Nach Schulzeit und Militärdienst während des 2. Weltkrieges, hatte er in Westdeutschland eine landwirtschaftliche Lehre absolviert und zeitweilig in Schweden gearbeitet.

In Namibia war er u.a. als Viehtransportfahrer und Farmverwalter tätig, bevor er und seine Frau 1964 die Farm Okamanja im Kamanjab Distrikt erwarben. Hier blieb die Familie, zu der die Töchter Barbro und Marika sowie der Sohn Peik zählen, bis zum August 1975 wohnen. Friedrich Bruhns wurde während dieser Zeit, wie viele Farmer, angesichts eines sich militärisch verschärfenden Namibia-Konfliktes in eine regionale Kommandoeinheit unter der Leitung des südafrikanischen Militärs einbezogen.

1976 siedelte die Familie in die Bundesrepublik Deutschland über, wo Friedrich Bruhns sich zum staatlich anerkannten Altenpfleger ausbilden liess. Von 1979 bis 1990 leitete er zusammen mit seiner Frau ein Alten- und Pflegeheim in Bottrop. Mit der Pensionierung zog das Ehepaar 1991 nach Almargens (Portugal), wo Hella Hammerbeck-Bruhns am 27. Dezember 1997 starb.

In Namibia wie auch schliesslich in Deutschland setzten Hella und Friedrich Hammerbeck-Bruhns sich für eine demokratische Zukunft Namibias ein. Friedrich Bruhns war zwischen 1972 und 1974 Mitglied des sog. VELKSWA Synodalausschusses der DELK (VELKSWA - Verenigde Evangeliese Lutherse Kerk in SWA). Zu diesem Zeitpunkt diskutierten deutschsprachige Lutheraner in Namibia intensiv Fragen hinsichtlich einer Vereinigung der DELK mit den sogenannten schwarzen Schwesterkirchen, der Evangeliese Lutherse Kerk in SWA - Rynse Sendingkerk (ELK) und der grössten namibischen Kirche, der Evangeliese Lutherse Ovambokavangokerk (ELOK), in der VELKSWA.

Diese als sog. Kirchenstreit begriffenen Diskussionen wurden in den Gemeinden und in der Kirchenleitung der DELK mit zunehmender öffentlicher Vehemenz ausgetragen, weil sie von vielen Kirchenmitgliedem als Grundsatzdebatte über die Apartheidspolitik, die Zukunft deutschsprachiger Namibier als 'weisse' ethnische Gruppierung, sowie den gesellschaftspolitischen und kirchlichen Auftrag der DELK und deren Beziehungen zur Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) verstanden wurden.

Der VELKSWA-Synodalausschuss der DELK formulierte die Lage im Januar 1973 folgendermassen:

"Die Frage nach der Vereinigung bekenntnisgleicher Kirchen verschiedener Sprache und Rasse stösst hier in SWA auf solche Widerstände, dass sie zur Bekenntnisfrage zu werden scheint." Wie aus dem vorliegenden Material hervorgeht, spielten in den Debatten neben diversen Kirchengremien der DELK, der VELKSWA und der EKD, Netzwerke wie die konservative SOS-Christliche Not- und Arbeitsgemeinschaft, die gegen einen Beitritt der DELK zur VELKSWA votierte, eine Rolle, ebenso der von Hella Hammerbeck-Bruhns mitinitiierte Arbeitskreis in der DELK, der auf kirchenpolitische und theologische Reformen innerhalb der DELK zielte. Öffentlich ausgetragen wurden die Debatten in den Leserbriefspalten und KomAE???E?? ???l»mentaren der einflussreichen Allgemeinen Zeitung (AZ).

Die Dokumentensammlung reflektiert darüberhinaus Positionen von Persönlichkeiten wie jene der Landespröpste Otto Milk (bis 1972) und Kurt Kirschnereit (ab 1972), des stellvertretenden Landespropstes Ludwig Friese (bis Januar 1974), der zugleich Pastor der Gemeinde Omaruru-Karibib war, wie auch von Thea Hälbich, Sprecherin der Notgemeinschaft, Kurt Dahlmann, Schriftleiter der AZ, R. Friede, Religionslehrer in Karibib und Mitinitiant des Arbeitskreises, Pastor Peter Pauly (DELK) sowie einigen in Namibia tätigen bundesdeutschen Pastoren, neben L. Friese u.a. Gerhard Dunze, Wolfgang Krüger und Friederike Heller. Letztere standen angesichts ihres Engagements für einen Zusammenschluss der DELK mit der VELKSWA vielfach im Zentrum öffentlicher Kritik.

Die Rolle des Kirchlichen Aussenamtes der EKD wird in der Sammlung ebenso deutlich wie die Positionen der ELK, ELOK und VELKSWA bzw. deren Sprechern, Bischof Leonard Auala, Pastor P. Gowaseb und Präses Lukas de Vries. Dokumentiert werden schliesslich zentrale Ereignisse wie die Reaktionen auf den sog. Offenen Brief der ELK und ELOK vom 23. Juli 1971 an den südafrikanischen Premierminister John Vorster, sowie 1972 die Gründung der VELKSWA durch die ELK und ELOK und ohne die DELK. Der Kirchenstreit führte innerhalb der DELK zu einer Existenzkrise und sowohl im namibischen als auch internationalen Kontext zu einer Isolation dieser lutherischen Kirche.

Die Ausweisung bzw. vorzeitige Abreise einiger der oben genannten bundesdeutschen Pastoren im Januar 1974, darunter Ludwig Friese, aber auch die Übersiedlung der auf Gemeinde- und Synodenebene AE???E?? ???l»engagierten Familie Hammerbeck-Bruhns 1976 nach Deutschland spiegeln diese Krise wider. Hella Brunns engagierte sich in der BRD, wie das vorliegende Material ebenfalls andeutet, weiterhin für ein unabhängiges Namibia und eine gemeinsame lutherischen Kirche in dem Land. […]