Der Walrufer

Spannender südafrikanischer Roman: ein Dreiecksverhältnis zwischen Mann, Frau und Wal
Mda, Zakes
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9,95 € *

Autor: Zakes Mda
Unionsverlag
Zürich, 2006
ISBN 978-3-293-00364-4
Kartoneinband mit Schutzumschlag, 13x21 cm, 282 Seiten


Kurzbeschreibung:

Hermanus an der südafrikanischen Küste ist die Welthauptstadt der Wale. Jedes Jahr strömen Seharen von Touristen in die kleine Stadt, um die Glattwale zu beobachten, die die Wintermonate in der warmen Bucht verbringen. Der Walrufer will mit dem ganzen Rummel und der Geschäftemacherei des neuen Südafrika nichts zu tun haben.

Er lebt als Eigenbrötler abseits in einer Hütte, und wenn er eine bestimmte Melodie auf seinem Horn anstimmt, kann er die Wale zu sich locken - besonders Sharisha, das Glattwalweibchen. Der Walrufer ist überzeugt, dass Sharisha seine Liebe erwidert, wenn sie zu den Tönen aus seinem Horn im Wasser tanzt.

Während er den Wal umwirbt, wird er selbst von Saluni umworben, einer Frau, die in roten Stöckelschuhen durch die Kneipen von Hermanus zieht und so leichtsinnig ist wie der Walrufer vorsichtig. Saluni stellt sein Leben auf den Kopf und ist nicht gewillt, das Dreiecksverhältnis zwischen Mann, Frau und Wal zu akzeptieren.


Aus "Eins":

Das Meer blutet aus Sharishas Wunden. Doch das kommt erst später. Im Augenblick steigt die Flut in kleinen sanften Bewegungen. Der Halbmond ist die Zeit der Nippflut. Der Walrufer steht auf einer der zerklüfteten Klippen, die rings um die Bucht eine Arena bilden. Dort hat er schon den größten Teil des Tages verbracht und in sein Horn geblasen. Sharishas Lied.

Lauter und immer lauter, und das Wasser hatte darauf geantwortet, indem es sich zum Stakkato seiner Rufe zurückzog. Doch Sharisha ist nirgendwo zu entdecken. Er hat nun schon so lange weit hinaus auf das Meer gestarrt in der Hoffnung, Sharishas Schwanzflosse im grellen Schein der untergehenden Sonne zu sehen, dass ihm die Augen schmerzen. Es ist September, die Glattwale sind aus den südlichen Meeren zurückgekehrt. Doch Sharisha ist nicht unter ihnen.

Die Nacht bricht herein. Langsam steigt der Walrufer die Klippen hinunter, um Mr. Yodd sein Leid zu klagen. Er nimmt den längeren, aber gefahrloseren Weg, der die betonierte Ablaufbahn überquert, auf der sich blaue, grüne, gelbe und rote Boote aneinander reihen. Vor hundert Jahren gehörten sie Fischern. Der Walrufer achtet darauf, nicht an eines der Boote zu stoßen, so zerbrechlich sind sie.

Sollte er stolpern und auf eines der Boote stürzen, dann würde es gewiss zerfallen. Fachleute aus Kapstadt verbringen Monate damit, sie in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen, damit die heutigen und zukünftigen Generationen, die in Zeiten der motorbetriebenen Trawler aufgewachsen sind, sehen können, wie sich früher die Fischer in ihren kleinen Ruderbooten allein mit ihrer Muskelkraft der rauen See stellten.

Wenn der Walrufer guter Laune ist, dann kann er die wettergegerbten Fischer in den Nebelschwaden der Vergangenheit erkennen, wie sie in ihrer Flotte kleiner Boote aufs Meer hinausfahren. Manche rudern mit ihrem Fang zurück, andere nehmen die Fische aus oder legen sie zum Trocknen auf die Felsen. Der Blick des Walrufers kann den Nebel sogar noch weiter durchdringen, bis zu einer Zeit vor den Booten, Fischern und Walfängern, als die Khoikhoi der Vorzeit um einen gestrandeten Wal herumtanzten.

Tanzend danken sie Tsiqua, Er, Der Seine Geschichten Im Himmel Erzählt, für die überreiche Nahrung, die Er seinen Kindern ab und an zukommen lässt, indem Er erlaubt, dass Wale stranden. Doch wenn zu viele stranden, dann gefriert der Tanz, und das Lachen in den Augen der Tänzer zerfließt zu Tränen, die auf den weißen Sand tropfen. Die Trauernden sammeln den Speck wegen des Trans, um darin Fleisch zu braten oder um ihn in Lampen zu verwenden.

Die Rippenknochen brauchen sie als Gerüste für ihre Hütten, und mit den Barten decken sie die Dächer. Ohrknochen verwendet man als Wasserkrüge. Andere Knochen werden zu Möbelstücken, ja selbst zu Kissen und Betten. So verbringen sie ihre Nächte voller Inbrunst in den Walen, die die Landschaft sprenkeln.

Doch zuerst werden die Trauernden so viel Fleisch essen, bis sie Durchfall bekommen. Einen weiteren Teil des Fleisches werden sie an der Sonne trocknen. Das Meiste allerdings wird verfaulen und die Küste mit seinem Gestank verpesten. Diese Verschwendung ist der Grund für ihre Tränen. Tsiqua, Er, Der Seine Geschichten Im Himmel Erzählt, sollte lernen, stets nur einen Wal stranden zu lassen.

Wenn nach den Wanderungen in die südlichen Meere und zurück wieder ein Wal angeschwemmt wird, dann schütteln sich die Leiber der Trauernden erneut vor Lachen. Und wieder danken die »wahren Menschen« - so der Name Khoikhoi -Dem, Der Seine Geschichten Im Himmel Erzählt, für die reichliche Nahrung.

Heute jedoch ist der Walrufer nicht in der Stimmung, durch die Nebel der Vergangenheit zu streifen. Die Traurigkeit der Gegenwart lässt ihn Höllenqualen erleiden. Mit jeder Faser seines Körpers sehnt er sich nach Sharisha. Vorsichtig steigt er die Klippe hinab, bis er vor der Grotte landet, die sich Mr. Yodd mit den Felsenhasen teilt, welche so zahm geworden sind, dass sie nicht mehr davonhoppeln.

Wenn es keine Touristen gibt, die sie füttern, kann man sie am helllichten Tag beobachten, wie sie die Mülltonnen durchstöbern. Die Grotte liegt knapp über dem Wasser, das vom Seetang ganz braun ist, wie schmutziges Öl. Der Walrufer kauert sich auf einen Felsen und schaut in die Grotte. Ein Felsenhase taucht auf, beschnuppert den Mann und hoppelt wieder zurück in das Loch, um sein Nickerchen fortzusetzen, aus dem er geweckt wurde. [...]