Genozid und Gedenken. Namibisch-deutsche Geschichte und Gegenwart, von Henning Melber et al.

Genozid und Gedenken. Namibisch-deutsche Geschichte und Gegenwart. von Henning Melber et al. Verlag: Brandes & Apsel. Frankfurt am Main, 2005. ISBN 3860998226 / 3-86-099822-6 / ISBN 9783860998229 / ISBN 978-3-86-099822-9

Genozid und Gedenken. Namibisch-deutsche Geschichte und Gegenwart. von Henning Melber et al. Verlag: Brandes & Apsel. Frankfurt am Main, 2005. ISBN 3860998226 / 3-86-099822-6 / ISBN 9783860998229 / ISBN 978-3-86-099822-9

Aus dem Vorwort zu Genozid und Gedenken. Namibisch-deutsche Geschichte und Gegenwart, von Henning Melber et al.

Christoph Marx  Jürgen Zimmerer  Henning Melber  Joachim Zeller  Reinhart Kößler  

[…] Vor über zehn Jahren (1994) formierte sich in Namibias Hauptstadt Windhoek innerhalb der deutschsprachigen Minderheit ein ob seiner politischen Vielfalt und Breite ungewöhnliches ad hoc Bündnis, das als »Reiterinitiative« bekannt und zum feststehenden Begriff wurde. Es setzte sich aus Personen des öffentlichen Lebens zusammen, die nahezu das gesamte institutionalisierte gesellschaftspolitische Spektrum innerhalb der deutschen Sprachgruppe im Lande (mit Ausnahme des »rechten Randes«) verkörperten. Zielsetzung der Initiative war die Ergänzung des Reiterdenkmals, das in ungebrochen verherrlichender Mythologisierung über den in einem Tal liegenden Innenstadtbereich wacht und an die Zeiten der kolonialen Unterwerfung der Bevölkerung durch die deutschen Schutztruppen erinnert. Das Monument ist auch heute noch ein markantes Geschichtssymbol und wesentliches visuelles Element zur Illustration des deutschen Erbes im Lande. Es ist beliebtes Ausflugsziel und Motiv insbesondere für die zahlreichen Touristen aus Übersee, die bei dessen Anblick nicht allzu selten in der irrigen, nostalgisch-verklärenden Erinnerung an »gute alte Zeiten« des deutschen Kaiserreichs schwelgen. Kaum jemand unter den Touristen wie Einheimischen weiß darum, dass dieser Reiter ein Novum in der deutschen Denkmalsgeschichte darstellt, insofern er erstmals einen gewöhnlichen Soldaten in dieser Positur darstellt (bis dahin war die Abbildung zu Pferde ausschließlich ein Herrscherprivileg) und somit nachgerade eine »demokratische Errungenschaft« dokumentiert. Viele unter denen, die sich vor diesem Standbild photographisch ablichten lassen, sind sich auch nicht darüber im klaren (oder wollen sich nicht eingestehen), dass der wackere Reitersmann vermeintlich zivilisatorische Leistungen würdigt, die den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts zum Ergebnis hatten und billigend in Kauf nahmen. Auch unter den Initiatoren der »Reiterinitiative« war die Meinung über die historischen Bezüge und deren Einordnung alles andere als einheitlich und die hier vertretene Auslegung wäre in ihrer Eindeutigkeit auf vehemente Gegenrede der meisten Beteiligten gestoßen. Einigkeit bestand unter den diversen Meinungsträgern aber in dem einen Punkt, dass der allzu offensichtliche Anachronismus des Standbildes mit der Aufgabe einer Neubestimmung und Standortsuche des lokalen »Deutschtums«, das dem Versöhnungsgedanken im nachkolonialen Namibia gerecht zu werden trachtet, kollidiert. Also einigten sich die Initiatoren auch namens der von ihnen vertretenen kulturpolitischen Organisationen darauf, die zeitgeschichtlichen und gesellschaftspolitischen Veränderungen durch die Ergänzung des Denkmals aus heutiger Perspektive zu dokumentieren. Dies sollte durch die Platzierung eines naturbelassenen Felsens in die unmittelbare Nähe des Monuments geschehen. Eine darauf befestigte Schrifttafel sollte den folgenden Text (auch in englischer Übersetzung) den künftigen Besuchern des Reiterdenkmals als von den deutschsprachigen Landesbewohnern verfasste gemeinsame Grundposition dokumentieren: »Als Beteiligte und Erben von über hundert Jahren neuerer Landesgeschichte gedenken wir im Geiste der Versöhnung aller Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen von Beginn der Kolonisierung bis zur staatlichen Selbständigkeit. Als Bürger dieses Landes wissen wir uns verpflichtet, die friedliche Zukunft unserer Heimat Namibia in Gerechtigkeit und Freiheit gemeinsam zu gestalten.« Dieses Bekenntnis sollte als kleinster gemeinsamer Nenner der Initiativgruppe daran erinnern, dass Namibias neuere Geschichte alles andere als ein friedliches Idyll war. Trotz der relativ vagen (und damit zugleich auch relativ weit gehenden) Bezugnahme auf Gewalt und die Distanzierung von dieser als Form der Auseinandersetzung, gab es in der deutschsprachigen Minderheit wenige aber lautstarke reaktionäre Stimmen, die das als Verhöhnung der Pionierleistungen ihrer Vorväter und -mütter empfanden und sich dem Ansinnen widersetzten, diese Initiative als Geste der Versöhnung zu unterstützen. Dessen ungeachtet führte die spontane und überwältigende Zustimmung der Mehrheit dieser Bevölkerungsgruppe dazu, dass eine entsprechende Spendenkampagne bereits innerhalb weniger Wochen die keinesfalls unerheblichen Gelder zur Finanzierung des Vorhabens aufbrachte. Der Verwirklichung der - trotz Widerständen und hitzigen Diskussionen sowie z.T. massiver Kritik von politisch unterschiedlichen Seiten - unerwartet erfolgreichen Initiative stand nunmehr nur noch die offizielle Zustimmung des nationalen Denkmalrates im Wege. […]

Dies ist ein Auszug aus: Genozid und Gedenken. Namibisch-deutsche Geschichte und Gegenwart. von Henning Melber et al.

Titel: Genozid und Gedenken
Untertitel: Namibisch-deutsche Geschichte und Gegenwart
Herausgeber: Henning Melber
Verlag: Brandes & Apsel
Frankfurt am Main, 2005
ISBN 3860998226 / 3-86-099822-6
ISBN 9783860998229 / ISBN 978-3-86-099822-9
Broschur, 15 x 21 cm, 208 Seiten

Melber, Henning und Zimmerer, Jürgen und Kößler, Reinhart und Gewald, Jan-Bart und Böhlke-ltzen, Janntje und Jaguttis, Malte und Marx, Christoph und Zeller, Joachim im Namibiana-Buchangebot

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