Aus-Zeit: Mit Mozart und den Buschleuten in der Namib, von Erika von Wietersheim
Erika von Wietersheim, Autorin des Tagebuch-Reiseberichts,Aus-Zeit: Mit Mozart und den Buschleuten in der Namib, dankt allen Verwandten und Freunden, die ihr Sprüche, Zitate und Gedichte aufgeschrieben haben, um ihr über einen Monat Wüsteneinsamkeit hinwegzuhelfen.
Ein Monat im tiefen Süden allein, am Rand der Wüste
31. August - Abfahrt (Freitag)
[...] Ich kenne diesen Ort bisher nur von Fotos und weiß nicht, was mich dort an Lebendigem erwartet: Ob mich Vögel besuchen werden? Ob ich Oryxantilopen beim Trinken beobachten kann, vielleicht auch Strauße? Ob es Sandstürme und Hitzewellen geben wird? Aus hat ein sehr unwirtliches Klima; vor wenigen Tagen hat es dort sogar geschneit. Ob ich mich ab und zu zum Bahnhofshotel in Aus aufmachen werde, auf einen Kaffee, ein Essen? Von der Farm ist Aus nur 35 Kilometer entfernt, nahe genug für einen Drink an der einzigen Bar, aber weit und langweilig genug, um nicht dauernd dorthin zu fahren. Am Freitag um zwölf Uhr verlasse ich Windhoek, bepackt mit ein paar Lebensmitteln, Büchern, Unterlagen und den verschiedenen Teilen meines Computers: Bildschirm, Tastatur, Drucker. Ich will am ersten Tag in Keetmanshoop übernachten und erst am nächsten Tag den Rest der Strecke zurücklegen, denn ich möchte nicht in der Nacht ankommen - im Dunkeln an einem unbekannten Ort ohne Straßenlampen, ohne Nachbarn, eventuell ohne Strom; und wie stellt man nochmal das Wasser an? Lothar, der Besitzer der Farm, hat mir alles aufgeschrieben. Die ersten 300 Kilometer geht es in gerader Linie nach Süden, über Rehoboth, Kalkrand, Mariental, dort noch einmal tanken, etwas trinken, Zeitung lesen, dann weiter auf bestem Teer. Die nächsten 200 Kilometer gibt es keinen Ort mehr zum Halten. Assab liegt zwar an der Straße, aber man bemerkt es erst, wenn man schon daran vorbeigesaust ist, und in der Nähe des mächtigen Brukkaros liegen rechts und links der Straße die Dörfer Berseba und Tses mit ihren Hütten wie hingeworfene Streichholzschachteln, doch sie befinden sich abseits der Teerstraße, dieses schwarzen Striches, der den Norden mit dem Süden Namibias verbindet. In Keetmanshoop übernachte ich in einer kleinen Pension, inmitten eines verwunschenen Gartens. Palmen, üppige Gummibäume, kleine Lauben mit Gartenbänken und Schaukelstühlen, bunte Papageien in schwankenden Käfigen, Rüschendecken und mit Rosen verzierte Seifenschalen verleihen dem Ort eine verspielte Schönheit, so als würde man alles tun, um der Poesielosigkeit der öden Umgebung entgegenzuwirken.
2. September - zweiter Tag (Sonntag)
Vielleicht finden wir nur in der absoluten Stille zu uns selbst, zu unseren Entscheidungen, zu Kompromisslosigkeit wie sie uns die Wüste vorgibt. Am Morgen laufe ich sofort nach dem Aufwachen noch einmal von Zimmer zu Zimmer, aus jedem Fenster ein 1000-Dollar-Blick in die Natur, die Sonne scheint und das Gras leuchtet wie frisch gewaschenes Haar. Durchs Küchenfenster entdecke ich an der etwa vierzig Meter entfernten Tränke eine Oryxantilope. Obwohl ich mitten im Raum stehe, scheint auch sie mich wahrgenommen zu haben und starrt mich an. Als habe sie erkannt, dass ich hier neu bin. Nach einer Weile wirft sie den Kopf herum und trottet davon, während ihr eine zweite Oryx entgegenkommt. Kaum sind sie Kopf an Kopf, dreht auch diese sich um und entfernt sich vom Haus. Ich trete aus der Küche hinaus auf den Hof, um meinen Blick ungehindert in alle Himmelsrichtungen schweifen zu lassen. Der Gegensatz von Innen und Außen ist gewaltig. Im Haus ist alles Mensch: Auf Tischen und Bänken liegen Bücher und Zeitschriften, Fotos von lachenden Gesichtern hängen an den Wänden, weise Sprüche an Schränken und Spiegeln, selbstgebastelte Mobiles baumeln von der Decke, in zwei alten Bauernschränken mit knarrenden Türen findet man Geschirr und Besteck, in der Küche bunte Gewürzgläser und fleckige Kochbücher, rußige Petroleumlampen und halb abgebrannte Kerzen, bereit zum Anzünden für die Nacht. Und sobald man aus dem Haus tritt: ein leerer Raum über kilometerweiten welligen Ebenen, die am Horizont von stummen Bergreihen begrenzt werden. Es ist, als hätte sich in einer Umgebung von Hunderten von Quadratkilometern alles Menschliche in diesem kleinen Haus konzentriert. Ich laufe auf einer ausgetretenen sandigen Wildfährte an der Wasserstelle vorbei Richtung Süden. [...]
Dies ist ein Auszug aus: Aus-Zeit: Mit Mozart und den Buschleuten in der Namib, von Erika von Wietersheim.
Titel: Aus-Zeit
Untertitel: Mit Mozart und den Buschleuten in der Namib
Autorin: Erika von Wietersheim
Genre: Reisebericht, Reiseerinnerungen
Verlag: Palmato Publishing
Hamburg, 2017
ISBN 9783946205203 / ISBN 978-3-946205-20-3
Kartoneinband, Schutzumschlag, 12 x 20 cm, 136 Seiten, zahlreiche Skizzen
von Wietersheim, Erika im Namibiana-Buchangebot
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