Pech! Afrikanische Zufälle, von Artur Heye
Pech! Afrikanische Zufälle sind die fesselnden Memoiren des Abenteurers und ehemaligen Schutztrupplers Artur Heye aus der Zeit von 1925 bis 1926, als er sein geliebtes Ostafrika wiedersieht. Er hatte es von 1913 bis 1917 durchwandert und intensiv kennengelernt.
[…] Im Mai vorigen Jahres erfüllte sich mir die Sehnsucht von neun langen, dunklen Jahren - ich konnte wieder nach Afrika gehen. Die letzten Tage der Seefahrt verbrachte ich vorn am Bug und starrte hinaus in die schäumende blaue Weite der Indischen See, ich wollte das erste Auftauchen der dunklen Küstenlinie jenes Landes nicht verpassen, das für mich das Land war. Ich sollte es seit jenem Tage gegen Ende des Jahres 1917 zum ersten Male wiedersehen, als ich nach dreijährigem, abenteuerlichem Herumlaufen in seinen Steppen mit ein paar kaum ausgeheilten Löchern in der Gestalt Daressalam verließ, um nach Indien zu fahren, als englischer Kriegsgefangener. So waren die Gefühle nicht ganz einheitlich, mit denen ich dem Wiederbetreten dieses Landes entgegensah. Dann erhob sich endlich die ersehnte Küste aus dem blauen Meer, der Hafen von Mombasa öffnete sich vor dem Bug des Schiffes, die Landung folgte. Ich war wie im Traum- und blieb darin, als ich mit der Ugandabahn erst nach Voi und dann durch eine Gegend fuhr, die ich vor elf Jahren schon einmal zu Fuß passiert hatte. Damals war diese Einöde eine der wildesten und einsamsten von ganz Afrika gewesen, die Karten zeigten hier nur einen weißen Fleck und darin standen die Buchstaben „O.W.W. u. B." - ohne Wege, Wasser und Bewohner. Es stimmte auch, bis auf das „B"' denn Bewohner hatte sie mehr als mir afrikanischem Neuling damals lieb war - Tausende und Abertausende von wilden Tieren! Noch immer träumend, rollte ich jetzt in einem Wagen der im Kriege erbauten Bahn durch die weiten träumenden Ebenen und sah zweifelnd den rotstaubigen Weg an, der sich neben den Geleisen hin durch den stillen Busch schlängelte: meinen Weg von damals, wohl den angstvollsten, den ich je gegangen bin! Und dann fuhr der Zug in weiter Kurve nach Osten zu, und im Süden wurde damit plötzlich etwas Gewaltiges, Bläulichdunkles sichtbar, hoch über der Steppe, wie ein in den Himmel gehobenes Land, Heerzüge von weißen Wolken schwebten breit hingelagert darüber und hoch noch über diesen Wolken blinkte eine Domkuppel aus Silber herab, der Gipfel des Kilimandscharo! Als ich den sah, war ich noch mehr als zuvor überzeugt, daß das alles nicht Wirklichkeit sei, daß ich nur träume. In Moschi verließ ich den Zug und schlug in tagelangen Märschen einen Halbkreis um den Berg. Ich kam mir vor wie ein fortgeschleudertes Stückchen Eisen, das geradeaus fliegen möchte, aber nicht kann, weil ein Magnet es in seinem Kraftfeld hält. Mein Magnet war diese über alle Beschreibung erhabene Eiskuppel am blauen Himmel. Am Sonja-Flusse hatte ich ihr Bild scharf rechts von mir, und ebenso scharf links stand ein anderes, fast ebenso großartiges, die von den Flammen des Sonnenuntergangs umloderte Riesensilhouette des Meru. Zwischen den beiden gigantischen Bergen liefen braune Steppenflächen in den Horizont. Ich wußte von ihnen, daß sie sich nach Norden und Westen zu in der Größe von ganzen Ländern ausbreiteten, und daß sie von Wildherden, nein, von Wildheeren in unermeßlicher Zahl und Rrt bevölkert waren. Und da stand es bei mir fest: „hier ist gut sein, hier laßt uns Hütten bauen!" Ganz in der Nähe war die Farm eines Buren, an den ich empfohlen war, Abel Valdan. Er empfing mich, den Fremden, mit der in ihrer Unbeschränktheit förmlich arabisch anmutenden Gastfreundschaft der Buren. Ich wurde noch nicht einmal gefragt, woher ich komme, wohin und wann ich weiter wolle, sondern es wurden mit ein paar Griffen ein Maultiersattel, ein Autokühler, ein paar Löwenhäute und ein Sack Mais aus einem kleinen Zimmer zum Fenster hinausgeworfen, drei Hunde mit ebenso vielen Fußtritten hinterher befördert und das Zimmer mit einem kurzen „Das Ihrige!" mir zur Verfügung gestellt. „Das Meinige" war schlechthin alles, was es auf der Farm des alten Baldan gab, Neger, Hunde, Fordautos, Maultiere, große Schüsseln voll Fleisch, sehr viel Kaffee und noch viel mehr Gebete, Predigten und fromme Gesänge. Ich hatte hierherum allerlei zu tun vor, wollte wiederum auf den Kibo und zum ersten Mal auf den Meru hinauf, wollte jagen und Tiere fangen und Filmaufnahmen machen, Dinge, die eine ganze Zahl von Monaten in Anspruch nehmen würden. So hielt ich es in Anbetracht der täglich aufs neue ins Haus brechenden fremden Gäste und der für meinen Geschmack ein bißchen zu geräuschvollen und zu reichlichen Frömmigkeit für das Richtige, mir hier in der Nähe ein eigenes Standquartier zu zimmern. Tagelang war ich schon ruhelos durch die Gegend gestrichen, hatte jeden der unzähligen kleinen Hügel erklommen und einen Blick durch den Busch geworfen, immer wieder den feierlichen Eisdom des Kibo vor mir gesehen und jedes Mal noch schöner gefunden und eben darum mich für keinen Bauplatz entschließen können. Die kleine Regenzeit rückte bedenklich früh mit turmartigen Gebilden von Gewitterwolken heran, die wie zwanzigtausend Meter hohe Säulen manchmal rund um die Eiskuppe standen und dumpf herüber murrten und nachts in züngelnden Blitzen erglühten. Dann stieg das Barometer wieder rapide und die Türme verschwanden wieder. Die paar Tage schönen Wetters gedachte ich geschwind noch auszunützen und stieg mit den beiden khakibehosten Baldans-Töchtern hinaus auf die Rippen des Doms. […]
Dies ist ein Auszug aus den Memoiren: Pech! Afrikanische Zufälle, von Artur Heye.
Titel: Pech! Afrikanische Zufälle
Autor: Artur Heye
Safari-Verlag
Berlin, 1927
Originalleineneinband mit Goldgeprägung, 13 x 20 cm, 189 Seiten, 30 sw-Fototafeln
Heye, Artur im Namibiana-Buchangebot
Pech! Afrikanische Zufälle
Pech! Afrikanische Zufälle beschreibt den zweiten Aufenthalt Artur Heyes im ehemaligen Deutsch-Ostafrika, 1925-1926.
Im letzten Westen. Mit Trappern, Fischern, Goldsuchern in Alaska
Der Reisebericht "Im letzten Westen" handelt von Artur Heyes Leben mit Trappern, Fischern, Goldsuchern in Alaska (1932-1934).
Hinein nach Afrika: Erlebnisse in Nubien und Somaliland
Der dritte Band der Reiseerlebnisse Artur Heyes hat den Titel "Hinein nach Afrika: Erlebnisse in Nubien und Somaliland".
In Freiheit dressiert: Jugendjahre eines Abenteurers
Die Jugendjahre des Abenteurers Artur Heye in "In Freiheit dressiert", Band 1 der Reihe "Wilde Lebensfahrt".
Ewige Wanderschaft: Von Indien über Ostafrika nach Brasilien
Der Reisebericht "Ewige Wanderschaft" berichtet über drei Episoden: Artur Heyes Kriegsgefangenschaft in Ahmednagar, Indien, sein Filmprojekt in Ostafrika und seine Brasilienreise.
Die Wildnis ruft: Erlebnisse in Ostafrika
Artur Heyes Zeit von 1913 bis 1914 in Britisch-Ostafrika mit Freundschaft, Schriftstellerei, Jagd, Safari, Fotografie und Fieber.
Allahs Garten: Erlebnisse im Morgenland
"Allahs Garten: Erlebnisse im Morgenland" beschreibt die Wanderungen Artur Heyes von der Schweiz nach Venedig und in Ägypten von 1909 bis 1912.
Steppe im Sturm: Erlebnisse im Buschkrieg
Artur Heyes Kriegserinnerungen an Deutsch-Ostafrika von 1914 bis 1917: Steppe im Sturm. Erlebnisse im Buschkrieg.
Vitani. Kriegs- und Jagderlebnisse in Ostafrika 1914-1916
Vitani. Kriegs- und Jagderlebnisse in Ostafrika 1914-1916 war das erste von Artur Heye erschiene Buch über seine Zeit in der Schutztruppe von Deutsch-Ostafrika.
Hatako, der Kannibale
Hatako, der Kannibale ist eine Erzählung von zwiespältigen kulturellen Einflüssen in Ostafrika zur Zeit der britischen und deutschen Kolonisation.
Unterwegs. Die Lebensfahrt eines romantischen Strolches
Unterwegs: Die Lebensfahrt eines romantischen Strolches beschreibt Artur Heyes abenteuerliches Leben zwischen 1899 und 1909.
Unter afrikanischem Großwild
Unter afrikanischem Großwild beschreibt Artur Heyes Zeit in Britisch-Ostafrika in den Jahren 1912 bis etwa 1914.