Bruchstücke. Forschungsreisen in Deutsch-Südwestafrika, von Dag Henrichsen.
Als erster Wissenschaftler bereiste der Zürcher Botaniker Hans Schinz von 1884 bis 1886 die gerade gegründete Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Mit scharfem Blick schilderte er seine Eindrücke. Die Briefe sind in Bruchstücke: Forschungsreisen in Deutsch-Südwestafrika erstmals veröffentlicht.
Koloniale Bestrebungen, afrikanische Moderne und Forschungsreisen
Adolf Lüderitz (1834-1886), der bereits eine Handelsniederlassung in Westafrika betrieb, bemühte sich seit 1883 durch seinen Agenten Heinrich Vogelsang (1862-1914), in Angra Pequena. der späteren Lüderitzbucht in Südnamibia, eine weitere Handelsstation zu errichten. Dazu schloss Vogelsang mit dem Nama-Oorlam Kapitän Joseph Fredericks (gestorben 1893) in Bethanien, einer südnamibischen Missionsstation der seit Jahrzehnten im südwestlichen Afrika tätigen Rheinischen Missionsgesellschaft, diverse Verträge zum Erwerb von Land entlang der namibischen Küste ab. Dieser, wie Schinz unumwunden nach Hause berichtete, "fragwürdig" erworbene Landbesitz von Lüderitz, wurde im April 1884 aufgrund imperialer Bestrebungen im Deutschen Reich offiziell unter den Schutz der deutschen Regierung gestellt und bildete den Katalysator für die neue imperiale Rolle des Deutschen Reiches. Während am 7. August 1884 in Angra Pequena die deutsche Reichsflagge gehisst wurde und weitere Teile der namibischen Küste unter Eingehung der britischen Walfish Bay annektiert wurden, stellte Lüderitz eine Forschungsexpedition zusammen, um seine Landerwerbungen, vor allem die an den Oranjefluss angrenzende Region, näher wissenschaftlich und kommerziell untersuchen zu lassen. „Die mir übertragene botanische Durchforschung," so Hans Schinz, „verfolgte neben dem rein wissenschaftlichen auch den praktischen Zweck, allfällig vorkommende technisch oder medizinisch verwendbare Pflanzen ans Licht zu ziehen und sowohl deren Verbreitung als auch ihren Handelswert zu studieren." Neben Schinz hatte Lüderitz noch den als Expeditionsleiter fungierenden Bergbauinspektor Hermann Pohle sowie den Geographen und Botaniker Adolf Schenck (1857-1936) engagiert, und die Reisegruppe, der des weiteren auch einige Bergarbeiter angehörten, schiffte sich Ende August 1884 in Hamburg nach Kapstadt ein. Der wissenschaftliche Zugriff auf die neu erworbenen Territorien stand somit den kommerziellen und politischen Interessen keineswegs nach; die Lüderitz-Expedition kann als gutes Beispiel dafür gelten, dass wissenschaftliehe Interessen von vornherein zu den „Antriebsmomenten in der kolonialen Bemächtigungsgeschiehte" zählten. Dass die Expedition dann im Hinblick auf ihre Forschungszwecke erfolglos verlief, wie die Reiseberichte von Hans Schinz veranschaulichen, hatte neben persönlichen Differenzen zwischen den Wissenschaftlern vor allem mit (finanziellen) Fehlplanungen durch Lüderitz selbst zu tun. Allerdings segelte Hans Schinz im August 1884 nicht nur im Windschatten deutscher Kolonialbestrebungen in das südliche Afrika. Er war hierbei selbst Akteur, wie er am 3. Dezember 1884, bereits in Südnamibia, knapp in seinem Tagebuch vermerkte: „Abends 6 Uhr habe ich die erste deutsche Flagge in lAus Gross-Namaqualand gehisst." Wenig später entschloss sich Schinz, den Vertrag mit Lüderitz zu lösen, wobei er geschickt vorging, indem er sich die Genehmigung des kaiserlichen Generalkommissars, Gustav Nachtigal (1834-1885), der sich als erster deutscher Beamter kurzzeitig in Südnamibia aufhielt, geben liess. Zu diesem Zeitpunkt, Anfang 1885, war Lüderitz bereits aufgrund finanzieller Schwierigkeiten gezwungen, seine Landrechte an eine von deutschen Industriellen und Politikern hastig gegründete Auffanggesellschaft, die „Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika" zu verkaufen. Während diese Gesellschaft in den folgenden zwei Jahren durch Beamte weitere Landverträge mit verschiedenen, Schinz selbst zum Teil alsbald bekannten afrikanischen Herrschern im südwestlichen Afrika abschlössen liess und somit die kolonial-politische Ausgestaltung der Kolonie vorantrieb, plante Schinz, seine „Afrikatour" auf eigene Faust zu „absolvieren".'" Die finanziellen Mittel dazu bot ihm sein Zürcher Erbe. [...]
Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Bruchstücke. Forschungsreisen in Deutsch-Südwestafrika, von Dag Henrichsen.
Titel: Bruchstücke
Untertitel: Forschungsreisen in Deutsch-Südwestafrika
Herausgeber: Dag Henrichsen
Reihe: Lives Legacies Legends, Vol. 9
Verlag: Basler Afrika Bibliographien
Basel, 2012
ISBN 9783905758320 / ISBN 978-3-905758-32-0
Broschur, 20 x 28 cm, 188 Seiten, etliche Abbildungen und Karten
Schinz, Hans und Henrichsen, Dag im Namibiana-Buchangebot
Bruchstücke. Forschungsreisen in Deutsch-Südwestafrika
Bruchstücke ist eine Sammlung von Briefen des Schweizer Hans Schinz von seinen Forschungsreisen in Deutsch-Südwestafrika.
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