Menschen und Tiere in Deutsch-Südwest, von Adolf Fischer

Menschen und Tiere in Deutsch-Südwest, von Adolf Fischer. Deutsche Verlags-Anstalt. Stuttgart und Berlin, 1914

Menschen und Tiere in Deutsch-Südwest, von Adolf Fischer. Deutsche Verlags-Anstalt. Stuttgart und Berlin, 1914

Adolf Fischer, der Deutsch-Südwest von 1906 bis 1912 in seinen menschenfernsten Gegenden erlebte, war Oberleutnant der Kaiserlichen Schutztruppe. Zurück in der Heimat schrieb er mit "Menschen und Tiere in Deutsch-Südwest" seine Eindrücke und Erinnerungen an die gewaltigen Landschaftsszenarien, die Trockenheit und die geschauten Wunder der Natur in einem beeindruckenden Werk nieder.

Adolf Fischer  

Das Land, von dem ich rede, ist groß und ernst, arm und alt. Es liegt auf der südlichen Erdhälfte, nicht weit vom Äquator, aber es hat nichts von tropischer Pracht, noch von der freundlichen Fruchtbarkeit gemäßigter Zonen. Ein kalter Meerstrom bespült die Westküste. Hohe Dünen, denen jede Bewachsung fehlt, hemmen den Blick ins Hinterland; der gelbe Sand wird zum Spielzeug tosender Stürme. Hier tragen sie einen der glitzernden Hügel ab und setzen ihn über Nacht auf einen anderen Platz. Ein Sandwall sperrt plötzlich den Weg, der vom Innern zur Küste führt, und leitet den einsamen Reiter irre, der der grausigen Öde zu entrinnen trachtet. Die Kräfte seines Pferdes erlahmen im Geriesel des feinen Sandes, die furchtbare Erkenntnis „Verirrt!" lähmt den Verstand und hetzt den Verdurstenden bergauf, bergab zu nutzlosem Suchen nach Wasser. Bis aus erlöschenden Augen der letzte Blick zur höhnenden Sonne zittert, die aus wolkenloser Leere herniederbrennt. Kahle, zernagte Felsschroffen entwachsen der Sandwüste, Trümmer toter Gebirge, die keines Menschen Herz erfreuen, die in ragender Ruhe der Ewigkeit entgegenharren. Hier kümmert spärlicher Pflanzenwuchs in Schluchten und Rinnen, der Vorbote der Halbwüste, die zum Kern des Landes hinüberleitet. Das Innere erfüllt Hochebene. Unabsehbar weiten sich Steppe und Busch, über alle Begriffe groß und einförmig. Da und dort steigen Bergmassen zum Himmel empor. Baumbestandene Sandbetten durchschneiden das Land, ziehen schüchterne grüne Bänder durch die graue Flur. Im Nordosten und Osten säumt Sand das Hochland. Die Kalahari brandet heran, ist das trennende Sandmeer, das keine Botschaft jenseitigen Reichtums herüberträgt. Im Süden neigt sich die Bergwildnis dem Kapland zu, lehnt sich an den Oranjefluß, den sie in steinerner Umarmung beinahe erdrückt. Die Wellen der Südkalahari glätten sich nordwärts, breit fließt der Sand um die Otavihalbinsel herum nach Westen bis an das Kaokofeld, das eine Brücke nach Angola schlägt. Ein schmaler Kalahariarm streckt sich nach Osten, reicht an das Sambesigebiet, in eine neue Welt mit fließenden Strömen, eigener Tier- und Pflanzenentfaltung und fremden Volksstämmen. Feindselig sperrt das Land sich gegen Mensch und Tier. Drei Viertel des Jahres ist staubiges Grau der Grundton der Landschaft. Verdorrtes Gras, welkes Kraut duckt sich am Boden. Mit scharfen Dornen verteidigen Bäume und Büsche ihr unfrohes Dasein. Durchglühter Sand, heißes Gestein stöhnen im Sonnenbrand. Gleißende Luft tanzt über der Erde. Kein Fluß, kein Bach strömt fruchtbarer Niederung zu. Durch bleiblauen Äther zieht grausam bedächtig das heiße Gestirn die Tagesbahn. Drei Viertel des Jahres ist Trockenheit Kern des Landes. Spät im Jahr ballen sich die ersten Wolken. Sie verhängen die Sonne für einige Stunden des Tages. Aber Windstöße jagen sie vorüber, machen die Regenabsicht zuschanden. Andere Wolkenwände rücken heran. Sie schütten Staub und Sand auf die sterbende Natur. Oft fallen im September die ersten Tropfen. Gierig öffnet die Erde die Poren. Es riecht nach Frühling. Dann aber brennt die Sonne nur um so heißer, und schon am nächsten Morgen ist jede Regenspur getilgt. Erst im Dezember, oft noch später, nimmt die Hauptregenzeit den Anfang. Wer hätte sie je erlebt, ohne staunende Freude zu fühlen. Wie zu neuer Sintflut verfinstert sich der Kümmel, Gewitter von unerhörter Pracht krachen hernieder. Sonnen-Untergänge zaubern in dieses Land der Gegensätze schmerzhaft tiefe Glutfarben. Regenbogen von fleckenloser Reine stehen breitbeinig über der Erde. Tümpel und Teiche füllen sich. Über die Sandbetten der Bäche und Flüsse rauschen Fluten. Aus Staub und Geröll sproßt Frühlingsgrün. Blumengesichter grüßen aus Steppe und Busch. Aber nach wenigen Wochen verwischt das Bild. Kaum geboren, welkt die Herrlichkeit und stirbt dahin. Von neuem zeigt sich das Land in erschreckender Eigenart. Es weiß nichts mehr von kleinen Schönheitsmitteln, nichts von niedlicher Lieblichkeit. Große Gedanken sind nun wieder ins Riesenhafte verkörpert, führen die Blicke hinaus in endlose Weiten, Horizonten zu, die Himmel und Erde nicht zu trennen, sie zu einer einzigen Landschaft zu verschmelzen scheinen. Die ausdruckslose Leere des Alls wird zur gleichfarbigen Fortsetzung des verbrannten Gesteins, der stumpfen Steppe, aus der das wehmütige Lied der Einsamkeit und Entsagung klagt. Das ist das Feld. […]

Dies ist ein Auszug aus dem Erinnerungswerk: Menschen und Tiere in Deutsch-Südwest, von Adolf Fischer.

Titel: Menschen und Tiere in Deutsch-Südwest
Autor: Adolf Fischer
Genre: Erinnerung, Reisebericht
Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt
Zweite Auflage. Stuttgart und Berlin, 1914
Original-Leineneinband, 17 x 19 cm, 294 Seiten

Fischer, Adolf im Namibiana-Buchangebot

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Ein sehr stimmungsvolles und aufschlußreiches Erinnerungswerk über "Menschen und Tiere in Deutsch-Südwest".

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