Wo sind die Herero geblieben?, von Hans Hilpisch

Wo sind die Herero geblieben?“ Neue Erkenntnisse und Theorien zum Rückzug der Herero in die Omaheke 1904/1905. Hans Hilpisch, Kuiseb-Verlag, Windhoek, Namibia 2019. ISBN 9789994576647 / ISBN 978-99945-76-64-7

Wo sind die Herero geblieben?“ Neue Erkenntnisse und Theorien zum Rückzug der Herero in die Omaheke 1904/1905. Hans Hilpisch, Kuiseb-Verlag, Windhoek, Namibia 2019. ISBN 9789994576647 / ISBN 978-99945-76-64-7

In seinem neuen Buch „Wo sind die Herero geblieben?“ stellt Hans Hilpisch neue Erkenntnisse und Theorien zum planmäßigen Rückzug der Herero in die Omaheke 1904/1905 auf der Grundlage der landeskundlichen Besonderheiten dieser Region vor.

Hans Hilpisch  

Omuramba und Rivier

Wie viele andere Gegenden Namibias wird auch die Omaheke von Trockenflüssen durchzogen. Andernorts "Riviere" geheißen, werden sie hier "Omuramba" genannt, im Plural „Omiramba". Das Wort entstammt der Herero-Sprache und bezeichnet ein lehmiges Flussbett, das nur während der Regenzeit Wasser führt. Nach Missionar Irle bedeutet es "Tal, in dem ein trockenes Flussbett liegt". Dem Regenfall entsprechend sind die Flüsse periodisch oder episodisch. Sie fließen nach starken Niederschlägen nur einige Stunden oder wenige Tage. Die Wasserführung tritt stoßartig auf, der Trockenfluss "kommt ab". Charakteristisch für die Omiramba sind Täler mit einem breiten, lehmbedeckten Bett, das mit Gras oder anderer Vegetation bewachsen ist. Selten haben sie einen zusammenhängenden Wasserlauf und oft erkennt man sie nur am Schwemmland, ohne dass sich ein eigentliches Bett abhebt. Mitunter lässt sich in ihrem Lehmboden auf ein kurzes Stück eine Flussrinne verfolgen, während andere Omiramba aus lose hintereinander gereihten Lehm- oder Kalkpfannen bestehen. Das mag ein Grund dafür gewesen sein, warum die Schutztruppe damals von der Existenz einiger Omiramba wie etwa dem später noch vorzustellenden "Gunib" gar nichts wusste bzw. andere zwar kannte, ihren genauen Verlauf aber oft nicht bestimmen konnte oder diesen während der militärischen Operationen wieder verlor. Die Omiramba der Omaheke führen das Oberflächen- sowie das Sickerwasser ihrer Umgebung in geringem Gefälle nach Nordosten dem Okavango bzw. dem Okavango-Delta zu. Das von den Omiramba durchschnittene Land ist oft grasreich, mit Bäumen bestanden und war - vor allem südlich der erwähnten Linie Waterberg-Rietfontein - schon damals mit zahlreichen Herero-Werften besetzt. Da die Flüsse an vielen Stellen kein eigentliches Tal besitzen, überfluten sie in der Regenzeit vielfach das Seitengelände. In diesem Überschwemmungsgebiet bilden sich vorübergehend Wasseransammlungen, aber auch der unterirdische Wasserreichtum kann beträchtlich sein, wie die vielen ergiebigen Wasserstellen an ihrem Lauf beweisen. Vielerorts kann außerhalb der Regenzeit durch Grabung in wenigen Metern Tiefe Grundwasser gewonnen werden, das den Bewohnern und ihren Tieren das Uberleben sichert. Der Historiker Dr. Dag Henrichsen beschreibt, dass die Herero in unmittelbarer Nähe oder in Flussbetten, wo Wasser vermutet werden konnte, ein Netz von Brunnen anlegten, ebenso in Pfannen, um das unter den Kalkdeckeln versickernde Wasser zu nutzen. Unter kollektivem Arbeitseinsatz wurden trichterförmige Vertiefungen ausgehoben, deren Innenseiten versetzte Vorsprünge aufwiesen, damit Schöpfketten gebildet werden konnten. Solche Brunnen waren in der Regel 3-5 m, viele jedoch bis zu 10 m und einige sogar 20 m tief. Im sandigen Kalahari-Becken der nördlichen Omaheke, wo es zwar stärker regnete, das Wasser aber schneller wieder versickerte, legten die Herero in Bodendepressionen mit Lehmböden sog. Feld-und Sandbrunnen an. Dies waren Becken von bis zu 4 Metern Durchmesser und 7 Metern Tiefe, in denen sich das Grundwasser konzentrierte. An Stellen, an denen ein einzelnes Becken zu wenig Wasser lieferte, wurden bis zu 20 in unmittelbarer Nähe voneinander angelegt. Nach von Üchtritz, zitiert bei Dr. Karl Dove, können die abdeckenden Kalkschichten bis zu 1,5 m dick sein und Missionar Johann Jakob Irle beschreibt die Mühe, die es kostet, einen Feldbrunnen mit spitzen, aus hartem Holz geschnitzten Stöcken herzustellen. Auch führt er aus, dass diese Feldbrunnen zwei große Nachteile hatten. Einmal gibt der weiße Lehm, der zwischen den Kalkschichten sitzt, dem Wasser eine schmutzig weiße Farbe. Außerdem sammelt sich nach dem Schöpfen neues Wasser nur langsam, indem es tropfenweise aus den Brunnenwänden heraussickert. Um die Wasserversorgung in regenarmen Zeiten sicherzustellen, bauten die Herero gezielt ganze Ketten von Brunnen. Hier wurden die Viehherden während der Trockenzeit konzentriert, während man sie in der Regenzeit verteilte, weil nun auch die Pfannen und Teiche mit Wasser gefüllt waren. Die Erhaltung dieses Brunnen-Netzes erforderte einen hohen Arbeitsaufwand. Durch seine Existenz war es jedoch möglich, je nach klimatischen oder militärischen Notwendigkeiten eine rasche Verschiebung von Herden und Menschen zu gewährleisten. Auch die Reiserouten orientierten sich an diesem Netz. Zurück zu den Omiramba. Auch wenn diese oft so flach sind, dass man das eigentliche Flusstal nicht erkennt, durchziehen sie mit ihren sog. Galeriewäldern häufig wie ein grünes Band das Land, weshalb sie auch den Beinamen „lineare Oasen" tragen. Das folgende Satellitenbild zeigt den Omuramba Otjosondjou mit „Nebenflüssen" im Sandveld, hier wenige Kilometer südöstlich der alten Wasserstelle Garn nahe der botswanischen Grenze. Mit Satellitenunterstützung konnten in den 1980er Jahren erstmals die genauen Verläufe der Omiramba festgehalten werden. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Wo sind die Herero geblieben?, von Hans Hilpisch.

Titel: „Wo sind die Herero geblieben?“
Untertitel: Neue Erkenntnisse und Theorien zum Rückzug der Herero in die Omaheke 1904/1905
Autor: Hans Hilpisch
Verlag: Kuiseb-Verlag
Windhoek, Namibia 2019
ISBN 9789994576647 / ISBN 978-99945-76-64-7
Broschur, 15 x 21 cm, 96 Seiten, 4 Kartenskizzen

Hilpisch, Hans im Namibiana-Buchangebot

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