Reiseberichte aus Namibia, von Bernd Kroemer et al.

Reiseberichte aus Namibia, von Bernd Kroemer et al.

Reiseberichte aus Namibia, von Bernd Kroemer et al.

Bernd Kroemer und weitere Autoren waren die Gewinner eines Schreibwettbewerbs, den der Deutsche Kulturrat in Namibia ausgerichtet und als Thema 'Reiseberichte' bestimmt hatte.

Bernd Kroemer  

Hitze am Oranje oder Natur pur

Hans Feddersen

1. Januar: Das also war unser Silvester in Lüderitzbucht. Wir fanden gestern den Eintritt in die Turn- und Lesehalle „für Touristen zu teuer" und hatten auch nicht die passende Kleidung im Gepäck. Saßen also mit einer Flasche Sekt auf dem höchsten Felsen der Haifischinsel und beobachteten zu dritt (die Kinder schliefen nach der ausgedehnten Jagd nach Langusten schon früh im Zelt), wie eine der Hütten im Viertel der Schwarzen Feuer fing. Von Raketen entzündet. Die Feuerwehr war schnell zur Stelle - und auf dem Felsen wehte solch ein kühler Wind, daß wir gegen 1.00 Uhr ebenfalls in die Schlafsäcke krochen. Heute ist Feiertag. Für uns stehen die Buchten auf dem Programm. Sobald die Werkstatt morgen offen ist, wollen wir einen neuen Reifen kaufen. S. meckert zwar über die unvorhergesehene Ausgabe, „wo uns die Panne ja schon den Ausflug zum legendären Wüstenschloß Duwisib versaut hat". Dabei hatte D. alles über den Baron von Wolf und seine 20 einsamen Reisen mit dem Ochsenwagen gelesen. Und über seine liebe Frau. Er liest erstaunlich viel und ist gut informiert. D. glaubt, daß die wilden Pferde bei Garub aus dem Gestüt des Barons kommen, obwohl 150 Kilometer zwischen Garub und dem „Platz des Regenbogens" (eben Duwisib) liegen. Sein Freund August Stauch lebte ja noch weiter weg. Ich beobachte in letzter Zeit, daß die Spannung zwischen D. und S. zunimmt. D. nannte ihn etwas gehässig den „standhaften Südwester, den Reiter von Südwest" und S. entgegnete, Europäer seien schlichtweg „Genießer, für die alles selbstverständlich" sei. „Wir sind mit der Natur verwachsen. Ihr bleibt Don Quixote in Afrika. Guck mal, wer in Europa nur im Museum ausgestopfte Tiere sah. muß natürlich Angst vor Schlangen haben. Dabei gibt es viel mehr Tote auf unseren Sandstraßen." Er hat uns halt überall hingebracht. Nur eine Panne auf 6000 Kilometern! Lassen wir ihm seinen Stolz. Auf der Farm bei Helmeringhausen hatte jemand ein Goethe-Zitat ins Gästebuch geschrieben: Bei Euch und hier in Namibia habe ich mich selbst zuerst gefunden; ich bin übereinstimmend mit mir selbst glücklich und vernünftig geworden". So habe Goethe nach 18 Monaten einsamer Italienreise Bilanz gezogen. Hier Wüste, dort Rom. Kultur sollte nicht im Kampf gegen die Natur, sondern mit ihr entwickelt werden, ergänzte D. Aber S. ist anderer Meinung, blieb auch bald ganz still. Seit Ruacana ist er gereizt. Ob ihm die Hitze zu schaffen macht? Aber das Steuer will er auch nicht aus der Hand geben. Wenn wir schon Natur pur suchen, will er wenigstens der Fahrer sein. Urlaub soll doch entspannen.

2. Januar: Reifen gekauft. Fast 700 Namibia-Dollar, denn auch die Felge mußte ersetzt werden. Kurz vor Aus bleibt der Kombi überhitzt stehen. Wir vermuten, daß S. den steilen Anstieg von 1600 Metern über nur 120 Kilometer im falschen, nämlich im dritten Gang fuhr und das vor Nervosität nicht merkte. Aber wir sagen nichts. Es ist heiß. D. zeigt uns seine ausgezeichneten Fotos - das kann er wirklich, fotografieren - von der Ftoschapfanne. den mageren Eseln in Ovambo, die sogar Papier fressen und regelrecht auf der Straße stehend verhungern, vom wolkenlosen hohen Himmel, Sonnenuntergänge, Twyfelfontein, den Versteinerten Wald, der Weißen Dame - die uns. wie auch schon der Verbrannte Berg, doch sehr enttäuscht hat. Lange wird sie nicht mehr für ihr Land Reklame machen können. Attraktiver sind das Kasino von Elizabethbucht, Kolmannskuppe, der Friedhof von Pomona und die Robben der Atlasbucht. Der Bogenfels hat uns sehr gut gefallen. D. wörtlich: „Das ist, was Europäer fasziniert: Das Individuum wird in der Verlassenheit und einsamen Ruhe befreit." Und dann - das muß ich aufschreiben und später mal verstehen: "Der Europäer will den Rückzug in ein geistiges Reduit. Solch ein Rückzug in die unberührte Natur kann leicht kathartische Wirkung haben". Nachdem wir schon viele Menschen, Kulturen. Stammestänze und Masken, ja auch Tiere. Flora und Vögel gesehen und erlebt haben will er nun eine Gegend kennenlernen, wo er in die Natur aufgehen kann, ihre „unangetastete Jungfräulichkeit" und einen Frieden erfährt, den Europas kommerzialisierte Zivilisation nicht mehr bieten kann. S. und ich verstehen den Zusammenhang mit Goethes Italienreise zwar nicht, aber wir ahnen, warum D. die zeitlose Einsamkeit der Wüste als "ursprüngliche Harmonie des Universums" betrachtet. Diese Phrase hat er von Leibniz. S. meint: "Der Dscherrie" braucht uns doch nicht unsere Natur zu erklären. Soll der outjie erstmal Land und Leute besser verstehen. Wir wissen hier gut, was angeht. Was weiß Leibniz besser als Rudi oder Blythe Loutit, Tony Williams, Peter Tarr, Amy Schoeman, Hu Berry, Mary Seely, Kuno Budack, Helmut zur Strassen, Gino Noli oder Gunter von Schumann? (...)

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Reiseberichte aus Namibia, von Bernd Kroemer et al.

Buchtitel: Reiseberichte aus Namibia
Autoren: Hans Feddersen; Erdmute Breiting; Friedrich Kasdorf; Rainer Iserloh; S. von Leipzig; Karin Stachursky; Ursula Marquardt; Wolfgang Bauer; Bernd Kroemer; Wolf-Dietrich Gürtler; Irmela Erlank-Rethemeyer; Luise Hoffmann
Herausgeber: Deutscher Kulturrat
Windhoek, Namibia 1997
Broschur, 15x21 cm, 156 Seiten, einige sw-Abbildungen, 1 Karte

Kroemer, Bernd im Namibiana-Buchangebot

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