Namibia: Gesellschaftspolitische Erkundungen seit der Unabhängigkeit, von Henning Melber.

Namibia: Gesellschaftspolitische Erkundungen seit der Unabhängigkeit, von Henning Melber. Verlag: Brandes & Apsel. Frankfurt, 2015. ISBN 9783955581091 / ISBN 978-3-9555810-9-1

Namibia: Gesellschaftspolitische Erkundungen seit der Unabhängigkeit, von Henning Melber. Verlag: Brandes & Apsel. Frankfurt, 2015. ISBN 9783955581091 / ISBN 978-3-9555810-9-1

Autor Dr. Henning Melber verzichtet darauf, gesellschaftspolitische Erkundungen im nachkolonialen Namibia anzubieten, die das wohlwollende Bild einer halbwegs geordneten und friedlichen Welt inmitten der eindrucksvollen Natur zeichnen. In den ersten Jahren seit der Unabhängigkeit, in denen er seine zunehmend kritischeren Analysen im Rahmen von Vorträgen präsentierte, lobte er hingegen stets echte Errungenschaften und Veränderungen zum Guten.

Henning Melber  

Undemokratische Demokraten

Seit der Unabhängigkeit entwickelte sich trotz und entgegen solcher Bestnoten ein politisches System mit Tendenzen zum Einparteienstaat unter autoritärer Herrschaft. Dank ihrer Reputation als »Volksbefreier« und in Ermangelung akzeptabler Alternativen gelang es der SWAPO, ihre 1989 erzielte absolute Mehrheit bereits in den zweiten Wahlen vom Dezember 1994 zu einer klaren parlamentarischen Zweidrittelmehrheit und damit die alleinige Verfügungsgewalt über die Gesetzgebung auszubauen. Diese Vorherrschaft wurde durch die seitherigen Wahlergebnisse weiter gefestigt, da jeweils mehr als drei Viertel der Wählerinnen und Wähler für die SWAPO stimmten. Mit dem Wahlergebnis von Ende November 2014 wurde diese Dominanz trotz wachsenden Unmuts in Teilen der Bevölkerung ob der zunehmend selbstgerechteren Form der Aneignung von Privilegien und den ungehinderten Exzessen einer Pfründenwirtschaft mit 80 % der abgegebenen Stimmen sogar noch weiter gefestigt. Das weitreichende Mandat förderte das Missverständnis, dass die Regierung da sei, um der Partei zu dienen, und dass der Staat Eigentum der Regierung (und ergo der Partei) sei. In den Tagen des Befreiungskampfes behauptete ein Slogan, dass die SWAPO das Volk und das Volk die SWAPO ist (»SWAPO is the People and the People are SWAPO«). Heute könnte er lauten: SWAPO ist die Regierung, und die Regierung ist der Staat. Diese Tendenz zum Missbrauch staatlicher Macht ignoriert, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen formaler demokratischer Legitimität (entstanden durch die Anzahl von Stimmen in einer relativ freien und allgemeinen Wahl) und deren moralischer und ethischer Dimension gibt. Was ein (afrikanischer) Sozialwissenschaftler an den nachkolonialen Verhältnissen in anderen Ländern Afrikas kritisierte, kann auch für Namibia gelten: Ihm zufolge »benutzt die Regierungspartei häufig die Demokratie, um ihre Vorherrschaft zu verewigen, statt Bürgerrechte, Freiheit und Demokratie zu fördern. Der Griff zu undemokratischen Mitteln wird oft damit gerechtfertigt, dass man durch das demokratische Mandat 'nationale' Ziele erreichen will.« (Salih 2000: 24, Ü. d. V.) Es gibt Anzeichen, dass damit auch die Einstellung der Menschen auf der Straße korrespondiert. In einer Untersuchung, die zur Jahrhundertwende vom Southern African Democracy Barometer in sechs afrikanischen Ländern durchgeführt wurde, rangierte Namibia an letzter Stelle, was das demokratische Bewusstsein der Öffentlichkeit betraf. In der Zusammenfassung der Studie wird mit Bezug auf Namibia und Nigetia festgestellt, dass in beiden Ländern die Konsolidierung der Demokratie nur eine ferne Aussicht sei (Bratton/Mattes 2001: 120). Eine von der südafrikanischen Helen-Suzman-Stifiung in sechs Staaten des südlichen Afrika durchgeführte Studie präsentierte Ende der neunziger Jahre ein weiteres ernüchterndes Ergebnis: Namibia sei das einzige Land, in dem eine Niederlage der eigenen Partei von einet großen Mehrheit nicht akzeptiert würde. Außerdem habe nicht viel mehr als ein Drittel der Befragten der Demokratie eine Zukunft gegeben (Johnson 1998). In einer vergleichenden Untetsuchung des Afrobarometer-Projektes, das seit 1999 jeweils drei Befragungen in 18 Ländern Afrikas durchführte, waren die Befragten in Namibia am ehrerbietigsten gegenüber ihren politischen Führern (Logan/ Fujiwara/Parish 2006: 16). Die 2005 durchgeführte Afrobarometer-Umfrage charakterisierte Namibia als »eine Demokratie ohne Demokraten« (Keulder/ Wiese 2005: 26). Loyalität zu Namibia wird in diesem Sinne gleichgesetzt mit Loyalität zur Politik der SWAPO. Abweichende Meinungen werden abgestraft, wie der im Dezember 2000 vom Kabinett verhängte Anzeigenboykott gegen die unabhängige Tageszeitung The Namibian und die Anordnung zu dessen Umsetzung im März 2001 belegt. Der Präsident verfügte im Mai 2001 darüber hinaus, daß der Bezug der Zeitung durch alle öffentlichen Einrichtungen eingestellt wird. Dieser Boykott wurde erst mehr als zehn Jahre später wieder rückgängig gemacht. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Namibia: Gesellschaftspolitische Erkundungen seit der Unabhängigkeit, von Henning Melber.

Titel: Namibia
Untertitel: Gesellschaftspolitische Erkundungen seit der Unabhängigkeit
Autor: Henning Melber
Verlag: Brandes & Apsel
Frankfurt, 2015
ISBN 9783955581091 / ISBN 978-3-9555810-9-1
Broschur, 16 x 24 cm, 216 Seiten

Melber, Henning im Namibiana-Buchangebot

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