In Treue fest, Südwest!, von Henning Melber

In Treue fest, Südwest! von Henning Melber. Eine ideologiekritische Dokumentation von der Eroberung Namibias über die deutsche Fremdherrschaft bis zur Kolonialapologie der Gegenwart. Edition Südliches Afrika 19, Verlag ISSA. Bonn, 1984. ISBN 3921614236 / ISBN 3-921614-23-6

In Treue fest, Südwest! von Henning Melber. Eine ideologiekritische Dokumentation von der Eroberung Namibias über die deutsche Fremdherrschaft bis zur Kolonialapologie der Gegenwart. Edition Südliches Afrika 19, Verlag ISSA. Bonn, 1984. ISBN 3921614236 / ISBN 3-921614-23-6

In Treue fest, Südwest!, von Henning Melber. »Wir, die Deutschen, müssen uns unserer Geschichte stellen«. Einleitende Bemerkungen.

Henning Melber  

»Der Europäer kam als Eroberer, aber auch in gewissem Sinn als Wohltäter. Jedenfalls beeinflußte er die Lebensweise der Neger in einem Maße, daß man sein Erscheinen in Afrika geradezu als schicksalhaft bezeichnen kann. Die tausendjährige Stagnation fiel dahin. Indem die Weißen Krankheiten bekämpften, Seuchen zum Verschwinden brachten, die Kindersterblichkeit herabsetzten, die hygienischen Verhältnisse verbesserten, um nur einiges zu nennen, dienten sie, wenn sie auch nur ihren eigenen Vorteil dabei im Auge hatten, dennoch den in ihrem Urzustand vegetierenden Stämmen, die nun auch allmählich aufhörten, sich wegen jeder Kleinigkeit in blutiger Fehde zu zerfleischen.« Versuchen Sie doch einmal, den etwaigen Zeitpunkt dieses Eingangszitats zu lokalisieren, ohne vorher den Quellennachweis in der Anmerkung zu lesen. Zur Orientierungshilfe: Geschrieben wurde dies irgendwann zwischen 1884 und 1984. Es lassen sich wohl nur wenige Themenfelder finden, in denen sich Mythen, Apologien und Verfälschungen, Geschichtsklitterung und ähnlich deformierte Betrachtungsweisen ebenso hartnäckig und ungebrochen zu behaupten wußten, wie im Bereich deutscher Kolonialapologie. Und dies, obwohl es hinreichend historisches Quellenmaterial gibt, das eine andere Sprache spricht. So notierte der damalige Kolonial-Staatssekretär Dr. Wilhelm Solf, gewiß frei des Verdachts zu den »Ratten und Schmeißfliegen« seiner Zeit zu gehören, anläßlich eines Besuchs in der Kaiserlichen Kolonie Deutsch-Südwestafrika im Jahre 1912 über die dortigen Verhältnisse:

»Den meisten Weißen, insbesondere den Farmern ist der Eingeborene ein Tier. Die Eingeborenen hassen die Weißen, und die Weißen verachten die Eingeborenen. Andere Beziehungen zwischen diesen beiden Polen scheinen nicht vorhanden. Freundlichkeit gilt als Schwäche, Schimpfen und Schlagen als natürliche Verkehrsform.«

Sicher kein einsamer Rufer in der Wüste, der diese Beobachtung niederschrieb. Dessen ungeachtet, vermag noch 60 Jahre später das eingangs gewählte Zitat Eingang in seriöse wissenschaftliche Kreise zu finden. Eine Ausnahme? Gewiß nicht. Weitere zehn Jahre später, um ein zweites Beispiel zu bemühen, ist in der veröffentlichten Habilitationsschrift eines als renommiert geltenden Zeitgeschichtlers, erschienen in einem als ebenso renommiert geltenden Verlag wissenschaftlicher Publikationen, noch immer dieselbe Tendenz herauszulesen, wenn die koloniale Bildungspolitik deutscher Missionsgesellschaften mit dem anerkennenden Fazit bedacht wird:

»Gleichzeitig setzte sie die schwarzen Völker jedoch in den Stand, den Anschluß an die Weltzivilisation selbständig zu finden.«

Fürwahr, dieser analytische Scharfsinn ist beeindruckend, und leider doch symptomatisch für unser verdrängtes koloniales Verhältnis. Wenn auch inzwischen die »Selbstlosigkeit« der zivilisatorischen Mission deutscher Kolonialpioniere zumeist doch infrage gestellt wird, so schneidet der deutsche Eroberer und die treue Frau an seiner Seite nach wie vor in der Aufarbeitung dieses Themas, soweit von Aufarbeitung überhaupt gesprochen werden kann, vergleichsweise nicht schlecht ab. Wer glaubt, daß anläßlich des hundertsten Jahrestages deutscher Kolonialherrschaft anno 1984 die zu diesem Anlaß verfaßten und veröffentlichten Werke einen anderen Tenor haben, der wird bei der Lektüre eines Besseren (bzw. Schlechtem) belehrt. Noch immer dominiert die Selbstgerechtigkeit, lassen sich die kolonialen Barbareien als notwendige zeitgeschichtliche Erscheinungsformen wenn schon nicht rechtfertigen, so doch erklären und billigen. In jedem Falle, so meinen diese Autoren, waren die Deutschen in ihrem 30jährigen kolonialen Treiben keinesfalls schlimmer als die übrigen Kolonialnationen. Es ist müßig, über die Haltbarkeit eines solchen Vergleichs weiter zu spekulieren. Schließlich: Wird denn die systematische Vernichtung von Millionen Menschen, geboren aus dem arischen oder irgend einem anderen Größenwahn etwa dadurch relativiert, daß es auf unserer Erde immer »Minderheiten« gegeben hat, denen es nicht viel besser erging und ergeht? Dies mag moralisch klingen, aber auch Moral sollte uns wichtig sein, selbst wenn sie nicht mehr »in« ist. [...]

Dies ist ein Auszug aus: In Treue fest, Südwest!, von Henning Melber.

Titel: In Treue fest, Südwest!
Untertitel: Eine ideologiekritische Dokumentation von der Eroberung Namibias über die deutsche Fremdherrschaft bis zur Kolonialapologie der Gegenwart
Herausgeber: Henning Melber
Reihe: Edition Südliches Afrika 19
Verlag: ISSA
Bonn, 1984
ISBN 3921614236 / ISBN 3-921614-23-6
Originalbroschur, 20 x 20 cm, 188 Seiten, zahlreiche sw-Abbildungen

Melber, Henning im Namibiana-Buchangebot

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