Die Stunde der Löwin, von Barbara Seelk

Die Stunde der Löwin, von Barbara Seelk. Verlag: Weltbild. Augsburg, 2013. ISBN 9783863651701 / ISBN 978-3-86365-170-1

Die Stunde der Löwin, von Barbara Seelk. Verlag: Weltbild. Augsburg, 2013. ISBN 9783863651701 / ISBN 978-3-86365-170-1

Frida, Constanze, Masha und Cloe, die Protagonistinnen in Barbara Seelks Südwestafrika-Roman 'Die Stunde der Löwin', von hat es tatsächlich nicht gegeben, wohl aber, sicherlaich tausendfach, ihre Schicksale. Mit diesem Roman möchte Barbara Seelk all den Frauen ein Denkmal setzen, die damals, zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, den Mut besaßen, Europa zu verlassen, um in einer deutschen Kolonie im Südwesten Afrikas sich, ihren Männern und ihren Kindern die Möglichkeit einer besseren Zukunft zu geben.

Barbara Seelk  

1. Kapitel: Frida 1913

Das Arbeiterdorf Rupplin, zum Herrschaftsbereich des Herrn von Zoitzheim gehörend, bestand aus einer rechten und linken Ansammlung niedriger Katen. Es war ein armes Dorf mit armen Menschen, die für ihr kärgliches Auskommen hart arbeiten mussten. Aus dem Fachwerk der meisten Häuser bröckelte der Lehm, die Strohdächer hatten Löcher und waren vom Kaminrauch dunkel gefärbt. Haustüren und Fenster hingen oft schief in ihren Angeln, und auf den Misthaufen hinter den Gebäuden tummelte sich das Federvieh, kreischend mageren Katzen ausweichend, die von noch magereren Hunden über die schmalen Gemüsebeete gejagt wurden, sowie sie sie bemerkten. Leise zog Frida die Türe ihres Elternhauses hinter sich zu. Sie war spät dran und beschleunigte daher ihren Schritt. Dem Vater war es in der Nacht wieder schlecht gegangen, und sie hatte der Mutter helfen müssen. Spärlich begann das beginnende Tageslicht, die verschlammte Dorfgasse zu erhellen. Frida durcheilte sie und lief auf den Wiesenrain zu. Es war eine Abkürzung zu einer Stelle, an der sie sich dann durch das angrenzende Buschwerk zwängen konnte, um auf die Ulmenallee zu kommen, die zum Gutshaus führte. Etwas sorgenvoll schaute sie nach oben. Die Baumblätter hatten bereits das Licht der frühen Morgenzeit aufgefangen. Bestimmt würde die Köchin schon auf das Wasser warten, das sie, die Innenmagd, aus dem Brunnen zu schöpfen hatte. Doch trotzdem blieb sie stehen, schaute um sich und lächelte versonnen. Jetzt, zu dieser Stunde, hielten sich die Dotterblumen noch geschlossen, aber ihre gelbe Farbe schimmerte bereits aus ihren Dolden heraus. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sich diese im Morgenlicht des Frühsommers mit den violetten Schleiern des Wiesenschaumkrauts und den dunkelgrünen, hoch aufgerichteten Farnhalmen zu einer Farbe vermischte. Für Frida war dies der schönste Moment des Tages. Und dann dieser Geruch von Gras und Kälberkraut - Beides, Anblick und Geruch, würde sie in ihren Arbeitstag mitnehmen, vielleicht auch Kaspar davon erzählen. Sie stolperte. Immer diese Träume, dachte sie und setzte hastig ihren Weg fort. Kurze Zeit später lag das Gutshaus der Herrschaft vor ihr. Noch eingehüllt in der Stille der frühen Stunde, leuchteten ihr die roten Backsteine wie auch die weiß getünchten Mauern der nach hinten angelegten Scheunen und Ställe in der jetzt aufgegangenen Sonne entgegen. Vier Fassaden mit jeweils zwei hohen Fenstern stützten ein mächtiges gewölbtes Hausdach. Das trutzige Mauerwerk wurde nur von der in Steinsimsen gerahmten Eichenholztüre unterbrochen. Frida wusste, dass der an ihr montierte schmiedeeiserne Klopfer schwer zu betätigen war und sein Widerhall dumpf und freudlos klang. Deswegen, oder vielleicht auch weil der zum Osten hin angelegte Eingang nach dem Weiterwandern der Morgensonne für den Rest des Tages im Schatten lag, empfand sie das Haus bedrückend, mehr noch, abweisend. Nur manchmal im Frühsommer, wenn sich die Fliederkronen hinter der Hecke wiegend gen Himmel ausstreckten und sich die leuchtenden Farben der Gartenblumen mit dem Licht des Himmels zusammentaten, empfand sie eine Harmonie, die so nichts mit der steifen Tradition des Hauses zu tun hatte, für diese sich das Geschlecht derer von Zoitzheim seit Generationen verantwortlich zeigte. Sie sprach mit niemandem über ihre Gedanken, auch nicht mit ihrer Mutter.  Als sie zum ersten Mal den Garten des Herrenhauses betreten durfte, hatte sie ungläubig seine Weite betrachtet. Großzügig war er zu drei Seiten hin angelegt. Rhododendron- und Fliedersträuche, Rosen und die verschiedenartigsten Büsche teilten oder fügten Plätze zusammen. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Roman Die Stunde der Löwin, von Barbara Seelk.

Titel: Die Stunde der Löwin
Autorin: Barbara Seelk
Genre: Namibia-Roman
Verlag: Weltbild
Augsburg, 2013
ISBN 9783863651701 / ISBN 978-3-86365-170-1
Originalbroschur, 12 x 18 cm, 415 Seiten

Seelk, Barbara im Namibiana-Buchangebot

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Der Familieneroman Die Stunde der Löwin ist in der Zeit von 1913 bis 1990 in Deutsch-Südwestafrika, dem späteren Namibia, angelegt.

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