Die Afrikawissenschaften in der DDR, von Ulrich van der Heyden

Die Afrikawissenschaften in der DDR: Eine akademische Disziplin zwischen Exotik und Exempel, von Ulrich van der Heyden. Die DDR und die Dritte Welt, Band 5. Lit Verlag. Münster, 1999. ISBN 3825843718 / ISBN 3-8258-4371-8

Die Afrikawissenschaften in der DDR: Eine akademische Disziplin zwischen Exotik und Exempel, von Ulrich van der Heyden. Die DDR und die Dritte Welt, Band 5. Lit Verlag. Münster, 1999. ISBN 3825843718 / ISBN 3-8258-4371-8

Das nachfolgende Geleitwort zu Ulrich van der Heydens Werk "Die Afrikawissenschaften in der DDR: Eine akademische Disziplin zwischen Exotik und Exempel" stammt von Prof. Franz Ansprenger.

Ulrich van der Heyden  

Als am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel, war ich in Namibia, um die ersten freien Wahlen dort zu studieren. Ich wußte, daß schon seit dem Frühjahr deutsche Beamte des Bundesgrenzschutzes und deutsche Volkspolizisten aus der DDR nebeneinander in der Polizeitruppe der Vereinten Nationen dort im alten Deutsch-Südwestafrika dienten, und man erzählte mir, daß sie sogar irgendwo im Norden (wo ich nie hinkam) gemeinsam Streife fuhren. Wie dem auch war, in vielen Gesprächen mit SWAPO-Aktivisten, die sich auf den Wahlsieg ihrer Befreiungsbewegung und die Übernahme der Regierung vorbereiteten, wurde mir bestätigt, was ich auch schon wußte und später in Südafrika beim ANC erneut zu hören bekam: daß für politisch engagierte Menschen im südlichen Afrika das Deutschland der Gegenwart nicht nur aus dem einen Staat bestand, dessen Hauptstadt Bonn war, und daß der zweite deutsche Staat - die DDR - ihre Hochachtung genoß, weil er ihnen im Kampf gegen die Herrschaft der weißen Minderheiten beigestanden hatte. So bildeten sich bei mir das Gefühl und die Meinung, es sollte doch möglich und künftiger afrikanisch-deutscher Zusammenarbeit dienlich sein, nicht nur auf dem einen Eckstein guter Erfahrungen von Afrikanern mit der Bundesrepublik Deutschland weiterzubauen, sondern auch anzuerkennen, daß es da im Erbe der DDR einen zweiten tragfähigen Eckstein gibt. Auf mein eigenes Tätigkeitsfeld in den Sozialwissenschaften angewandt, hieß das, einer Wiedervereinigung der deutschen Afrikawissenschaft das Wort zu reden. Das zu tun versuchte ich in einem 1991 veröffentlichten Aufsatz. Damals schrieb ich als Fazit:

Es gibt kein Schema, nach dem irgendwer Afrikawissenschaftler aufgrund früherer Taten in der alten DDR heute ehrlich und gerecht qualifizieren, übernehmen, abwickeln, in eine Warteschleife schicken könnte. In jedem Einzelfall wird die Berufungskommission (oder wer auch immer etwas zu entscheiden hat) sich ein Bild vom Charakter und Auftreten des Menschen heute, von seinem jetzt erkennbaren Zugriff auf wissenschaftliches Arbeiten machen müssen - ganz einfach genauso, wie sie das bei jedem Bewerber aus Stuttgart oder Cambridge oder Kapstadt auch tun müßte. Das wird mühsam sein, auch wenn die Zahl der verfügbaren Planstellen im "Beitrittsgebiet" dramatisch schrumpfen wird gegenüber der Ausstattung in der DDR, ganz unabhängig von jeder Evaluierung. Schön wäre es schon, in Zukunft mit Kollegen zusammenarbeiten zu können, die Afrika aus dem Blickwinkel der alten DDR kennengelernt haben. Sie bringen einiges mit, was nach meiner Überzeugung fast so wichtig werden könnte, wie die Null-Promille-Regelung für die künftige deutsche Verkehrspolitik.

Nun, wir haben die Null-Promille-Regelung nicht übernommen und die meisten Afrikawissenschaftler ebensowenig. Ausgleichende Gerechtigkeit wurde höchstens dadurch anvisiert, daß "wer auch immer etwas zu entscheiden hatte..." (letzten Endes die Finanzminister der Bundesländer) auch im Westen kräftig Planstellen strich, so daß zum Beispiel in Berlin die von mir bis zu meiner Entpflichtung 1992 geleitete Arbeitsstelle Politik Afrikas an der Freien Universität abgewickelt wurde. Immerhin findet jetzt Zusammenarbeit zwischen Afrikawissenschaftlern westdeutscher, ostdeutscher (und in diesem Falle Schweizer) Prägung an der Humboldt-Universität statt - wie ich höre, in angenehmem Betriebsklima. Entsprechendes gilt für die Universität Leipzig. Aber wieviele Wissenschaftler aus der alten DDR es unterm Strich geschafft haben, wissenschaftlich weiterarbeiten zu dürfen, das entzieht sich meiner Kenntnis. Einige aus der alten Generation - Walter Markov, Helmuth Stoecker -, die ich noch kennenlernen durfte, vor denen ich als Forschern und als politischen Menschen Respekt habe (letzteres, weil sie schon vor 1945 Kommunisten waren, als das lebensgefährlich war), sind verstorben. Andere, die auch in einer weiterbestehenden DDR inzwischen pensioniert wären, haben wohl Anlaß, über die Zumessung ihrer Rente durch die neue Staatsgewalt verbittert zu sein. Wieder andere, etwas jüngere, die nicht "übernommen" wurden, schweigen seit Jahren, und nun müßte man wieder jeden Einzelfall aufgreifen, um sich ein Urteil zu bilden, ob ihnen Fairneß, Bürokratismus -oder Unrecht widerfahren ist. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Die Afrikawissenschaften in der DDR: Eine akademische Disziplin zwischen Exotik und Exempel, von Ulrich van der Heyden.

Titel: Die Afrikawissenschaften in der DDR
Untertitel: Eine akademische Disziplin zwischen Exotik und Exempel. Eine Wissenschaftliche Untersuchung
Autor: Ulrich van der Heyden
Reihe: Die DDR und die Dritte Welt, Band 5
Lit Verlag
Münster, 1999
ISBN 3825843718 / ISBN 3-8258-4371-8
Broschur, 15 x 21 cm, 622 Seiten

van der Heyden, Ulrich im Namibiana-Buchangebot

Die Afrikawissenschaften in der DDR

Die Afrikawissenschaften in der DDR

Die Afrikawissenschaften in der DDR: Eine Studie über eine akademische Disziplin zwischen Exotik und Exempel.

Kolonialmetropole Berlin. Eine Spurensuche

Kolonialmetropole Berlin. Eine Spurensuche

Kolonialmetropole Berlin: Eine Spurensuche veranschaulicht wie stark die Geschichte der deutschen Hauptstadt zwischen 1884 und dem Zweiten Weltkrieg von Kolonialismus und Kolonialrevisionismus geprägt wurde.

German Publications on the Anglo-Boer War

German Publications on the Anglo-Boer War

German Publications on the Anglo-Boer War/ Deutsche Publikationen über den Anglo-Burenkrieg/ Duitse Publikasies oor die Anglo-Booreoorlog.

Auf Afrikas Spuren in Berlin. Die Mohrenstraße und andere koloniale Erblasten

Auf Afrikas Spuren in Berlin. Die Mohrenstraße und andere koloniale Erblasten

Afrikas Spuren und koloniale Erblasten in Berlin und in deutscher Literatur, Sprichwörtern und Begriffen.

Mit Kreuz und deutscher Flagge

Mit Kreuz und deutscher Flagge

Beiträge der historischen Konsultation am 31.Mai und 1.Juni 1991 in Berlin: Mit Kreuz und deutscher Flagge. 100 Jahre Evangelium im Süden Tanzanias. Zum Wirken der Berliner Mission in Ostfarika.

Völkermord in Deutsch-Südwestafrika

Völkermord in Deutsch-Südwestafrika

Die Beitragssammlung Völkermord in Deutsch-Südwestafrika stellt die Ansichten verschiedener Autoren zum Herero- und Namaaufstand in dar.

Mission und Gewalt

Mission und Gewalt

Missionen und Gewalt. Die Ausbreitung des Christentums in Afrika und Asien von 1792 bis 1919