Van-der-Merwe-Witze
Van-der-Merwe-Witze bilden, vermutlich seit Anfang der 1950er Jahre, einen eigenen Witztypus im Kulturgut Südafrikas.
In Südafrika sind van-der-Merwe-Witze seit Jahrzehnten, sowohl in den Afrikaans als auch Englisch sprechenden Bevölkerungsgruppen, im Umlauf und ebenso populär wie es beispielsweise in Deutschland die Ostfriesenwitze einmal waren. Als Typus ist der van-der-Merwe-Witz einerseits einem deutschen Gegenpart, dem "Meyer-Witz" (Meyer kommt zum Arzt und sagt "Herr Doktor... usw.") sehr ähnlich und hebt, analog zu dem häufigsten deutschen Nachnamen, mit dem häufigsten südafrikanischen Nachnamen, van der Merwe, auf einen beliebigen Jedermann ab. Andererseits lassen die van-der-Merwe-Witze über Schwarze keinen Zweifel daran, daß die Figur von weißer Hautfarbe und Afrikaaner ist. Höchstwahrscheinlich ist van der Merwe Afrikaans-Muttersprachler, der Englisch mit typisch südafrikanischem Akzent spricht. Die Skala seiner Charaktereigenschaften reichen von unterbelichtet-bauernschlau, ungebildet, naiv, unsensibel, rassistisch, sexistisch, gutmütig mit einer niedrigen Schwelle zum Jähzorn, handfest und trinkfreudig. Und doch ist Koos van der Merwe, "Koos" wird er übrigens in der afrikaansen Erzählweise stets genannt, kein Feindbild, mit dem etwa schwarze Bevölkerungsgruppen Südafrikas die Weißen stigmatisieren würden, keine Projektionsfläche, die zu verspottende Zielgruppen aufbrächte, nein, der rauhe, kernige Trottel van der Merwe ist ein durchaus verbindender Sympathieträger in Südafrika. Der südafrikanische Kabarettist Tolla van der Merwe, der Nachname ist zufällig und statistisch extrem wahrscheinlich, hatte zahlreiche dieser Witze in seinen überaus beliebten Programmen eingebaut. Gewißheit über die Akzeptanz der Witzfigur bringt die Vielfalt der Genres, in denen sie die Lacher als Opfer oder als Akteurin liefert: van der Merwe im Straßenverkehr, im Beruf und mit Vorgesetzten, als Farmer, mit Ehefrau Sannie und mit anderen Frauen, mit Bruder Piet, mit dem Nachbarn, Kollegen und Gegenspieler van Tondern, im Ausland, auf Reisen und, nicht zu vergessen, vor, beim und nach dem Sex. Dabei reicht die Palette des Zumutungsgrades für Zuhörer von zart bis hart, vom Schmunzeln über Tränenlachen bis zum Fremdschämen. Über den Ursprung der van-der-Merwe-Witze ist viel gesagt worden. Gewiß ist: Ein früher Beleg aus den 1930er Jahren ist das Gedicht "Muskietejag" von A. D. Keet, in welchem sich ein van der Merwe mit der nächtlichen Jagd auf einen schlafstörenden Moskito abplagt. Eindeutigeren Anteil an der Entstehung des van der Merwe-Kultes hatte der beliebte Sprecher des Rundfunksenders SABC, Fanus Rautenbach, der in den 1960er Jahren regelmäßig van-der-Merwe-Witze während seiner Morgensendung "Vlink uit die Vere" (Afrikaans: Flink aus den Federn) erzählte. Diese müssen daher schon in gewisser Anzahl existiert haben und sind vermutlich nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. In den 1970er Jahren legten die Südafrikaner Tony Koenderman, Jan Langen und André Viljoen, zusammen mit dem Illustratoren Darryl Lombard, eine sehr erfolgreiche Buchreihe mit gesammelten van-der-Merwe-Witzen an. In seiner Ausgabe 37/1977 widmete DER SPIEGEL der südafrikanischen Witzfigur einen Artikel und nutzte einen van-der-Merwe-Witz als Aufmacher zu einem Artikel über das veränderte südafrikanische Arbeitsrecht in der Ausgabe 27/1979. Weitere Beispiele der internationalen Bekanntheit der Figur ist ihre Präsenz in der Witz- und Humorforschung (Erlösendes Lachen: Das Komische in der menschlichen Erfahrung. Von Peter L. Berger, 1998) und in Ratgebern für Geschäftsleute (Das kleine Handbuch für den grenzenlosen Erfolg: 10 Strategien, um global erfolgreich zu arbeiten. Von Susan Bloch, Philip Whiteley, 2015). Ferner sind in zahlreichen Foren und Seiten des Internets van-der-Merwe-Witze zu finden, die, unverwüstlich, außerdem im Volks- und Kulturgut in der südafrikanischen Gesellschaft fortleben.
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