Die Rehobother Bastards und das Bastardierungsproblem beim Menschen, von Eugen Fischer

Die Rehobother Bastards und das Bastardierungsproblem beim Menschen, von Eugen Fischer.

Die Rehobother Bastards und das Bastardierungsproblem beim Menschen, von Eugen Fischer.

Professor Eugen Fischer verfaßte anthropologische und ethnographische Studien über die Rehobother Bastards in Deutsch-Südwest-Afrika.

Eugen Fischer  

Im Namen „Bastardvolk" liegt anthropologisch ein Programm. Ein Bastardvolk anthropologisch zu bearbeiten, ist bisher überhaupt noch nie unternommen worden, im Gegenteil, der anthropologische Forscher suchte möglichst unvermischte Stämme zu erreichen - Wedda, Australier, Zentralbrasilianische Indianer usw. - um „reine" Rassen kennen zu lernen. Nur ganz gelegentlich wurden Beobachtungen an Mischlingen mitgeteilt. Aber um so zahlreicher sind „Ansichten" über Rassenmischung beim Menschen, von Rassenmischung spricht der Anthropologe fast überall, auf Rassenmischung führt er Tausende von Erscheinungen in der Anthropologie heutiger menschlicher Gruppen zurück. Das Problem der Rassenmischung begegnet uns also in der Anthropologie fast auf Schritt und Tritt, unsere wirklichen Kenntnisse aber über die gesetzmäßigen Vorgänge bei Rassenmischung sind - das darf man ruhig sagen - beinahe Null! So liegt wirklich ein Programm im Namen „Bastardvolk" - und die hier gebotene Anthropologie des Rehobother Bastardvolkes will versuchen, diesem Programm gerecht zu werden - zu einer wirklichen Lösung der Frage der Rassenmischungen einen kleinen Beitrag leisten - wir werden noch sehr viele Einzelarbeit gebrauchen, bis wir auch nur die Hauptlinien dieser Vorgänge übersehen!

Und wie lohnend wird dann später einmal derartiges Wissen sein! Wie außerordentlich wichtig wäre heute schon die Kenntnis der Vorgänge bei Rassenkreuzungen. Die ganzen schier unermeßlichen Fragen, die mit dem Worte: „Rassen und Völker" aufgerollt werden, das große Problem, ob und wie die Mischung rasseverschiedener Völker eine neue Rasse, eine Mischrasse hervorbringt, ob eine solche sich erhält, ob und wie sie sich verändert, ob die „alte" Rasse wieder durchschlägt, sich „entmischt", ob und wie eine neue Umwelt auf eine ausgewanderte Rasse wirkt, Rassenentstehung und Rassentod - all diese verwickelten Fragen führen letzten Endes zu der Aufgabe, die Erscheinungen, Regeln und Gesetze genau zu kennen, die bei der Kreuzung zweier Rassen auftreten, die also die Nachkommenschaft verschiedenartiger Eltern beherrschen und in all ihren Eigenschaften bestimmen.

Wo es dem Botaniker und Zoologen leicht ist, im Experiment generationslange, bestimmte und gewünschte Kreuzung zu setzen, wo jene mit vielen Tausenden von beobachteten und genealogisch genau bestimmten Tieren und Millionen solcher Pflanzen experimentieren - da muß der Anthropologe mühsam beobachten, wo die Natur und des Menschen unberechenbare Laune ihm freiwillig ein Experiment vormachen! Da muß er dann allerdings zugreifen und arbeiten - es ist heute, da wir naturwissenschaftlich mitten in einer Hochflut von vererbungstheoretischen Arbeiten und experimentellen Bastardierungsversuchen stehen, fast unbegreiflich, daß wir über den Menschen fast nichts derartiges wissen! Da muß schleunigste Arbeit einsetzen - und ihre Methode muß die Familienanthropologie sein.

Hier liegt ganz sicher eine (wenn nicht „die") Zukunft wenigstens des Rasseteiles der Anthropologie. Nicht Massenuntersuchungen, nicht „Typen", Mittelwerte und Variationsbreiten bringen uns mehr weiter - da ist genug erarbeitet worden als Basis - wenn auch derartige solide Materialschaffung weitergehen muß - nein, die Einzel-„Linien", die Familienstämme müssen jetzt die Einheiten sein; nur ihr Studium kann uns ererbte von erworbenen Merkmalen unterscheiden, kann uns Wert, Bedeutung, Veränderlichkeit oder Konstanz der sogenannten Rassemerkmale erkennen lehren. Und wie der botanische und zoologische Experimentator formverschiedene Eltern benützt, um deutlicher zu sehen, was von Vater, was von Mutter weitergegeben wird, so werden auch wir da am meisten lernen, wo auch beim Menschen jene Erscheinung zutrifft, bei der Rassekreuzung.

Tausendfältig entstanden vor unseren Augen menschliche Bastarde, man hat nirgends und nie statistisch und einwandfrei die Ergebnisse aufgezeichnet. Das größte Rassekreuzungsexperiment am Menschen - Weißer und Neger in Amerika - ist wissenschaftlich ungenutzt abgelaufen, unwiederbringlich sogar, denn kein Mensch wird je die Aszendenz der heutigen „Farbigen" in Amerika angeben können. Tausendfältig gehen aber auch heute noch Rassekreuzungen vor uns ihren Gang, es gilt, sie zu fassen! Sicher einer der für die Forschung günstigsten Fälle von Kreuzung stark differenter Rassen im Großen, gelang es mir zu beobachten, seine Darstellung ist der Zweck der folgenden Blätter.

Der große Herero- und Hottentottenkrieg 1904-1907 haben weite Kreise unseres Volkes wie mit den Verhältnissen unseres Deutsch-Südwestafrika überhaupt, so mit seiner eingeborenen Bevölkerung, darunter mit der „Nation der Bastards" bekannt gemacht. In Werken, die irgendwie anthropologische Verhältnisse Südafrikas behandeln, wurden die Bastards mit ein paar Worten abgetan, eine wissenschaftlich wenig interessierende Mischbevölkerung. Jetzt wurden sie uns politisch und wirtschaftlich von Interesse - man sprach und schrieb von ihnen. In diesem Zusammenhang lernte Verfasser sie, zuerst aus der kleinen Schrift: Bayer, „Die Nation der Bastards" kennen - jetzt in der Zeit des allgemeinen Interesses der „Mendelschen Regeln" bei der Bastardierung lag der Gedanke nahe, einmal von der alten Gewohnheit der Anthropologie reiner Rassen abzugehen und den Vorgang der Bastardierung zu studieren - ob der Gedanke fruchtbar und seine Ausführung lohnend war, sollen folgende Kapitel beurteilen lassen.

Gerade diese Bastardnation zu untersuchen, ermutigte die dankenswerten Auskünfte, die Verfasser von Herrn Major Bayer, Herrn Hauptmann Bartenstein, Herrn Prof.Leonhard Schultze, Herrn Missionsinspektor Spicker u.A. erhielt und wofür er allen diesen Herren verbindlichst dankt. Der Plan fand dank der gütigen und mich zu lebhaftestem Danke verpflichtenden Befürwortung des Herrn Geheimrat Prof. Waldeyer die Billigung der Königl. preuß. Akademie der Wissenschaft, die mir durch Zuwendung einer entsprechenden Summe aus der Humboldt-Stiftung die Reise ermöglichte. Ich möchte auch an dieser Stelle dem Kuratorium der Humboldt-Stiftung und der Königl. Akademie meinen tiefgefühltesten und aufrichtigsten Dank aussprechen. Ebenso sage ich der deutschen anthropologischen Gesellschaft und ihrem damaligen Vorstande, den Herren Geheimrat Ranke, Prof. Andree, Hofrat Schliz und Geheimrat Waldeyer ergebensten Dank für eine Unterstützung, die sie mir aus dem Miesschen Legat für meine Reise zukommen ließen.

Wenn bei der Bearbeitung des Bastardvolkes einige Resultate zutage traten, neben anthropologischen auch folkloristische, wenn sich vielleicht auch einige Winke und Folgerungen praktischer, wirtschaftlicher und politischer Art ergaben - gerade heute so wichtig, wo die Frage der Mischehen die gesetzgebenden Instanzen noch lange beschäftigen wird - so möchte Verf. alle diese als Dank den genannten deutschen gelehrten Gesellschaften darbringen, besonders erfreut, daß er die Früchte auf deutschkolonialem Boden pflücken und so nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der großen deutschen Heimat Nutzen stiften durfte. Die Aufgabe, die sich bot, war demnach die, das sogenannte Bastardvolk zu studieren, also festzustellen, wie in den aus Buren-Hottentotten-Kreuzungen entstandenen Mischlingen die Rassenmerkmale beider Elternrassen sich verhielten.

Dabei mußte es vor allem darauf ankommen, die Stammbäume bzw. Ahnentafeln der einzelnen untersuchten Bastardindividuen festzustellen, um Verhältnisse zu haben, die denen des Tier- und Pflanzenexperimentators möglichst gleichkamen. Die Aufgabe wurde, soweit es möglich war, in viermonatlicher Arbeit im Bastardland im Sommer und Herbst 1908 gelöst - eine Reihe von Umständen haben leider die Verarbeitung und Veröffentlichung der Ergebnisse so lange verzögert - die inzwischen vermehrten Ergebnisse der Bastardierungslehre auf botanischem und zoologischem Gebiete haben diese Verzögerung zu einer nicht nutzlosen gemacht - so seien die Ergebnisse endlich in folgendem vorgelegt. […]

Dies ist ein Auszug aus der Einleitung von Die Rehobother Bastards und das Bastardierungsproblem beim Menschen, von Eugen Fischer.

Buchtitel: Die Rehobother Bastards und das Bastardierungsproblem beim Menschen
Untertitel: Anthropologische und ethnographische Studien am Rehobother Bastardvolk in Deutsch-Südwest-Afrika
Autor: Eugen Fischer
Verlag: Akademische Druck- und Verlags-Anstalt
Graz, Österreich 1961
Original-Leinenband, 18x25 cm, 323 Seiten, 19 Tafeln, 23 Stammbäume 36 Abbildungen, viele Tabellen

Fischer, Eugen im Namibiana-Buchangebot

Die Rehobother Bastards und das Bastardierungsproblem beim Menschen

Die Rehobother Bastards und das Bastardierungsproblem beim Menschen

Dies ist der 1961 in Graz erschienene Nachdruck von Die Rehobother Bastards und das Bastardierungsproblem beim Menschen, von Eugen Fischer.

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