Hans-Joachim Rust
Dr. phil. Christian Hans-Joachim Rust (1900-1987) war ein deutscher Geowissenschaftler in Südwestafrika.
Hans-Joachim Rust wurde am 24.11.1900 in Berlin-Friedenau als Sohn des preussischen Offiziers Hermann Rust geboren. Er wuchs an den Stationierungsorten des Vaters, Metz und Mörchingen, in Elsaß-Lothringen auf und besuchte dort die Schule. Eine weitere Versetzung führte die Familie nach Hannover, wo Hans-Joachim Rust bei Beginn des Ersten Weltkrieges als 17jähriger Freiwillinger in ein Hannoversches Infanterieregiment eintrat. Nach Kriegsende und der Entlassung des Fahnenjunkers aus dem Heeresdienst im Jahre 1919 bereitete er sich in einem Sonderkursus für Kriegsteilnehmer auf das Abitur vor. Bald nach dem bestandenen Examen ließ er sich an der Philosophischen Fakultät der Universität Göttingen immatrikulieren (Geschichte, Germanistik, Literatur). Persönliche und finanzielle Gründe zwangen Hans-Joachim Rust jedoch wenig später zur Aufnahme praktischer Arbeit im Bergbau. Von 1920 bis 1921 förderte er als Kumpel westfälische Steinkohle und Siegerländer Erz. Anschließend wandte er sich dem Bergbaustudium an den Technischen Hochschulen Berlin-Charlottenburg und Hannover zu, das er teilweise als Werkstudent durch Fabik- und Landarbeit finanzierte. Ab 1924 trat er wieder in das Berufsleben ein, zunächst als Hilfssteiger im Braunkohlentiefbau in Finkenheerd bei Frankfurt a. d. Oder, später als Zweiter Schriftleiter der Monatsschrift „Deutscher Wille" in Berlin, zu der auch ein Buchverlag gehörte. Anfang 1927 führte ihn seine journalistische Tätigkeit nach Südtirol, wo Hans-Joachim Rust sich besonders mit den Problemen des Deutschtums beschäftigte, die in einer Broschüre des Verlags dargestellt und analysiert wurden. Seit 1919 war Hans-Joachim Rust aktives Mitglied der deutschen Jugendbewegung. Er gehörte dem Nibelungenbund an und unternahm mit seinen Kameraden ausgedehnte Fahrten nach Südtirol und Italien (1921), Österreich und Ungarn (1922), durch den Balkan nach Konstantinopel (1923), wo er den Einmarsch Kemal Atatürks erlebte, und nach Schweden (1926). Von 1927 an setzte er sein Studium an den Universitäten Berlin und Marburg in den Fächern Volkswirtschaft, Geographie und Geologie unter den Professoren Troeltsch, Jaeger, Schultze-Jena, Wedekind und Mannhardt fort. Während der Ferien unternahm er Wanderungen nach Frankreich und Spanien. In den Jahren 1926/1927 erwachte auch sein Interesse für Südafrika. Er plante damals eine Dissertation über das Thema der Industrialisierung der Südafrikanischen Union und die damit verbundene wachsende Selbständigkeit gegenüber dem Empire. Die Zeitverhältnisse machten ihm jedoch eine Reise nach Südafrika unmöglich, daher promovierte er 1929 über genossenschaftliche Schlachtviehverwertung. Die Beschäftigung mit dem Thema Südafrika hatte Hans-Joachim Rust mit Prof. Dr. Erich Obst, dem damaligen Ordinarius für Geographie an der Technischen Hochschule Hannover, in engere Verbindung gebracht. Daraus ergab sich nach Dr. Rusts Promotion eine Tätigkeit als Privatassistent bei Prof. Obst, die sich u.a. auf Redaktionshilfe bei der Neuauflage von Supans Physikalische Erdkunde und Mitherausgabe von Kjellen/Haushofers Die Großmächte vor und nach dem Weltkrieg erstreckte. Außerdem wurde Dr. Rust Mitarbeiter der im Kurt Vowinckel-Verlag, Berlin-Grunewald, erscheinenden Zeitschrift für Geopolitik und übernahm dort später als Schriftleiter das Referat Afrika. Diese Aufgabe führte ihn in den geopolitischen Kreis um Prof. Karl Haushofer in München. Ende 1931 machten Verlagseinschränkungen die Einsparung seines Schriftleiterpostens notwendig. Eine Einladung und Geldspende von verwandten Rust, Farmer auf Ondekaremba, ermöglichten ihm in den Jahren 1932/1933 eine Reise nach Südwestafrika. Zu Pferde und auf Fahrten mit Ochsenwagen und Mulikarre lernte er einen großen Teil des Landes kennen und erhielt interessante Einblicke in die wirtschaftlichen, geographischen und politischen Probleme der Region. Zeitweise arbeitete Hans-Joachim Rust auf einer Karakulfarm. Als Prof. Obst zu einer Studienreise nach Südwestafrika kam, um das Escarpment-Problem und die Situation der deutschen Volksgruppe zu untersuchen, wurde Dr. Rust als Assistent sein Reisebegleiter. Später beteiligte er sich als Obsts Privatassistent in Deutschland an den Vorbereitungen zu einer Etoscha-Ngami-Expedition zur Untersuchung des Kalahariprojektes von Prof. Schwarz, bekannt als Thirstland Redemption. Nach umfangreichen Vorarbeiten lehnte die deutsche Regierung die Durchführung der geplanten Expedition jedoch aus politschen Gründen ab. Dr. Rust nahm 1934 das Angebot einer planmässigen Assistentenstelle am Staatswissenschaftlichen Seminar der Universität Marburg an. 1936 übernahm er die Stelle eines Geschäftsführers der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung an der gleichen Universität und wurde zudem Mitglied der Landesplanungsgemeinschaft Hessen/Kassel. Ein Forschungsantrag zu einer kolonialwirtschaftlichen Untersuchung in Ostafrika (Einsatz eingeborener Arbeitskräfte für eine koloniale Ergänzungswirtschaft) wurde vom Reichsforschungsrat genehmigt. Inzwischen war Dr. Rust im Jahre 1939 Sachbearbeiter bei der Landesplanungsgemeinschaft Mecklenburg in Schwerin geworden und arbeitete an seiner kolonialwissenschaftlichen Habilitationsschrift. Dr. Rust wurde als „Kolonialplaner" vorgesehen, aber vor Antritt dieses Amtes brach der Zweite Weltkrieg aus und beendete alle beruflichen Pläne. Dr. Hans-Joachim Rust diente als Reserveoffizier in Holland, als Kompaniechef im Afrikakorps in Nordafrika und im Sonderstab der Luftwaffe in Italien. Nach dem Krieg war er zunächst arbeitslos, dann Kleinsiedler, Bauarbeiter und Arbeiter bei der German Labour Organization (GLO). Auf Anraten des Arbeitsamtes Munsterlager in der Lüneburger Heide wanderte er 1951 mit seiner Frau und 5 Kindern zwischen 4 und 10 Jahren nach Südwestafrika aus. Dort ließ er sich in Windhoek nieder, wo er zunächst im Karakulfellhandel für das Londoner Auktionshaus AKA tätig war. Später trat er als Temporary Officer in den Dienst der Verwaltung bei der Abteilung Wasserwesen der SWA Administration, wo er unter Dr. Otto Wipplinger und Heinz Walter Stengel tätig war. 1957 legte er eine Neubearbeitung von Meinerts SWA Handels- und Farmadressbuch vor und entwarf als Stipendiat von Dr. Erich Lübbert eine Bevölkerungskarte des Landes (Europäer und Nicht-Europäer in SWA), die nach ihrer Publikation den Vereinten Nationen und dem Internationalen Gerichtshof vorlag. Außerdem verfaßte er 26 Jahre lang interne monatliche Wirtschaftsberichte für die Commerzbank. 1959 wurde Hans-Joachim Rust Sekretär der S.W.A. Wissenschaftlichen Gesellschaft, der er sich intensiv widmete. In seiner wissenschaftlichen Arbeit und beim Aufbau des Sekretariats wurde er von Dr. Erich Lübbert, nach dessen Tode 1963 durch seine Familie, großzügig gefördert. Für seine Verdienste auf kulturellem Gebiet, vor allem im Rahmen der SWA Wissenschaftlichen Gesellschaft, überreichte ihm Konsul Lewalter im Namen des Bundespräsidenten am 21. Februar 1969 das Bundesverdienstkreuz. Nach seinem Rücktritt vom Amt des Sekretärs im Jahre 1978 wählte die Jahreshauptversammlung der Wissenschaftlichen Gesellschaft ihn 1981 zum Ehrensenator. Hans-Joachim Rust starb nach langer Krankheit am 10.08.1987 und hinterließ neben seiner Ehefrau Friedeburg, geborene Herrs, mit der er seit dem 13.07.1940 verheiratet war, die gemeinsamen fünf Kinder, die später in der Schweiz, in Deutschland und in Südafrika lebten. Seine Asche wurde, seinem Wunsch entsprechend, auf der Farm Ondekaremba verstreut. Im Lauf seines Lebens hatte Dr. Hans-Joachim Rust zahlreichen Wissenschaftlern aus aller Welt Wege in Südwestafrika geebnet und zu vielen freundschaftlichen Umgang gepflegt, darunter zu Prof. Dr. Helga Besler und Dr. Kuno Budack, der die Fakten und den Text dieser Kurzbiographie erarbeitete.
Autor: Ulrich Ender
Literaturauszüge:
Rust, Hans-Joachim im Namibiana-Buchangebot
Südwestafrika (Schwarz-Bildbücher)
Aus der Reihe der kleinen Schwarz-Bildbücher der 1960er Jahre, ist dies Südwestafrika, dargestellt in schönen sw-Fotos.
Wissenschaftliche Forschung in Südwestafrika
Die Festschrift 'Wissenschaftliche Forschung in Südwestafrika' wurde 1962 von der S.W.A. Wissenschaftlichen Gesellschaft herausgegeben.
Festschrift Dr. h.c. Heinrich Vedder. Ein Leben für Südwestafrika
Ehrung Dr. Vedders für seine Lebenswerk in Südwestafrika durch zahlreiche hochinteressante Beiträge
Briefe aus Südwestafrika
Briefe des Leutnants August Remmets, Erlebnisberichte und Gedanken aus der Kalahari, im Einsatz beim Bahnbau und zum Diamantenfund