Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste, von Henno Martin

Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste, von Henno Martin. ISBN 9783935453028 / ISBN 978-3-935453-02-8

Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste, von Henno Martin. ISBN 9783935453028 / ISBN 978-3-935453-02-8

Henno Martins unvergesslicher Klassiker der Südwestafrika-Literatur und eine wahre Geschichte: Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste.

Henno Martin  

Hunger

Der strahlende Morgen änderte nichts daran, daß wir jämmerlichen Hunger hatten. Der Klippspringer war längst verzehrt; von den mitgebrachten Vorräten durften wir uns nur winzige Rationen zubilligen. Wir genehmigten uns für das Frühstück einen halben Becher Mehl, das wir der Ausgiebigkeit wegen zu Mehlsuppe verarbeiteten, und je einen Kaffeelöffel Zucker und einen Kaffeelöffel Marmelade. Wenn wir der Wüste nichts abzuringen vermochten, mußte das bis zum Abend reichen. Kein Wunder, daß wir es bei der an sich geplanten Tagesarbeit nicht lange aushielten. Nachdem wir eine Stunde lang Steine geschleppt hatten, mit denen wir zwischen 'Küche' und 'Wohnzimmer' eine Schutzwand gegen den kalten Südwind errichten wollten, gaben wir unter dem eindringlichen Protest unserer hungrigen Mägen auf. Von der Felskante über unserer Höhle aus hielten wir Ausschau nach jagdbarem Wild. Wir verfolgten mit unseren Gläsern die Wechsel, die in den Canyon hinabführten, musterten die weiten Kalkflächen und spähten in die Ferne. Wir sahen nichts. Sehr aufmerksam beobachteten wir eine ganze Weile ein paar dunkle Punkte. Aber sie änderten weder Ort noch Form. Als wir fünf Minuten später die Gläser noch einmal auf die Stelle richteten, war die Gruppierung noch immer dieselbe. Also handelte es sich um Büsche. Nach Norden und Nordosten lag ein trostloses Gewirr unübersichtlicher Schluchten, nach Süden zu vermochten wir einen Teil des Canyons zu überblicken. Weit dahinter leuchtete eine gelbliche Fläche. Wir beobachteten sie lange. Dort mußte Gras wachsen. Und wo in der Wüste Gras wuchs, da gab es auch Wild. Aber selbst wenn dem so wäre, wie sollten wir eine etwaige Jagdbeute durch die steilen Wände des Hauptcanyons hierher schaffen? Das erschien nahezu unmöglich. Noch einmal streiften wir das Gelände ab, dann gaben wir auf. Auf gut Glück in die Gegend zu rennen, erschien selbst Hermanns selten erlahmendem Optimismus sinnlos. Die Wüste erschien uns plötzlich unheimlich fremd. Und doch hatten wir uns oft und lange in der Namib aufgehalten und hatten geglaubt, einiges von der Wüste und ihren Lebensbedingungen zu wissen. Aber eine Forschungsfahrt mit wohlgefüllten Proviantkisten und ein dauerndes Leben in der Wüste waren doch wohl zwei sehr verschiedene Dinge. Gegen den bohrenden Hunger halfen solche theoretischen Erkenntnisse nichts. Hermann zog die Konsequenz: er beschäftigte sich für den Rest des Vormittags mit dem Anfertigen von Angelhaken aus Stahldraht. Ich selbst machte mich daran, aus einem leeren Benzinkanister ein zehn Liter fassendes Traggefäß für Wasser herzustellen, mußten wir doch jeden zweiten Tag in den Canyon hinunter, um Wasser zu holen. Danach begaben wir uns, mit zwei Leinen und ein paar scharfen Haken ausgerüstet, zu einem großen Kolk. Als Köder hatten wir ein paar Fleischbrocken, eigens zu diesem Zweck aufgehoben, einige aufgeweichte Makkaroni und ein paar dicke Fliegen mitgenommen. Wir waren uns nicht klar darüber, was die Karpfen bevorzugen würden, glaubten aber, daß Wüstenkarpfen kaum sehr wählerisch sein konnten. Es dauerte gar nicht lange, bis Hermanns Angelleine sich bewegte. Unsere Augen funkelten vor Spannung, als er die Leine anzog. Heraus zog er einen Frosch. Ich hatte nie viel vom Angeln gehalten, seit mir ein Feldhüter einmal, ich war damals noch ein kleiner Junge, mit einer großen Strafpredigt mein Angelgerät abgenommen hatte. Nun, ich versuchte es trotzdem und zog nach einiger Zeit ebenfalls einen Frosch aus dem Wasser. Dabei befanden sich ohne Zweifel Karpfen in dem Tümpel; wir sahen dann und wann ihre schwebenden Schatten in dem dunklen Wasser. Wir versuchten es nun mit Stücken der mageren Froschbeine als Köder und fingen abermals Frösche. Schließlich war unser Vorrat an Kraftausdrücken und auch unsere Geduld erschöpft. Wir überließen die Angelgeräte sich selbst und begannen canyonabwärts nach Klippspringern zu suchen. Wir bekamen nicht einen einzigen zu sehen und trafen auch auf keine frische Rinderfährte. Als wir zum Kolk zurückkamen, hatten die Frösche die Köder von den Haken gezupft. So brachten wir bei Sonnenuntergang nur den Wasservorrat für die nächsten anderthalb Tage und einen gefährlich gewachsenen Hunger nach Hause. (...)

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste, von Henno Martin.

Buchtitel. Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste
Autor: Henno Martin
Verlag: Two Books
Hamburg, 2002
ISBN 9783935453028 / ISBN 978-3-935453-02-8
Broschur, 12x19 cm, 400 Seiten, 14 sw-Fotos, 2 Karten

Martin, Henno im Namibiana-Buchangebot

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