Tscha-Tscha, der erste Mensch. Mythen und Erzählungen der Buschmänner, von Jan Jakobus van der Post
Jan Jakobus van der Post hatte viele Jahre mit Buschleuten zugebracht und ihre Sprache erlernt. In seinem Jugendbuch Tscha-Tscha, der erste Mensch gibt er die Mythen und Erzählungen der Buschmänner wieder.
Buschmänner sind die ältesten Jäger der Welt. Woher sie kamen, weiß niemand, aber mit ziemlicher Sicherheit läßt sich sagen, daß diese kleingewachsenen Leute, deren Hautfarbe von hellem Gelb bis ins Goldbraun reicht, die ältesten Bewohner Afrikas sind. In Südafrika gab es Buschmänner bereits zu einer Zeit, als dort noch Elche, Bisons und Bären anzutreffen waren. Diese Urjäger haben bis heute niemals Tiere gezüchtet oder Felder bestellt. Sie gingen immer nur mit Pfeil und Bogen und Steinmesser um. Jeder von ihnen besitzt nur so viel (oder so wenig), wie er selber tragen kann. Buschmänner kennen weder Lasttiere noch Karren. Sie erlegen ihre Jagdbeute mit vergifteten Pfeilen, und auf Gifte verstehen sie sich wie niemand sonst. Jan van der Post erzählt im Märchen vom Pfad des Mondes, wie der Mond den ersten Buschmann lehrt, sich Pfeile und Bogen und Pfeilgift zu beschaffen: Nach vielen Tagen, als Tscha-Tscha, der erste Buschmann, schon sehr hungrig war, stieg eines Abends der Mond am Himmel empor und schaute mit seinem gelben Auge auf ihn herab. Als Tscha-Tscha ihn erblickte, warf er sich zu Boden und sprach zu ihm: „Mond, warum hast du mich an diesen Ort kommen lassen, wo ich vor Hunger sterbe?" Da zeigte ihm der Mond noch in derselben Nacht, wie man Pfeile macht, denn er hatte erkannt, daß Tscha-Tscha am Ende seiner Kräfte war. Er sprach zu ihm: „Tji! Achte in dieser Nacht genau auf meinen Weg! Dann sollst du einen Ast von einem Dornbusch mit einer Sehne so spannen, wie meine Bahn am Himmel entlangführt. Dadurch wird die Sehne gestreckt wie der Erdboden, und der Ast wird gebogen wie mein Weg. Morgen, wenn das Große Feuer am Himmel steht, suchst du dir dann eine Wurzel vom Gannabusch. Daraus wirst du Gift bekommen, und das mußt du in die Spitzen deiner Pfeile reiben. Ich werde dich zu diesem Busch führen, denn er ist ein Wesen, das still steht. Ich sehe, du bist schon zu schwach, um Ntjob, die Schlange, einzuholen." Mit Pfeilen und Bogen sind Buschmannjäger immer unterwegs. Nicht einmal Messer führen sie mit sich. Ist ein Jagdtier mit einem Giftpfeil erlegt, sucht der Buschmann geeignete Steine, schlägt sie aneinander, bis eine scharfe Klinge abspringt, bricht mit ihr das tote Tier auf und wirft das Steinmesser weg, wenn er es nicht mehr braucht. Für Steine und Spuren hat der Buschmann einen sicheren Blick, und Wasserstellen wittert er auf unglaublich weite Entfernungen. Mit einem Saugrohr beschafft er sich Wasser zuweilen an Plätzen, an denen ein weißer Mann nur Sand vermuten würde. Dann wird getrunken. Die leeren Straußeneier, die als Wasserbehälter dienen, werden gefüllt, und weiter geht der Streifzug durch den Busch und die Wüste. In einer der Geschichten wird von einer hellhäutigen Frau erzählt, die zum Großen Jäger eines Stammes wird und sogar Bilder an Felsen malt. Das ist ungewöhnlich, denn Jagen und Malen sind dem Mann vorbehalten, während die Frauen Zwiebeln und Tschammafrüchte sammeln, Grassamen und Wurzelknollen, Termiteneier und den Honig wilder Bienen. Kein Weißer könnte in den Jagdrevieren der Buschmänner überleben. Ihnen aber kann weder der glühende Sand noch der erbarmungslose Atem der Wüste etwas anhaben. Sie finden es gut, daß es nur wenige Wasserstellen gibt, denn zu diesen wenigen Stellen müssen die Tiere kommen. Buschmänner sind scharfsichtige Beobachter, und da sie die Gewohnheiten aller Tiere genau kennen, ist es ihnen möglich, sie zu überlisten. Überdies sind sie fähig, Fühlung mit der Beute aufzunehmen, wenn sie noch eine beträchtliche Strecke entfernt ist. [...]
Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Tscha-Tscha, der erste Mensch. Mythen und Erzählungen der Buschmänner, von Jan Jakobus van der Post.
Titel: Tscha-Tscha, der erste Mensch
Untertitel: Mythen und Erzählungen der Buschmänner
Autor: Jan Jakobus van der Post
Übersetzung: Georg Dühlmeier
Verlag: Thienemann
Stuttgart, 1973
ISBN 3522119703 / ISBN 3-522-11970-3
Original-Kartoneinband, 15x22 cm, 165 Seiten, durchgängig Abbildungen
van der Post, Jan Jakobus im Namibiana-Buchangebot
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