Südwestafrika in der deutschen Zeit, von Oskar Hintrager
Die Geschichte der ehemaligen deutschen Südwestafrika in der Zeit von 1884 bis 1915 beschreibt der Vertreter dreier Gouverneure in seinem 1955 erschienen Alterswerk, Südwestafrika in der deutschen Zeit.
Gouverneur von Lindequist (1905-1907)
Am 19. November 1905 erlebten die Bewohner von Lüderitzbucht einen denkwürdigen Tag. General von Trotha verließ das Schutzgebiet. Der neue Gouverneur, Dr. Friedrich von Lindequist, landete. Auf der Landungsbrücke waren etwa hundert Einwohner des Hafenorts versammelt, der damals nur wenige Häuser aufwies. Eine Ehrenkompanie der Schutztruppe und die Beamten waren angetreten. Nachdem General von Trotha die Front der Truppe abgeschritten hatte, gab er in einer Abschiedsrede einen Rückblick auf seine Erlebnisse im Lande. Acht Wochen nach seiner Ankunft hatte er am Waterberg die Widerstandskraft der Hereros gebrochen. Vor drei Wochen war der gefährlichste Hottentottenführer Hendrik Witbooi in einem Gefecht tödlich verwundet worden, und sein Stamm hatte sich ergeben. Trotz dieser Erfolge war General von Trotha sichtlich traurig. Sein einziger Sohn war von einem Hottentotten erschossen worden, bald darauf seine Frau in Deutschland gestorben. Mit tiefbewegter Stimme sagte der General: „Ich habe in diesem Lande alles verloren, was mir im Leben lieb war." Unter schwierigen Umständen übernahm der erste Zivilgouverneur von Lindequist die Regierung des Landes. Zwar kannte er Land und Leute in Südwestafrika aus einer fünfjährigen Amtstätigkeit (1894-1899) unter Gouverneur Leutwein. Er kannte auch Südafrika; von 1900 bis 1903 war er deutscher Generalkonsul in Kapstadt gewesen. Aber die jetzt gestellten Aufgaben waren außergewöhnlich und schwierig. Noch war Krieg, und die rechtlichen Befugnisse des Gouverneurs waren daher eingeschränkt. Noch machten hungrige Banden aufständischer Eingeborener das Land so unsicher, daß der Gouverneur zu Dienstreisen militärische Bedeckung brauchte. Viele Aufständische waren über die englische Grenze geflüchtet. Im britischen Betschuanaland befanden sich nach englischen Berichten gegen 1300 Hereros, darunter der Oberhäuptling Samuel Maharero und mehrere Häuptlinge. Die von General von Trotha nach den Kämpfen am Waterberg eingerichtete Absperrungslinie war nach sechs Monaten aufgegeben worden. Die letzte von Oberstleutnant von Mühlenfels im September 1905 ausgeführte Durchsuchungsoperation hatte 810 gefangene Hereros eingebracht, darunter viele Frauen und Kinder. Zahlreichen Hereros war es gelungen, durch die Absperrungslinien in ihr Land zurückzukehren. Sie ergaben sich und fanden beim Bau der Otavieisenbahn Arbeit. Gouverneur Theodor Leutwein hatte vor seiner Abreise empfohlen, die noch zerstreut im Felde befindlichen Hereros durch Verhandlungen zur Unterwerfung zu veranlassen184. General von Trotha berichtete jedoch dem Generalstab, er halte Verhandlungen für unmöglich, da die Häuptlinge der Hereros auf englischem Gebiet oder tot seien; er halte Verhandlungen auch für einen Fehler, weil dies zur Erhaltung der alten Stammesorganisation und zur Stärkung der äthiopischen Bewegung führen würde185. Gouverneur von Lindequist teilte die Ansicht Leutweins. Er ließ alsbald nach seiner Amtsübernahme zwei große, mit Lebensmitteln, Decken und Kleidung ausgestattete Sammellager in Otjihaenena, Bezirk Windhuk, und in Omburo bei Omaruru einrichten. Die diese Lager leitenden Missionare der seit vielen Jahren im Hererolande tätigen Rheinischen Missionsgesellschaft sandten nun christliche und treugebliebene Hereros durch das ganze Hereroland mit folgendem, am 1. Dezember 1905 datierten Aufruf des Gouverneurs an das Hererovolk: [...]
Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Südwestafrika in der deutschen Zeit, von Oskar Hintrager.
Titel: Südwestafrika in der deutschen Zeit
Autor: Oskar Hintrager
Verlag: Kommissionsverlag R. Oldenbourg
München, 1955
Original-Leinenband, Original-Schutzumschlag, 16x24 cm, 261 Seiten, 56 sw-Fotos, 1 Karte
Hintrager, Oskar im Namibiana-Buchangebot
Südwestafrika in der deutschen Zeit
Südwestafrika in der deutschen Zeit ist ein seltenes Geschichts- und Erinnerungsbuch des Ersten Referenten und Vertreter des Gouvernements, Dr. Oskar Hintrager.
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