Ritt gen Mitternacht. Roman aus Deutsch-Südwest-Afrika, von Adolf Kaempffer
Der in Deutsch-Südwestafrika aufgewachsene Adolf Kaempffer beschrieb in seinem 1939 erschienen, autobiographischen Roman 'Ritt gen Mitternacht', den Aufbau der Farm Mitternacht.
«All wicker... all wacker...! Soutmann... Stoutmann; help mekar« Witfoet; Domkrach ... stamp mekar" He-e-e-i; jelle Rammossis" Die Felswände werfen das Rufen und Peitschenknallen zurück. Die vierzehn Ochsen ziehen den hochbeladenen Wagen keuchend und mühsam über die Sanddünen und loses Geröll hinweg. Immer öfter bleiben sie stehen; jedesmal gelingt es den Treibern schwerer, sie wieder in Gang zu bringen. Hinter dem Wagen ziehen tausend durstige Schafe und achtzig durstige Rinder nun schon den zweiten Tag ohne Wasser daher. Vorgestern abend tränkte Mannhold ste das letztemal; dann begann der Treck durch die Durststrecke nach der Farm, die er erworben hat. Gestern und heute hat er an vier Stellen, davon die letzten beiden schon auf seinem eigenen Grund liegen, in dem sandigen Schluchtbett nach Wasser gegraben. Aber es langte immer nur für wenige Tiere, dann war der Vorrat erschöpft, und die große Grabwasserstelle in der Mitte seiner Farm ist jetzt die einzige Hoffnung. Die Schafe ziehen schwer und müde schluchtaufwärts. Von den Berglehnen schlägt der heiße Sonnendunst zurück, und unbeweglich hängt eine gelbe Staubwolke über Herden und Gespann. Es stnd noch vier Kilometer bis zur steilen Wand, unter der im schützenden Sand das Grabwasser liegt. Die Treiber sollen die Ochsen ausspannen und die Herden ruhen lassen. Mannhold reitet indessen mit zwei Braunen vorauf, um das Wasser aufzugraben. In zwei Stunden sollen die übrigen mit Vieh und Wagen folgen. Vier Kilometer sind eine kleine Strecke und in kurzer Zeit abgetan, wenn der Weg gut ist und der Reiter ein frisches Pserd hat. Aber mit den abgetriebenen durstigen Pferden dauert es im wilden Schwarzrand fast eine Stunde, ehe sie sie hinter sich bringen. Sie satteln die Pferde ab und spannen die graue Stute. Der Fuchs und der Schimmel werden sich bei ihr halten. Die Braunen mögen schnell ihr Mitgebrachtes verzehren, aber Mannhold hat dazu keine Zeit. Für ihn hängt zuviel davon ab, ob er hier Wasser findet, sonst steht es übel mit dem Vieh. Er nimmt den Spaten und beginnt zu graben. Zu seinem Schrecken muß er sich nach einer halben Stunde davon überzeugen, daß die Vertiefung in der Feldsohle viel geringer zu sein scheint, als er gehofft hat, denn das Wasser im Sand ist bedrohlich knapp. Aber einige Tage wird es vielleicht langen, und inzwischen muß er in der Schlucht, die sich zwanzig Kilometer weit durch seine Farm zieht, weitersuchen. Sein nächster Nachbar ist der Farmer Groll in der anderen Schlucht, dessen Farm rund um eine der wenigen offenen Quellen im Schwarzrand liegt. Die Farm heißt Mitternacht. Versagt das Wasser an der steilen Wand, dann muß er Groll um Hilfe bitten. Mannhold treibt die beiden Braunen an, denn bis das Vieh kommt, müssen sie ein Stück geschafft haben. Die Spaten knirschen im Sand. Ab und zu klingt es hart auf; dann stoßen sie auf die glatten, abgeschliffenen Kopfsteine. Sie werfen den Sand nach drei Seiten hinaus. Wenn Samuel und Katiti mit den Herden kommen, sollen sie Dornbüsche kappen und sie ringsherum zum Verhau zusammenschlagen, damit das Vieh die Erdwälle nicht in die Pfütze hinuntertritt. Die vierte Seite lassen sie offen und schrägen sie lang ab; denn von dort sollen die Tiere zum Tränken herantreten. Jetzt biegen die Schafe um die Felsecke und wittern sogleich das Wasser. Schreiend kommt die große Herde angestürmt, daß sich hinter ihr eine rote Staubwolke erhebt. Wenn die Tiere jetzt an das Wasserloch drängen, werden ein paar Dutzend totgetreten. Darum laufen Wächter, die hinterherkommen, an der Herde vorbei und treiben sie mit Schreien und Peitschenknallen zurück, bis sie enttäuscht stehenbleiben und sich bald niedertun. Ganz vorn in der Herde läuft der Schwarzkopf. Der war das erste Lamm aus der kleinen Herde, die sich Mannhold vor vier Jahren zugelegt hat. Damals war er noch Verwalter auf dem Kalkrand. [...]
Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Ritt gen Mitternacht. Roman aus Deutsch-Südwest-Afrika, von Adolf Kaempffer.
Titel: Ritt gen Mitternacht
Untertitel: Roman aus Deutsch-Südwest-Afrika
Autor: Adolf Kaempffer
Verlag: Verlag Georg Westermann
Braunschweig; Berlin; Hamburg, 1939
Original-Kartonband, 13x19 cm, 251 Seiten
Kaempffer, Adolf im Namibiana-Buchangebot
Ritt gen Mitternacht. Roman aus Deutsch-Südwest-Afrika
Der Roman 'Ritt gen Mitternacht' beschreibt, teils autobiographisch, die Mühen des Farmaufbaus zu Zeiten von Deutsch-Südwest-Afrika.
Lynx die Rotkatze. Eine Tiergeschichte aus Deutsch-Südwest
Lynx die Rotkatze ist eine schöne Naturerzählung und Tiergeschichte aus dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika.
Roiland der Wanderer. Geschichte eines afrikanischen Treckochsen
Der Roman 'Roiland der Wanderer' setzt dem Ochsenwagen, den afrikanischen Treckochsen und den vergangenen Zeiten gemächlichen Reisens ein literarisches Denkmal.
Das erste Jahr. Roman des kolonialen Morgen
Der kenntisreich und interessant geschriebene Roman 'Das erste Jahr. Roman des kolonialen Morgen' beschreibt die Herausforderungen, die der Autor, nach der fiktiven Rückgabe der Kolonien an Deutschland, recht realistisch einschätzte.
Robert und der Hottentott
Dieser bezaubernde Roman handelt von der Freundschaft des Farmersohn Robert und des alten Hottentotten (Nama) Hotub.
Das harte Brot. Die Geschichte einer Familie aus Deutsch-Südwest
Die authentische Geschichte einer Familie aus Deutsch-Südwestafrika und die Härten des Farmens, versinnbildlicht in der Metapher 'Das harte Brot'.
Der Tod an der Grenze. Afrikanische Erzählungen
Die in diesem spannenden Band enthaltenen drei afrikanischen Erzählungen sind Der Tod an der Grenze, Wachtmeister Felgenstein und Der Feigenbaum.
Farm Trutzberge. Ein deutscher Südwestafrika-Roman
Farm Trutzberge ist ein Roman aus den auch für Südwestafrika so bedrückenden 1920er Jahren.