Raka: Kapitel IV: Die Jagd auf Raka, von N. P. van Wyk Louw

Kapitel IV: Die Jagd auf Raka. Aus dem Epos Raka von N. P. van Wyk Louw.

Kapitel IV: Die Jagd auf Raka. Aus dem Epos Raka von N. P. van Wyk Louw.

Kapitel IV: Die Jagd auf Raka. Aus dem Epos Raka von N. P. van Wyk Louw.

N. P. van Wyk Louw  Wilhelm Kellner  

Kapitel IV: Die Jagd auf Raka

Über einen grünen Pfuhl, reglos und dick
von Wasserpflanzen und warmem Schlick,
hatte sich Raka am lauen Morgen gelehnt,
um wie ein Rind zu trinken, und träge gestöhnt
vor Genuß, und seine schwarze Hand wühlt'
tief in mehlweichen Wurzeln und war überspült
von Schlamm, der zwischen seinen Fingern quillt,
und er ließ sich satt und schwer, als sein Durst gestillt,
hineingleiten und sinken in den kühlen Sumpf
und spürt', wie die stinkenden Blasen am Rumpf
entlangkrochen und oben zerplatzten. Das war sein Gebiet,
wo sich Baumwurzeln und trockenes Rohr und Ried
von des Stroms toten Buchten verwoben zu dichtem Gerank'
und der süße Brodem von waldiger Uferbank
aufdampft' am langen, warmen Tag. Dann entstieg
er der Flut und strich mit der Tatze, ungefüg',
über die glänzende Haut, und die Tropfen sprangen
auf die Wassergewächse, und mit ausgreifenden langen
Schritten stapft' er zu den Wäldern über den zähen Morast.
Zuweilen hat er blitzschnell zugefaßt
und hielt einen grünen oder gold-blauen Käfer in der Hand,
die überall schwirrten, und zerdrückte den Rand
des dünnen Panzers, abwesend und dumm,
und ließ ihn fallen und starrte dann stumm,
gedankenlos auf weiß schimmernden Blütenstand
sauerer Wachsblumen, groß wie die Hand,
leuchtende Sterne vor dem düsteren Glühn
der ersten Lianen, die hier kühn
die vordersten Bäume umschlangen, und riß aus der Pracht
ein Büschel weißer Kelche, dann fielen sie sacht
aus der schwarzen Hand. Mit trägen und schweren
Schritten ging er über das weiche Moos. Wo niedrig die Beeren
an den Sträuchern hingen, hat er kaum sich gebückt
und sie jäh aus den Dornen abgepflückt,
um sie langsam zu kaun, ins Maul gestopft,
bis der blaue Saft über die Brust in die Blätter tropft' -
denn Furcht, die jedes Geschöpf in die Verstecke bannt
oder durch den Urwald jagt, hat er nie gekannt,
nur dunkle Gier. Als ein Tierchen, geschaffen zum Spiel,
ein graues Äffchen, leicht aus den Ästen fiel
und über Lichtung und Laub hinjagte schattenhaft,
halb fröhlich erschrocken, erregt' ihn der Saft,
der süße Speichel im Mund, daß er aufspringend es fing -
doch als das schlaffe Tier in seiner Tatze hing,
beroch er es nur, dann entglitt es der Hand.

In diesem Zwischenland
von Wald und Gestade, in warmer Bucht
rollt' er taglang in den Kuhlen mit der plumpen Wucht
eines Baumstamms, der versunken, verrottet
sich schwer in den stillen Wassern wiegt, oder trottet'
stumpf durch die Wälder, bis er plötzlich, von Hunger geplagt,
aus dunkelgrünem Geäst, das über ihm ragt',
die Schoten brach, oder er trabte ins Flachland,
geifernd vor Blutgier, wo Giraffe und Eland
und Gnu auf hartem Grasfeld weidend ziehn,
endlos ...

Und wenn der Hunger gestillt, plagt' ihn,
der schwer und verdrießlich, tief innen
eine andere Gier und ließ ihm das Blut gerinnen.
Dann sucht' er der Menschen Geruch und strich um die Hütten
und roch an einem verlorenen Tuch mitten
im Gras oder an der Scherbe eines Topfes, der aus Ton
geformt war. Und morgens, wenn die Werft sich schon
von Kindern und Hunden allmählich regt',
stand er auf vom Lager, wo er nachts sich gelegt,
außen am Kral, um zurückzugehn
in das laue Röhricht und dann zu den Sümpfen und Seen -
so auch am Tag, als sich Koki entschied
das Untier zu suchen im schwülen Wald, im Ried ...
Denn als sich im Osten der Tag weiß enthüllt'
und der Morgenstern zart als bleiches Gebild'
über den Wipfeln schwebt', erhob er sich und überwand
die Furcht vorm Sterben - wie einer, der Genesung fand
für seine Wunde, sich früh erhebt von seines Feuers Glut
und, zitternd noch, wohl eine warme Stunde ruht
am Tor und rings die Welt betrachtet
als etwas Fremdes, das sein Herz kaum noch beachtet. -
Und Koki holte den Schild mit langem Rand,
prüft' ihn mit Schlägen, fettet' und knetet' mit der Hand
das harte, fahle Fell, bis die Arbeit getan
und es zäh und biegsam war gegen Tatze und Zahn,
wohl wissend, die Waffen wären weder Pfeil noch Klingen,
die von dem weittönenden Fell abspringen,
sondern andre im Nahkampf. Und ließ über den Stein
die Schneiden der Assagaie kreisen, und hinein
schliff er halbe Monde, weiß blitzend, metallen,
wie's die Väter gelehrt, bis sie leicht über den Ballen
der Hand glitten und schnitten in die bleiche Haut,
und sang nicht das Kriegslied, sondern anhaltend, vertraut
erklang des Sterbegesangs ernste Gewalt;
denn Raka, so wußt' er, war eine fremde Gestalt,
mehr als ein Tier, doch Mensch noch nicht,
etwas Tödliches und Düstres, in trübem Licht,
für Denken und Handeln unberechenbar.
Und scheu im Kreis umstand ihn die Schar
- die Kinder still - oder man ging
für sich ans Tagwerk, und verwirrt und gedankenvoll fing
man an, zu flechten den goldenen Strick
oder Netze zu knüpfen, und dachte voll Unbehagen zurück
an die Nacht mit dem wilden Tanz.

Doch er, als zum Zenit
die erste Mittagswolke glitt,
hatte die Waffen bereit. Und fest um die Knie geführt
waren die nageldünnen Riemen, geziert
mit Quasten, die schwarzweiß gemustert sind,
die - wie die Springböcke weiß prunken - im Wind
des Kriegstanzes spielen und beben. Und wunderbar
und jung schritt er mit der großen Feder im Haar
von seiner Hütte zum Tor und sang
und tanzte den Tanz den Weg entlang
vom roten Bullen im scharfen, blauen Gras
und wollt' nicht mehr für jene, die ohn' Maß
an Raka glaubten, Worte verschwenden, ihren Herzen zur Last.

Und sie folgten ihm scheu und ohne Hast
durch den Staub im Kral und starrten ihm nach,
wie er abwärts schritt, wo der Pfad gemach
sich senkt und er tanzend durch blaue Gebüsche ging,
nahe am Wald. Doch an diesem Mittag hing
das Fischnetz neben halbfertiger Matte ungebraucht,
und der Ofen mit den Reihen brauner Töpfe, der sonst geraucht
und sie zu grünglänzender Härte gebrannt,
war kalt geworden, denn es fehlten Holz und Hand,
und es wollten die lauten Reden nicht ruhn
über Koki und Raka und das törichte Tun
und den Zorn der Geister.

Er aber richtete den Tanz
nach den Wäldern, bis der Mittagsglanz
auf den blitzenden Assagaien und der schimmernden Haut
in den Gängen verschwand, und nur fern und nicht mehr laut
sein Singen zu hören war.

Doch im feuchten Wald
lief er über riechendes Moos und Blätter bald
stiller und lauschte, ob er einen Zweig brechen hörte,
und sucht' nach einer frischen Spur, nach der Fährte
des Schwarzen in diesem Revier,
denn zum letzten Mal, in der Nacht, war hier,
gedämpft durch den Urwald, fern, der Schrei lachend erklungen.

Dann war Koki durch die feuchten Tunnel gedrungen
in den stillsten Wäldern, wo der Wipfel Geäst
verworren, gewunden und dicht und fest
sich verflocht und im dämmrigen Schein
die Tropfen fielen; doch wie er auch lauschte, kein
Laut traf sein Ohr, nur daß er das Tropfen vernahm,
und der lange Klageschrei eines scheuen Waldvogels kam
irgendwoher aus weiter Ferne -
und kaum sah er - wie kleine Sterne,
die fallen - das Huschen des roten Papagaien von Baum
zu Baum. Und da er nichts fand, wendete er sich zum Saum
der Niederungen und überlegte immer aufs neu',
wie er Raka träfe und wo er verborgen sei,
und grübelnd brach er im schwarzen Gesträuch
durch dichte Ranken und Blumen, die scharlachrot und bleich
des Nachts die weichen Motten an sich ziehn.
Nun schritt er über Laub und offeneres Land
mit vereinzelten Bäumen; an ihnen wand
sich buntes Klettergewächs bis zum Wipfel empor -
und er drang an den Rand der Fläche vor,
wo er lang die weite Mittagswelt ins Auge faßt',
ob er den Schwarzen sähe - doch nur Hitze und Glast
der stillen Stunde waren dort und ferne Bäume, verschwommen,
und das erste Aufdampfen der Nachmittagsnebel im Kommen
des Urwaldregens. Sein Sehnen blieb ungestillt,
denn nirgends war Raka - das fahle Steppenwild
stand reglos im Schatten oder zog äsend über das Flachland fort.
Da sucht' er die Pfade aufs neu, die sich dort
zum großen Strom durch den Uferwald ziehn,
und Raka, Raka, das Tier, das kühn
und verschlagen am grünen Wasserloch
lauert' oder still sich hinter Ranken verkroch,
mahlte in ihm, klopft' ihm im Ohr,
und immer wieder kam es ihm vor,
als sah' er zwischen gelben Blüten und Beeren, im Gebüsch
das schwarze Haupt... bis er sich endlich frisch
aus den Bäumen gekämpft und das geschwungene Silberband
der breiten Wasser, weithin ausgespannt,
vor seinen Augen lag. Und hier fand er im Morast
die nasse Spur, verfolgt' und verlor sie fast
in den Tümpeln und entdeckt' sie erneut - von der schweren Gestalt
die Schleifspur, wo sie brach und plantscht' und sich drängt' durch
den Wald
des dichtesten Schilfs. Und Koki trabte dahin
im Pfad der Spuren über laue Pfützen, worin
zäh weiße Krebse und Fische lebten, und an die Knie krallt
sich das scharfe Gras, das die Quasten bald
herunterriß, als er durch die tief
sich neigenden Binsen, sich mühend, lief.
Und hielt und lauschte und hört' allein
den Fischadler hoch über dem Wasser schrein
und spürt' am Fuß die schwarzen Blasen aus der Flut.

Doch als er auf seine Finger sah und den Spritzer von Blut,
den das schneidende Gras hinterließ, war groß
das Tier, plötzlich, geräuschlos, aus dem warmen Schoß
von Seegras und Schlick aufgestanden und hatte weiß gelacht.

Dies ist das vierte Kapitel aus dem Epos Raka, von N. P. van Wyk Louw.

Buchtitel: Raka
Autor: N. P. van Wyk Louw
Übersetzung aus dem Afrikaansen: W. A. Kellner
Verlag: Nasionale Boekhandel
Erste deutsche Ausgabe, Kapstadt; Johannesburg; Bloemfontein; Port Elizabeth, Südafrika 1970
Original-Kartonband, 14x22 cm, 36 Seiten 

van Wyk Louw, N. P. und Kellner, Wilhelm im Namibiana-Buchangebot

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