Liebes Väterchen. Briefe aus dem Namaaufstand 1905-1906, von Erich von Schauroth.
Die Briefe Erich von Schauroths sind ein zwar individuelles, doch wertvolles Zeitdokument und erlauben, über 100 Jahre später und unter dem Titel 'Liebes Väterchen: Briefe aus dem Namaaufstand 1905-1906', dem unvoreingenommenen Leser die Stimmung der damaligen Zeit nachzuspüren.
Bernd Kroemer Erich von Schauroth
Sandfontein 21.09.1905, Brief und 1. Gefechtsbericht
Liebes Väterchen,
[...] Am 1. Juli wurde der Vormarsch also wieder angetreten. Kaum hatten wir die Marschkolonne formiert und die Spitze war noch keine 800 Schritt vorgegangen, als es bereits wieder von allen Seiten knallte. Zwei Mann der Spitze hatten gleich Kopfschüsse erhalten. Das übliche Bild, alles auseinander, Artillerie und Maschinengewehre aufgefahren und in 5 Minuten war die Sache im vollsten Gange. Ich befand mich mit Gräser bei der 9. Kompanie, wo die übrigen waren wußte niemand. Jeder macht eben sein Gefechtchen für sich. Die Hottentotten hatten ihre Werft scheinbar schon ziemlich in Sicherheit und zogen nach einstundigem Gefecht ungesehen ab. Wir begruben unsere Toten und folgten dann sehr vorsichtig. Unser Vormarsch gestaltete sich von jetzt ab so, daß an einer Biegung immer 2 Geschütze auffuhren, vor sich an der nächsten Biegung die Avantgarde auf der Höhe. Dann ging die hinterste Kompanie über die Avantgarde, bis zur nächsten Biegung vor, die beiden Geschütze der anderen Batterie nahmen dann die Stellung an der Biegung ein, welche vorher die Avantgarde besetzt hatte, während die erste Batterie noch stehen blieb. Auf diese Weise konnten wir stets die Flußbiegung sofort unter Artilleriefeuer nehmen und hatten stets die Ecken von 2 Biegungen besetzt. Das verlangsamte den Vormarsch natürlich sehr. Wir rechneten, daß wir 2 Kilometer in der Stunde schafften. Bei dem unglaublichen Gelände hatte sich Gräser vorgenommen, bis zur Mündung des Konkip in den Fischfluß, den Hottentotten zu folgen, eine weitere Reise schien für das Detachement nicht möglich, denn die Räder und Achsen der Geschütze waren schon an mehreren Stellen repariert und zusammengebunden worden und der Zustand der Zugtiere wurde bei den kolossalen Anstrengungen und bei dem gänzlichen Mangel an leidlichem Futter (nur Schilf) immer klappriger. Die Reitpferde hatten fast alle die Eisen verloren und sich auf den Klippen die Hufe abgelaufen und gingen lahm, mußten natürlich trotzdem weiter geritten werden. Ein ekelhaftes Gefühl. Am 2. Juli ließen uns die Hottentotten auf unserem Marsch in Ruhe, die Werft war wohl nicht genug voraus. Nach dem Gefecht am 1. Juli hatte es Gräser nochmals mit Friedensverhandlungen versucht und einen Brief an Kornelius geschrieben, er solle sich ergeben. Der Bote, ein Hottentott, kam am nächsten Tage zurück mit der Antwort, Kornelius wolle zwar sehr gerne Frieden machen, aber er stünde nicht allein gegen uns im Kriege, sondern die ganzen Hottentotten Südwest-Afrikas. Er könne daher auch nicht allein Frieden machen sondern es müßten sich auch alle anderen Kapitäne damit einverstanden erklären. Das sei doch anständig gedacht! Unser Bote hatte auf seinem Rückweg zu uns, genau die Stellungen gesehen, in welchen Kornelius uns Widerstand leisten wollte. Der Hottentotte ist darin komisch, er tut den Stammesgenossen welche auf unserer Seite im Dienst sind, nichts. Ja zeigt ihnen mit einer gewissen Großmäuligkeit seine Stellungen und Anzahl der Gewehre, obwohl er ganz genau weiß, daß der Bote es uns wiedererzählen würde. Andererseits erfährt er natürlich auch von diesen Boten viel von uns. So war es auch dieses Mal. Als wir am 3. Juli an eine Stelle des Fischflußes kamen, wo sich dieser zu einem etwa 500 Meter langen und 300 Meter breiten Becken verbreiterte, welches rechts und links von 300-400 Meter hohen, steilen Felsen eingeschlossen und nach vorn von einem etwa 200 Meter langen und etwa 150 Meter hohen Hügel mit steilen Rändern abgeschlossen ist, ließen wir halten. Der Hottentott bezeichnete dies als die Stellung des Gegners. Ein Wurstkessel, wie man sich ihn zur Verteidigung überhaupt nicht günstiger vorstellen kann. Das Flußbecken ist angefüllt mit Felsgeröll, der eigentliche Lauf des Flußes geht quer durch das Becken, in der Mitte des Riviers steht einiges Dorngebüsch. Die Artillerie und die Maschinengewehre protzten am Eingang des Hexenkessels ab, rechts und links wurden Patrouillen auf die Höhe geschickt. Währenddessen suchten wir mit unseren vorzüglichen Gläsern die Stellung des Gegners zu ergründen, aber umsonst. Nichts zu sehen. Der Bote behauptete aber steif und fest, die Höhen geradezu nach vorn seien mit Schanzen stark besetzt, rechts und links von den Seitenhängen seien ebenfalls starke Postierungen. Die Patrouillen waren schon etwa zwei Stunden geklettert und hatten kaum die ersten Höhen erreicht, es konnte also Abend werden, wenn wir auf diese Weise Nachrichten sammeln wollten. [...]
Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Liebes Väterchen. Briefe aus dem Namaaufstand 1905-1906, von Erich von Schauroth.
Titel: Liebes Väterchen
Untertitel: Briefe aus dem Namaaufstand 1905-1906
Autor: Erich von Schauroth
Bearbeitung: Bernd Kroemer
Glanz & Gloria Verlag
Windhoek, Namibia 2008
ISBN 978-99945-68-29-1 / ISBN 978-99945-68-29-1
Broschur, 15x21 cm, 143 Seiten, viele sw-Fotos
von Schauroth, Erich und Kroemer, Bernd im Namibiana-Buchangebot
Liebes Väterchen. Briefe aus dem Namaaufstand 1905-1906
Liebes Väterchen ist der Titel gesammelter Briefe aus dem aus dem Namaaufstand 1905-1906, den Feldzügen gegen Cornelius, Morenga, Morris und Johannes Christian in Südwestafrika.
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