Gewisse Ungewissheiten. Überlegungen zum Krieg der Herero gegen die Deutschen, von Rainer Tröndle.

Gewisse Ungewissheiten. Überlegungen zum Krieg der Herero gegen die Deutschen, von Rainer Tröndle. ISBN 9789994576128 / ISBN 978-99945-76-12-8 Namibia / ISBN 9783941602731 / ISBN 978-3-941602-73-1 Deutschland

Gewisse Ungewissheiten. Überlegungen zum Krieg der Herero gegen die Deutschen, von Rainer Tröndle. ISBN 9789994576128 / ISBN 978-99945-76-12-8 Namibia / ISBN 9783941602731 / ISBN 978-3-941602-73-1 Deutschland

Der Autor Rainer Tröndle ist in seinem Buch, Gewisse Ungewissheiten. Überlegungen zum Krieg der Herero gegen die Deutschen, erneut der Frage nach den möglichen Bevölkerungszahlen der Herero zur Zeit des Aufstandes von 1904 nachgegangen.

Rainer Tröndle  

5. Gräuelgeschichten und das Blue Book. Das Blue Book 1918

5.2.5. Geschichtsklitterung heute

(...) Leider gibt es nicht nur die (in gewisser Weise verständliche) Propaganda der Weltkriegszeit, leider wird Geschichte auch heute von Historikern verfälscht, sei es aus Unachtsamkeit oder aus anderen Gründen. Dies tat Drechsler (wohl mit politischer Zielsetzung, wie er in seiner Einleitung erkennen lässt), der Zahlen und ganze Passagen ungeprüft aus dem Blue Book übernahm, angebliche Gräueltaten der Deutschen hervorhob, die der Herero aber verharmloste oder verschwieg, Zitate durch Auslassungen in ihrem Sinn veränderte und, wie beispielsweise am Waterberg, Geschehnisse falsch darstellte und interpretierte, was zahlreiche Historiker bis heute unkritisch übernehmen. Verfälschung von geschichtlichen Vorgängen geschieht leider auch heute noch zum Beispiel dann, wenn Textpassagen aus ihrem Zusammenhang genommen und in einen anderen Kontext gebracht werden. So schreibt Jürgen Zimmerer in „Krieg, KZ und Völkermord in Südwestafrika": „Kranke und hilflose Männer, Weiber und Kinder, die vor Erschöpfung zusammengebrochen waren, lagen, vor Durst schmachtend, in Massen (...) im Busch, willenlos und ihr Schicksal erwartend". Wo die nachrückenden deutschen Einheiten auf Herero trafen, kam es zu willkürlichen Erschießungen, wie Hauptmann Maximilian Bayer schrieb: „Hin und wieder fiel rechts und links ein Schuss im Dornbusch, wenn unsere Patrouillen auf Nachzügler stießen.'143 Hier erfährt der Leser, dass deutsche Soldaten kranke, hilflose, erschöpfte Menschen am Wegesrand oder Nachzügler im Busch willkürlich ermordeten. Der Führer des Kriegstagebuchs am Waterberg, Hauptmann Bayer, wird dafür als Zeuge benannt. Die Quelle für das erste Textfragment ist das Generalstabswerk (Zeitpunkt Ende September). Es lautet im Volltext: „Kranke und hilflose Männer, Weiber und Kinder, die vor Erschöpfung zusammengebrochen waren, lagen, vor Durst schmachtend, in Massen seitwärts hingekauert im Busch, willenlos und halb blöde ihr Schicksal erwartend. Es waren erschütternde Eindrücke, die sich dem Verfolger auf seinem Marsch boten.144 Von Erschießungen ist nicht die Rede wohl aber davon, dass der Anblick des Elends die Verfolger tief berührte. Die Aussage von Hauptmann Bayer entstammt seinem angeführten Buch (Zeitpunkt 13. August) und steht ebenfalls in einem ganz anderen Kontext: „Hin und wieder fiel rechts und links ein Schuss im Dornbusch, wenn unsere Patrouillen auf Nachzügler stießen. Von nennenswertem Widerstand war indessen keine Rede. Wir fanden wenig Tote auf dem Wege aber mehrere frische Gräber. Einige alte Männer und Weiber, die bei der Flucht nicht mehr weiter gekonnt hatten, hockten mit angezogenen Beinen an der Erde und stierten uns stumpfsinnig und in ihr Schicksal ergeben an. Wir versuchten ein paar Hererokrieger zu fangen, um von ihnen Nachrichten über den Feind zu erhalten; doch flohen die misstrauischen Schwarzen stets auf Anruf und schössen bei unserer Annäherung, sodass auch bei uns von der Waffe Gebrauch gemacht werden musste."145 Bayer berichtet damit ebenfalls von alten, desperaten, erschöpften Herero am Wegesrand, von willkürlichen Erschießungen ist jedoch auch hier nicht die Rede. Die Schüsse hatten ihre Ursache in kurzen Feindkontakten als die Soldaten versuchten Gefangene zu machen, um Informationen über den Verbleib der Herero zu erlangen. Die Nachhuten des Gegners entzogen sich jedoch diesen Versuchen und eröffneten das Feuer auf die Verfolger. J. Zimmerer hat sein Zitat vermutlich einer Sekundärquelle146 entnommen und nicht die Originale verwendet. Das Zitat besteht aus zwei Fragmenten aus zwei verschiedenen Quellen und aus unterschiedlichen Zeitabschnitten. Sie wurden gekürzt und willkürlich mit einem erfundenen suggestiven Text zusammengefügt „Wo die nachrückenden deutschen Einheiten auf Herero trafen, kam es zu willkürlichen Erschießungen" und als Aussage Hauptmann Bayer zugeordnet. Es täuscht in dieser Zusammenstellung Untaten vor und eine Aussage, die Bayer nicht gemacht hat. (...)

143 Zimmerer, Jürgen, Krieg, KZ und Völkermord in Südwestafrika, in: Zimmerer, Jürgen - Zeller, Joachim (Hrsg.) Völkermord in Deutsch-Südwestafrika, Berlin 2004, S. 50.
144 Die Kämpfe der deutschen Truppen in Südwestafrika, Berlin 1906, Erster Band, S. 199.
145 Bayer, Maximilian, Mit dem Hauptquartier in Südwestafrika, a.a.O., S. 162.
146 Generalstabswerk Bd. I, S. 203, zit. nach: Lundtofte, Henrik

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Gewisse Ungewissheiten. Überlegungen zum Krieg der Herero gegen die Deutschen, von Rainer Tröndle.

Titel: Gewisse Ungewissheiten
Untertitel: Überlegungen zum Krieg der Herero gegen die Deutschen, insbesondere zu den Ereignissen am Waterberg und danach
Autor: Rainer Tröndle
Verlag: Namibia Wissenschaftliche Gesellschaft
Windhoek, Namibia 2012
ISBN 9789994576128 / ISBN 978-99945-76-12-8 Namibia
ISBN 9783941602731 / ISBN 978-3-941602-73-1 Deutschland
Broschur, 17x24 cm, 96 Seiten, etliche sw-Fotos, sw-Abbildungen und Kartenskizzen.

Tröndle, Rainer im Namibiana-Buchangebot

Gewisse Ungewissheiten. Überlegungen zum Krieg der Herero gegen die Deutschen

Gewisse Ungewissheiten. Überlegungen zum Krieg der Herero gegen die Deutschen

Gewisse Ungewissheiten enthält neue Überlegungen zum Krieg der Herero gegen die Deutschen, insbesondere zu den Ereignissen am Waterberg und danach.

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