Entwicklung des Verkehrswesens in Südwestafrika seit 1920, von Fritz Gaerdes

Verkehrswesen in Südwestafrika: Reitkamele in Südwest 1923

Verkehrswesen in Südwestafrika: Reitkamele in Südwest 1923

Verkehrswesen in Südwestafrika: Donkeymobil auf dem Weg zur Küste

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Verkehrswesen in Südwestafrika: Pferdewagen 1921

Verkehrswesen in Südwestafrika: Pferdewagen 1921

Verkehrswesen in Südwestafrika: Ein altes Ford-Auto 1924

Verkehrswesen in Südwestafrika: Ein altes Ford-Auto 1924

Verkehrswesen in Südwestafrika: Ford-Auto wird rausgeschleppt

Verkehrswesen in Südwestafrika: Ford-Auto wird rausgeschleppt

Verkehrswesen in Südwestafrika: Im Okahandjarívier 1963

Verkehrswesen in Südwestafrika: Im Okahandjarívier 1963

Um 1920 gab es in Südwestafrika kaum planmäßig gebaute Überlandstraßen, die Wege und Spuren der Ochsenwagen bestimmten das Verkehrswesen. Erst in den 1940er und 1950er Jahren wurde der Ausbau des Straßennetzes planmäßig und intensiv vorgenommen.

Der Lehrer und Autor Fritz Gaerdes (1892-1975) schrieb 1964 im S.W.A. Jahrbuch: WENN heute auf ausgebauten Wegen oder Teerstrassen die Autos durch das Land jagen, wenn für Wagen mit Vierradantrieb auch die Dünen der Kalahari, die Berge des Kaokovelds und der Meeresstrand auf Fahrten nach entlegenen Angelplätzen keine Schwierigkeiten mehr bieten, so vergisst man leicht, dass kaum 40 Jahre vergangen sind, seit die H.P. von Ochsen, Pferd und Esel den Verkehr in Südwest bestimmten. Guter alter Ochsenwagen! Er war das grosse Schiff im Meer der Steppe. Um Bäume, Termitenhaufen und Klippen lenkte der Tauleiter mit dem Nasenriemen der Vorderochsen das Gefährt mit den 14 bis 18 langgehörnten Tieren durchs Gelände. Mit lautem Knall zischte der mehrere Meter lange Riemen mit dem "Vorschlag" von Steinbockfell am Schwippstock von zähem Omukaruholz durch die Luft und traf unfehlbar die lässigen Tiere, die auf Zurufe wie "Blesbock, Stompstert werk", nicht achteten. Andere Wagen folgten der eingeschnittenen Spur. Sie wurde die "Pad" mit den Windungen und Kurven, die der erste Wagen eingezeichnet hatte. Etwa 5 km. legte man in der Stunde zurück; nach 15 bis 20 km. kam ein Ausspann. Wesentlich war es, in wenig bewohnten Gebieten die Wasserstellen zu kennen, wo die Tiere getränkt werden konnten. Längere Durststrecken überwandt man möglichst in den kühlen Nachtstunden. Seltener wurden die Trekochsen durch eine Reihe von Eseln vertreten, die langsam den Wagen durchs Gelände schleppten. Für kleinere Frachten diente die Ochsen- oder Eselkarre, die sich bis heute als Donkiemobil ihren Platz erhalten hat. Manchmal gebrauchte man in alter Zeit auch noch eine Schleppe, wie heute die Eingeborenen am Okavango. Wichtig war bei der ungefederten Karre mit ihren 2 oder 4 Zugtieren das richtige Verteilen der Ladung, damit die Deichsel im schwebenden Gleichgewicht war. Das Lenken der Tiere war nicht immer leicht, und manchmal zeugten ein zerrissenes Hemd und blutige Kratzer von dem Eigensinn der Esel, die ihren Weg durch dichte Büsche suchten. Wie heute das blinkende Auto der Stolz des Fahrers ist, so war es früher die Pferdekarre oder der leichte Pferdewagen. Wie schön war es, auf der "Spinne" mit den 2 hohen Rädern und dem gefederten Sitz, wenn feurige Pferde mit raschem Trab das leichte Gefährt zur Jagdfahrt über die Farm führten. Packpferde trugen Decken und Proviant der berittenen Polizeipatrouillen. Kamele dienten dazu, die wasserarmen Gebiete der Kalahari zu überwinden. Die ersten Autos in Südwest hatten es bei den Wegverhältnissen auch in der Trockenzeit nicht leicht. Von Wegebau konnte man zu Beginn der zwanziger Jahre kaum reden. Für die kleinen Fordlastwagen mit den schmalen Rädern bildeten selbst kleine Riviere ein Hindernis. Bei der direkten Steuerung wurden trotz aller Mühe im Sand die Räder herumgedrückt, dass sie quer standen. Und erst in der Regenzeit, wenn Wasser im Rivier war! Dann mussten Esel oder Ochsen her, um den Wagen wieder flott zu machen. Mehr als 15-20 Meilen in der Stunde konnte man selten zurücklegen. Aber mit Draht und Ochsenriemen, so hiess es damals, kan man den Ford immer wieder in Bewegung bringen. Bessere und schnellere Wagen fanden den Weg nach Südwest und zwangen zur Verbesserung der Wege. Man verbreiterte sie, beseitigte Büsche welche die Sicht behinderten. Wegebaukolonnen verlegten die alten Ochsenwagenpads, dass sie gerader und uebersichtlicher verliefen. Padhobel und andere Maschinen wurden eingesetzt. War früher die Erhöhung zwischen den 2 Fahrrinnen, der "Mittelmann", eine lästige. Erscheinung gewesen, so stellte sich jetzt das "Wellblech" ein, und die breite, tiefe Strassenrinne mit den Sandwällen an beiden Seiten verwandelte sich in der Regenzeit an manchen Stellen in ein Rivier mit Sandanhäufungen und Tümpeln.

Auch die Riviere - bis in die fünfziger Jahre existierten im Lande kaum Brücken - brachten in der Regenzeit den Verkehr manchmal zum Stillstand. Ein weiteres Hindernis waren die vielen Farmtore, die immer wieder zum Stillhalten zwangen. Angefahrene, schleppende und verbogene Tore machten dem Farmer viel Aerger. Nur auf Nebenwegen haben sie sich heute neben den Autoüberfahrten noch erhalten. Die immer stärkere Beanspruchung der Wege durch den wachsenden motorisierten Verkehr führte zu grundlegenden Veränderungen im Wegebau Südwests. Es wurde nicht mehr improvisiert. Unter Aufsicht von Fachleuten wurden neue Verbindungswege geplant und gebaut. Der feste, aufgeschüttete Oberbau lässt das Wasser nach den Seiten abfliessen. Brücken, Betonlagen und Durchlässe sorgen, dafür, dass auch in der Regenzeit die meisten Riviere kein Hindernis bilden, nur selten zwingen schwere Regen vor einzelnen brückenlosen Rivieren zu längerem Warten. Aber unablässig wird an den Strassen gebaut und verbessert, und die geplanten Teerstrassen dehnen sich Jahr für Jahr weiter aus.

Auf längerer Fahrt, etwa von Windhoek nach Otjiwarongo, bekommt man ein eindrucksvolles Bild von dem gewaltig angewachsenen Verkehr. Wo man früher auf tagelangem Trek vielleicht ein paar Ochsenwagen und Karren sah, Eingeborene mit Eselkarren oder einem Viehtransport begegnete, brausen jetzt in wenigen Stunden zahlreiche Personenautos an uns vorbei, dazwischen grosse Busse, schwere Lastwagen mit Anhängern, die Vieh transportieren, Sahneautos und Traktoren. Und über uns brummt vielleicht das modernste Verkehrsmittel, das Flugzeug, das heute die meisten Orte des Landes schnell miteinander verbindet. Die Eingeborenen der nördlichen Gebiete, die in früheren Jahren erst nach tagelangen, gefährlichen Märschen ihre Anwerbestellen in Grootfontein erreichten, werden heute durch Busse schnell zum Ziel befördert. Mit der Umwandlung der Schmalspurbahn nach dem Norden in Normalspur und der Einführung von Dieselloks hat auch bei der Eisenbahn die neue Zeit das Tempo der Entwicklung bestimmt und die geruhsame alte Zeit Abschied genommen.

Aus dem S.W.A. Annual - S.W.A. Jaarboek - S.W.A. Jahrbuch 1964 stellt Ihnen das Namibiana Buchdepot einen Beitrag über die Entwicklung des Verkehrswesen in Südwestafrika unter dem Arbeitstitel "Entwicklung des Verkehrswesens in Südwestafrika seit 1920" (Fritz Gaerdes) vor.

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