Kartierte Kolonialgeschichte, von Mathias Renz

Kartierte Kolonialgeschichte. Der Kolonialismus in raumbezogenen Medien historischen Lernens, von Mathias Renz. Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 9783525300473 / ISBN 978-3-525-30047-3

Kartierte Kolonialgeschichte. Der Kolonialismus in raumbezogenen Medien historischen Lernens, von Mathias Renz. Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 9783525300473 / ISBN 978-3-525-30047-3

Kartierte Kolonialgeschichte. Der Kolonialismus in raumbezogenen Medien historischen Lernens, von Mathias Renz.

4.5. Entdecken, Erobern, Aufteilen - Typen der Darstellung des Kolonialismus in europäischen Ceschichtsatlanten

Von insgesamt 364 Geschichtsatlanten verwenden 231 Geschichtskarten zum europäischen Kolonialismus. Im Folgenden ist besonders nach den Darstellungstypen und -besonderheiten zu fragen, die als immer wiederkehrende Muster in der europäischen Geschichtsatlantenlandschaft markiert werden können (vgl. Kapitel 4.5.1). In diesem Zusammenhang wird der Begriff des Geschichtskartenkanons lediglich in einem heuristischen Verständnis und nicht in seiner eigentlichen Bedeutung als einen »abgegrenzten, hochselektiven Wissensbereich mit verpflichtendem Charakter« gebraucht. Darüberhinaus finden auch Themenfelder des Kolonialismus Beachtung, die eher selten oder im Rahmen nationaler bzw. transnationaler Fokussierungen als Darstellungen jenseits konventionalisierter Darstellungsmuster betrachtet werden (vgl. Kapitel 4.5.2). Grundlage dieser Typisierung sind Geschichtskarten, die die Kolonialgeschichte im Zeitraum von 1400 bis 1914 darstellen (vgl. Anlage 7). Bei diesem Vorgehen bildet neben den fundamentalen Kategorien Raum (kartierter Raum) und Zeit (kartierter Zeitraum) der Inhalt eine wesentliche dritte Säule.

4.5.1. Geschichtskarten als Teil eines europäischen Geschichtskartenkanons zum Kolonialismus

I. Eines der zentralen gemeinsamen Kartenbilder189 stellt den Beginn des kolonialen Zeitalters dar - die ersten europäischen Entdeckungsfahrten und die Inbesitznahme erster iberischer Überseeterritorien. Neben bedeutenden Entdeckern und Eroberern, wie beispielsweise Christoph Kolumbus (1451 -1506), Vasco da Gama (1469-1524), Bartolomeu Diaz (1450-1500), Hernän Cortes (1485-1547), Francisco Pizarro (1476-1541), Ferdinand Magellan (1480-1521) bzw. Juan Sebastian Elcano (1486-1526), Sir Francis Drake (1540-1596) oder John Cabot (1450-1498), sind die Tordesilla- und die Zaragoza-Linie in der Regel feste Bestandteile dieser Weltkarte. Auch die Etablierung der ersten spanischen und portugiesischen Kolonialreiche in Übersee wird in einem Zeitfenster vom 15. bis 17. Jahrhundert in der Regel als Mercator-Projektion abgebildet. Generell variiert allerdings der Darstellungszeitraum dieser ersten kolonialen Phase, sodass die englischen, französischen, niederländischen und russischen Expansionen meist kaum verortet werden. Die frühe Staatenbildung in Afrika, ost- und südostasiatischen Reiche sowie vorkolumbischen Staaten und Kulturen in Lateinamerika werden in diesem Kartentyp nur sehr begrenzt kartiert. Trotz einiger zeitlicher und inhaltlicher Variationen markiert dieser Kartentyp in europäischen Geschichtsatlanten einen gemeinsamen Blick auf das beginnende Übergreifen Europas auf den Rest der Welt. Ergänzend zur Darstellung der auch als »Iberische Phase« genannten Zeit in Form einer Weltkarte wird häufig eine Detailkarte zu Lateinamerika verwendet. Hier werden die Eroberungszüge Francisco Pizarros und Hernän Cortes thematisiert und dabei, neben den untergehenden Reichen der Azteken und Inka bzw. den Maya-Staaten, explizit die spanischen bzw. portugiesischen Besitzungen in der Neuen Welt in den Fokus genommen. Eine vergleichbare Detailkarte findet sich auch für den afrikanischen Kontinent, wobei hier der Darstellungsschwerpunkt sowohl auf den ersten portugiesischen Entdeckungen als auch auf den vorkolonialen afrikanischen Staaten liegt. Ferner ist eine Detailkarte zum asiatischen Raum auszumachen, die besonders die asiatischen Großreiche und erste europäische Expeditionen und Besitzungen (vor allem Stützpunktkolonien) thematisiert.

II. Des Weiteren wird die Etablierung kolonialer Strukturen vom 17. bis 19. Jahrhundert ebenfalls auf einer Weltkarte dargestellt.194 Die hier abgebildete und von Reinhardt Wendt als »Nordwesteuropäische Phase« bezeichnete Zeit, umfasst den Aufstieg der Kolonialmächte England und Frankreich sowie der Niederlande und Russlands. Die dargestellte Zeit dieses Kartentyps beginnt häufig mit dem Ende des Siebenjährigen Krieges (1756 -1763), sodass die daraus resultierenden französischen Gebietsabtretungen an Großbritannien bereits im Kartenbild vermerkt werden. Auch die zweite Welle geographischer Entdeckungen u.a. mit den Expeditionen von Abel Janszoon Tasman (1603-1659) und James Cook (1728-1779) werden hier im Rahmen territorialer Gewinne kartiert. Die zeitliche Begrenzung dieser globalen Darstellung wird meist um 1830/1850 festgelegt, unmittelbar vor dem Beginn des eigentlichen Hochimperialismus. Dieser Kartentyp ist somit Ausdruck einer zunehmenden Färbung der Welt durch die europäischen Kolonialmächte, wobei gerade die drei Haupttypen von Kolonien hier synchron nebeneinander im Kartenbild verortet sind. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Kartierte Kolonialgeschichte. Der Kolonialismus in raumbezogenen Medien historischen Lernens, von Mathias Renz.

Titel: Kartierte Kolonialgeschichte
Untertitel: Der Kolonialismus in raumbezogenen Medien historischen Lernens
Autor: Mathias Renz
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Göttingen, 2014
ISBN 9783525300473 / ISBN 978-3-525-30047-3
Kartoneinband, 16 x 24 cm, 341 Seiten, 51 Abbildungen

Renz, Mathias im Namibiana-Buchangebot

Kartierte Kolonialgeschichte

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Kartierte Kolonialgeschichte: Der Kolonialismus in raumbezogenen Medien historischen Lernens.