Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten, Teil 2, von Eckard Michels

Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten, Teil 2, von Eckard Michels.

Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten, Teil 2, von Eckard Michels.

Historische Legenden über Deutsche in der Fremdenlegion in der Zeit von 1870-1965 erfahren durch das Buch von Eckard Michels erstmals interessante Korrekturen und Relativierung. Dies ist Teil 2 des Auszuges.

Eckard Michels  

In Frankreich wie auch in den angelsächsischen Ländern hingegen hält der Strom von Veröffentlichungen über die Fremdenlegion an, wenn es auch bislang keine Studie gab, die sich dem spezifischen deutsch-französischen Aspekt des Themas gewidmet hat. Die verfügbare Literatur ist jedoch oft von ehemaligen Offizieren oder Legionären verfaßt, die der Söldnertruppe, der französischen Kolonialkriegführung und sich selbst ein Denkmal setzen wollen. Diese Literatur erschöpft sich in der Regel in ermüdenden, wenig aussagekräftigen Aufzählungen von Gefechten. Zwar hatten einige der Autoren wegen ihrer Legionsvergangenheit einen privilegierten Zugang zum ansonsten der Öffentlichkeit verschlossenen Archiv der Fremdenlegion im südfranzösischen Aubagne. Sie nutzten diesen aber meist nur zu einer verherrlichenden und wegen der begrenzten Quellenauswahl einseitigen Auslegung der Geschichte der Söldnertruppe.6 Jedenfalls blieben auf deutscher wie auf französischer Seite Objektivität und Faktentreue bei der Behandlung des Themas Fremdenlegion bislang zumeist auf der Strecke. Schließlich war es ausgerechnet ein britischer Historiker, der 1991 die erste wissenschaftlichen Ansprüchen genügende, auf Verklärung wie auf Verteufelung verzichtende Gesamtdarstellung zur Geschichte der Fremdenlegion vorgelegt hat.7 Die Deutschen wurden, seit sie im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 das erste Mal als spezifische Gruppe wahrgenommen worden sind, für die folgenden 90 Jahre quantitativ wie qualitativ die bei weitem wichtigste Nationalität in der Legion.

Sie waren aber zugleich für die Söldnertruppe und damit für Frankreich der potentiell größte Unsicherheitsfaktor. Auch wenn die vorliegende Studie sich vornehmlich dem Schicksal einer Nationalität in der Söldnertruppe widmet und die Bedeutung der Fremdenlegion für die deutsch-französischen Beziehungen aufarbeitet, ist sie gleichzeitig auch eine Geschichte der Söldnertruppe geworden. Denn man kann die Geschichte der Deutschen in der Fremdenlegion nicht angemessen darstellen, ohne die Gesamtentwicklung und die Herausforderungen militärischer wie politischer Art nachzuzeichnen, denen sich die französische Militärpolitik bis 1962 und damit auch die Fremdenlegion gegenübersah. Zudem ist das Schicksal der Deutschen in der Fremdenlegion häufig auch nicht von jenem der in ihr dienenden anderen Nationalitäten zu unterscheiden. Die Söldnertruppe löste meist erfolgreich ihren Anspruch ein, den Rekruten möglichst schnell seine Herkunft vergessen zu lassen und ganz auf die Legion als sein neues „Vaterland" einzuschwören.

Vor allem die umfangreichen Archivalien im französischen Heeresarchiv, dem Service Historique de l'Armee de Terre in Vincennes bei Paris, erlauben eine militärgeschichtliche, auf die Söldnertruppe und die französischen Kolonialkriege bezogene Annäherung an das Thema. Aus der militärgeschichtlichen Perspektive heraus soll vor allem untersucht werden, welche Rolle die Fremdenlegion tatsächlich in den französischen Kolonialkriegen spielte und wie wichtig dabei der Beitrag der Deutschen zu den französischen Kriegsanstrengungen in qualitativer wie quantitativer Hinsicht war. Es wird zugleich herausgearbeitet, vor welche politischen und militärischen Probleme sich zeitweilig die französische Führung durch das deutsche Kontingent in der Söldnertruppe gestellt sah und welche Kategorien von Deutschen bei der Anwerbung erwünscht bzw. unerwünscht waren. Ferner wird der Frage nachgegangen, ob die Anwerbungen auf freiwilliger Basis erfolgten und wie sehr sich die Deutschen während ihres Dienstes mit der Legion bzw. Frankreich identifizierten.

Die Überlieferungen in den deutschen Archiven, die zeitgenössische Literatur und Presseberichterstattung sowie die umfangreiche Memoirenliteratur ehemaliger Legionäre8 erlauben es auch, die ebenso wichtigen diplomatie-, sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Aspekte des Themas aufzuarbeiten: Vorrangig geht es dabei um die Frage, wie sehr die Fremdenlegion das deutsche Frankreichbild und die deutsch-französischen Beziehungen beeinflußte. Mit anderen Worten: Wie entstanden die Legenden um die Söldnertruppe, und wer instrumentalisierte in Deutschland die Fremdenlegion zur Verfolgung innen- wie außenpolitischer Zielsetzungen?

Was unternahm man von deutscher Seite auf innen- wie außenpolitischer Ebene gegen den Eintritt Deutscher in die Fremdenlegion und wie reagierte Frankreich auf die deutschen Maßnahmen? Außerdem wird untersucht, welche Sozialgruppen in Deutschland als besonders „legionsgefährdet" angesehen wurden, welches Schicksal die Heimkehrer aus der Legion in Deutschland erwartete und wie diese ihre Erfahrungen in der Söldnertruppe nach der Entlassung verarbeiteten. Den zeitlichen Rahmen für das Buch bilden die Jahre von 1870 bis 1965. Zwar ist die Fremdenlegion bereits 1831 gegründet worden, doch in den ersten vier Jahrzehnten ihrer Existenz spielten die Deutschen in der damals nie mehr als 7.000 Mann zählenden Truppe weder quantitativ eine herausragende Rolle, noch fielen sie sonderlich unter den anderen in der Legion vertretenen Nationalitäten auf.

Da es auf Deutsch bislang keine verläßliche Geschichte über die Fremdenlegion gibt, wird im ersten Kapitel ihre Entstehungsgeschichte kurz dargestellt. Um den Leser mit dem spezifischen Charakter der Söldnertruppe vertraut zu machen, wird er bereits hier an die Struktur und Aufgabenstellung der Fremdenlegion herangeführt. Eine Beschäftigung mit den Deutschen als spezifischer Gruppe innerhalb der Fremdenlegion und den Auswirkungen ihres Dienstes unter französischer Fahne auf die deutsch-französischen Beziehungen macht erst für den Zeitraum ab 1870 Sinn. Hier setzt das zweite Kapitel ein. Infolge des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 wurden die deutschen Legionäre erstmals von französischer Seite als potentieller Gefahrenherd angesehen.

Zugleich wuchsen aufgrund der damals einsetzenden kolonialen Expansion der Dritten Republik ab etwa 1880 die Bedeutung und der Bekanntheitsgrad der Fremdenlegion erheblich. Parallel dazu „entdeckte" die deutsche Öffentlichkeit um die Jahrhundertwende die Söldnertruppe. Man entfesselte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges regelrechte Kampagnen gegen sie. Diese standen zwar in vollkommenem Mißverhältnis zur militärischen Bedeutung dieser Truppe, prägten aber das Bild der Fremdenlegion bis in die fünfziger Jahre hinein in Deutschland nachhaltig. Das dritte Kapitel untersucht das Schicksal der deutschen Fremdenlegionäre im Ersten Weltkrieg. Es wird deutlich, daß in diesem deutsch-französischen Konflikt die Loyalität der Deutschen zur Söldnertruppe größer war als die zu ihrem Heimatland. In der Zwischenkriegszeit, von der das vierte Kapitel handelt, erlebte die Fremdenlegion eine erhebliche personelle Aufstockung.

Diese konnte nur mit Hilfe der Deutschen realisiert werden, die sich angesichts der wirtschaftlich wie politisch instabilen Lage Deutschlands in den zwanziger Jahren in großer Zahl meldeten. Erst die radikalen Maßnahmen der NS-Diktatur bewirkten, daß das deutsche Kontingent in der Legion ab 1933 schrumpfte. Das fünfte Kapitel stellt zunächst die Anwerbungen unter den bei Kriegsausbruch in Frankreich internierten Deutschen dar, die seit 1933 vor der Verfolgung in Deutschland geflohen waren. Es wird offensichtlich, daß die deutschen Flüchtlinge der Legion bzw. Frankreich keineswegs als Verbündete im Kampf gegen das Dritte Reich willkommen waren. Der zweite Teil des Kapitels schildert den Versuch Vichys, nach der Niederlage von 1940 alle jene deutschen Legionäre nach Deutschland abzuschieben, die als unzuverlässig galten.

Das sechste Kapitel befaßt sich mit den Anwerbungen unter den deutschen Kriegsgefangenen in den Jahren 1945 bis 1947. Es untersucht u.a., warum sich gerade um dieses Kapitel so viele Legenden in Deutschland gebildet haben. Dem Indochinakrieg ist das siebente Kapitel gewidmet. In ihm setzte die Legion mehr Soldaten ein als im Ersten oder Zweiten Weltkrieg. Nie war die militärische Bedeutung der Söldnertruppe, und damit auch jene der deutschen Legionäre, für die französischen Kriegsanstrengungen in Übersee größer als in den Jahren 1946 bis 1954. Aufgrund der günstigen Quellenlage ist es in diesem Kapitel auch möglich, das soziale Profil der damaligen deutschen Legionäre herauszuarbeiten.

Das achte Kapitel stellt zunächst die Bemühungen der vietnamesischen Befreiungsbewegung Viet Minh dar, insbesondere deutsche Fremdenlegionäre zum Seitenwechsel zu animieren. Es schildert sodann die Repatriierungen kriegsgefangener und übergelaufener deutscher Fremdenlegionäre in die DDR sowie die deutschlandpolitische Instrumentalisierung der Heimkehrer durch Ostberlin. Das neunte Kapitel widmet sich den französischen Anwerbungen in Westdeutschland zwischen 1945 und 1955 und ihren Rückwirkungen auf das deutsch-französische Verhältnis. Der Algerienkrieg, der letzte Kolonialkrieg Frankreichs, war zugleich der bislang letzte Konflikt, in dem die Fremdenlegion eine wichtige militärische Rolle spielte und gleichzeitig die Deutschen ein nicht zu ersetzendes Kontingent für die Söldnertruppe stellten. Er wird im zehnten Kapitel behandelt.

Die Bemühungen der Bundesregierung während des Algerienkrieges, ein Übereinkommen mit Frankreich in der Fremdenlegionsfrage zu erzielen, sowie das Engagement der DDR und der algerischen Befreiungsfront FLN auf diesem Gebiet werden im elften Kapitel aufgezeigt. Kapitel zehn und elf enden jeweils mit der 1962 einsetzenden erheblichen Verkleinerung der Fremdenlegion und dem plötzlichen Ausbleiben deutscher Freiwilliger. Das zwölfte Kapitel schließlich bilanziert für den gesamten Zeitraum von 1870 bis 1965 die Größe, die Qualität und die Erfahrungen des deutschen Kontingents in der Legion.

Die Nachkriegszeit wird besonders ausführlich behandelt und nimmt mehr als die Hälfte des Buches ein. Neben der quantitativen Dimension, insbesondere wegen der ca. 35.000 Deutschen, die in Indochina kämpften, sprach ein weiterer Grund dafür, den Schwerpunkt der Darstellung auf die Zeit nach 1945 zu legen: Die Anwerbungen in der französischen Besatzungszone und die Rekrutierung Minderjähriger vertrugen sich nicht mehr mit der nach 1945 angestrebten und tatsächlich erfolgten deutsch-französischen Annäherung und Aussöhnung. In der Zeit von der Jahrhundertwende bis 1945 hingegen war die Diskussion um die deutschen Söldner häufig nur ein propagandistischer Nebenkriegsschauplatz der ohnehin zumeist recht gespannten deutsch-französischen Beziehungen gewesen. Das Engagement der DDR in der Fremdenlegionsfrage sowie der Befreiungsbewegungen in den sich emanzipierenden französischen Kolonien taten jedoch ein übriges, um von bundesrepublikanischer Seite den Kontakt zu Frankreich zwecks Lösung des Problems zu suchen. Daher wird für die Periode des Indochina-und Algerienkrieges der außenpolitische Aspekt des Themas Deutsche in der Fremdenlegion jeweils in gesonderten Kapiteln behandelt.

Das Ende des Algerienkrieges ging einher mit einem raschen und anscheinend endgültigen Ende der beinahe ein Jahrhundert andauernden deutschen Dominanz in der Legion. Der Dienst Deutscher in der französischen Söldnertruppe, die seit Algerien nie mehr an größeren militärischen Konflikten in besonders exponierter Weise teilnahm, hat seit 1962/63 seine militärische wie politische Bedeutung verloren. Er hat auch nie mehr die Gemüter beiderseits des Rheins erhitzt. Kurzum, die Deutschen in der Fremdenlegion sind ein Thema für den Historiker geworden, ein hochinteressantes, bis auf den heutigen Tag.

Zurück zum ersten Teil dieses Auszugs:

Zum Inhaltsverzeichnis:

Fußnoten aus Deutsche in der Fremdenlegion:

5. Die aus dem Französischen übersetzte Anekdotensammlung von Paul Bonnecarrere, Frankreichs fremde Söhne. Fremdenlegionäre im Indochinakrieg, Stuttgart 1974 erschien 1995 bereits in der siebenten Auflage.

6. In Frankreich stehen hierfür vor allem die zahlreichen Veröffentlichungen zur Geschichte der Fremdenlegion bzw. einzelner ihrer Regimenter von den ehemaligen Legionsoffizieren Pierre Sergent, Erwan Bergot, Alain Gandy und Henri Le Mire. Aktuelle Beispiele für diese Art hagiographischer Legionsgeschichtsschreibung sind trotz vieler nützlicher Detailinformationen und Zahlenangaben die Bücher des Ex-Generals Jean Hallo, Monsieur Legionnaire. L'Hom- me et ses traditions, Paris 1994 und von Andre-Paul Comor, La Legion Etrangere, Paris 1992.

7. Douglas Porch. The French Poreign Legion. A Complete History, London/New York 1991. Französische Ausgabe: La Legion Etrangere 1831-1962, Paris 1994.

8. Obwohl Briten zu allen Zeiten weniger als l % der Legionäre gestellt haben, hat gerade diese Minderheit seit den zwanziger Jahren eine erstaunlich große Zahl informativer, distanzierter und mit dem Blick für das aufschlußreiche Detail geschriebener Erinnerungen hinterlassen. Sie erwiesen sich in der Regel nützlicher für die Rekonstruktion des Lebens in der Legion als die Memoiren deutscher Legionäre oder jener der zur Verherrlichung neigenden französischen Offiziere. Ein Grund für den hohen Informationsgehalt der britischen Memoirenliteratur dürfte der Umstand sein, daß die britischen Autoren bewußt aus Abenteuerlust und Neugierde in die Legion eingetreten sind, häufig mit dem festen Vorsatz, ihre Erfahrungen in der Söldnertruppe später in Buchform zu verarbeiten. Damit standen sie im Gegensatz zu den Legionären aus anderen Ländern, die keine schriftstellerischen Ambitionen hatten, sondern meist aus purer Not in die Legion getrieben worden waren. Vgl. u.a. Henry Ainley, In Order to Die. With the French Foreign Legion in Indochina, London 1955; Anthoney Delmayne, Sahara Desert Escape, London 1958; Colin John, Nothing to Lose. Five Years with the French Foreign Legion from Sidi-Bel-Abbes to Dien Bien Phu, London 1956; Addrian Liddell Hart, Strange Com- pany, London 1953; Simon Murray, Legionnaire 22.2.1960-12.2.1965, Paris 1984; Alfred Perrot-White, French Legionnaire, London 1953 und Brian Stuart, Par to Go, London 1955.

Dies ist Teil 2 des Auzuges aus dem Buch: Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten, von Eckard Michels.

Buchtitel: Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965
Untertitel: Mythen und Realitäten
Autor: Eckard Michels
Reihe: Krieg in der Geschichte, Band 2
Verlag: Ferdinand Schöningh
4. Auflage, Paderborn, München, Wien, Zürich 2002
ISBN-10: 3506757180
ISBN-13: 9783506757180
Kartoneinband, 16x24 cm, 362 Seiten, zahlreiche sw-Abbildungen

Michels, Eckard im Namibiana-Buchangebot

Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten

Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten

Historische Mythen über Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965 erfahren hier interessante Korrekturen.

Weitere Buchempfehlungen

Das Burenfreikorps von Deutsch-Südwestafrika 1914-1915

Das Burenfreikorps von Deutsch-Südwestafrika 1914-1915

Das Burenfreikorps von Deutsch-Südwestafrika 1914-1915: Aktivitäten von der Aufstellung des Burenfreikorps bis zu dessen Auflösung.

Karte Soldatengräber in Namibia von 1884 bis 1945

Karte Soldatengräber in Namibia von 1884 bis 1945

Karte der Soldatengräber von Schutztruppen- und Unionssoldaten in Namibia aus der Zeit von 1884 bis 1945.

Mikono ya damu: "Hands of Blood"

Mikono ya damu:

Mikono ya damu: Hands of Blood. African Mercenaries and the Politics of Conflict in German East Africa, 1888-1904.