09.07.2011

Südafrika war viel präsenter: Frauenfußball und die Weltmeisterschaft in Deutschland bleiben in Namibia ein Randthema

Die Girls Soccer League ist in Namibia eines der wenigen Fußballangebote für Mädchen- Hier die SKW-Stürmerin Janice Lohmann (re.) © Matthias Mockler

Die Girls Soccer League ist in Namibia eines der wenigen Fußballangebote für Mädchen- Hier die SKW-Stürmerin Janice Lohmann (re.) © Matthias Mockler

Den deutschen und den namibischen Frauenfußball trennen Welten, so sieht es Martin Brosda, Jugend-Koordinator und Manager des Sportklubs Windhoek (SKW). Die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland zeigt das deutlich: Als zweiter der Fifa-Weltrangliste spielen die deutschen Damen um den Titel, Namibia an Stelle 114 hat sich nicht einmal qualifiziert. WM und Frauenfußball sind im Land dennoch ein Thema, wenn auch ein exotisches.

Gebt Gas, ich will jetzt Tore sehn“, schreit Constanze. „Pssst, nicht so laut, wir fallen voll auf“, raunt ihr eine Freundin zu. Unter den Besuchern des Public Viewings im Goethezentrum von Windhoek stechen Constanze und ihre beiden Freundinnen, Imke und Monika, in der Tat heraus – und das nicht nur wegen ihrer lauten Kommentare. Auf die linke und rechte Wange haben sie sich Deutschlandfahnen gepinselt. Imke trägt einen schwarz-rot-goldenen Hut und einen Schal in den deutschen Nationalfarben, Monika schwenkt die Deutschlandfahne und Constanze trägt ein Trikot der Nationalmannschaft. Von den rund 25 anderen Besuchern zeigt keiner so deutlich, für welches Team er ist und auch die Anfeuerungsrufe halten sich in Grenzen. Erst als die drei Mädchen immer häufiger kreischen und Fachwissen von sich geben, tauen auch die anderen Fußballfans im Goethezentrum auf, fangen an, laut die Spielzüge der deutschen Frauen-Nationalmannschaft zu diskutieren.

„Fußball gemeinsam mit andern anzuschauen macht einfach mehr Spaß“, sagt Sabine Aquilini, Leiterin des Goethezentrums in Windhoek. „Es ist eine andere Atmosphäre, wenn man die Spiele in einer Gruppe und auf Großleinwand anschaut.“ Deshalb übertrage die Einrichtung alle Partien der deutschen Mannschaft sowie das Finale – mit oder ohne deutsche Beteiligung. „Während der Weltmeisterschaft der Herren im letzten Jahr haben wir versucht, alle Spiele zu zeigen. Wir haben aber schnell gemerkt, dass hauptsächlich die Deutschland-Partien gefragt sind“, sagt Sabine Aquilini. Für sie ein Grund, in diesem Jahr von vorne herein nur die Übertragung der Deutschland-Spiele anzubieten. „Dass wir keinen so großen Ansturm wie bei den Herren erleben, war uns von vornherein klar“, so Aquilini. Doch immerhin kamen an jedem Abend rund dreißig Zuschauer. Für das Viertelfinale am Samstag hofft die Leiterin des Goethezentrums auf 40 bis 45 Gäste. Darüber hinaus zeigt die Einrichtung während der Weltmeisterschaft Filme und Dokumentationen über Frauen-Fußball. „Fußball ist ja auch Kultur“, sagt Sabine Aquilini. Die Filme sollen diesen kulturellen Rahmen ergänzen.

Fußball-Frauen-WM in Deutschland, das stößt bei vielen Namibiern auf verhaltene Reaktionen. Das namibische Frauenteam hat sich nicht für die Teilnahme qualifiziert, Deutschland ist weit weg und Frauen-Fußball ist – wie in den meisten anderen Ländern der Welt – deutlich unpopulärer als die Männer-Variante. Auch Sybille Moldzio, Moderatorin beim deutschen Hörfunk der NBC, hat diese Erfahrung gemacht. Wie schon während der Herren-WM in Südafrika veranstaltet der Sender ein Tippspiel für seine Hörer. „Wer wird Weltmeister?“ lautet die Frage. Wer richtig tippt, kommt in den Verlosungstopf für zwei Preise. „Uns rufen schon Leute an und geben auch gerne ihren Tipp ab, im Vergleich zum letzten Jahr ist das aber ein Bruchteil“, sagt die Moderatorin der Morgensendung „Die Frühaufsteher“.

Getippt werden könne noch am heutigen Freitag während der Morgensendung zwischen 6.30 und 10 Uhr, am Nachmittag zwischen 12 und 13 Uhr und während des Feierabendmagazins zwischen 16 und 18 Uhr. „Mit den ersten Viertelfinals am Samstag endet die Möglichkeit zu tippen, die Gewinner werden am Montag nach der WM in der Morgensendung bekanntgegeben“, erklärt Sybille Moldzio. „Die Teilnehmerzahlen des Gewinnspiels zeigen schon, dass die Fußball-WM der Frauen hier in Namibia nicht so wichtig genommen wird“, so die Moderatorin.

Ortswechsel: Dienstagnachmittag auf dem Trainingsgelände des Sportklubs Windhoek. Martin Brosda bläst kurz in seine Trillerpfeife. „Girls, come together!“, ruft er. Zwölf Mädchen hören auf sein Kommando, versammeln sich um ihren Trainer. Fangenspielen zum Warmmachen, Runden laufen, Sprintübungen – bevor Fußball gespielt wird, lässt der Coach seine Mädchen erst einmal ordentlich an der Kondition arbeiten. Seit einigen Monaten trainiert der Sportmanager und Jugendkoordinator des SKW die Mädchenmannschaft des Clubs. Brosda ist auch Mitbegründer einer neuen Girls Soccer League.

„Der Frauenfußball in Namibia steckt noch in den Kinderschuhen“, sagt der Trainer. Während Frauenfußball in Deutschland schon deutlich weiterentwickelt sei, mangele es in Namibia an den grundlegendsten Dingen. „Zum Beispiel gibt es hier eine U15-Liga, aber was die da macht ist katastrophal. Die Tore sind für Jugendliche oft viel zu klein, die Plätze mies und die Organisation der Spieltage ebenfalls schlecht“, kritisiert Brosda. Für ihn ein Grund, die neue Mädchen-Liga zu gründen, in der Spielerinnen zwischen 14 und 18 Jahren spielen dürfen. „Dort sind wir die einzige Fußballmannschaft eines Sportclubs, die anderen sechs Teams spielen alle für Schulen“, so Brosda. Auch das zeige, wie weit der Weg für den namibischen Frauenfußball noch sei.

Um voranzukommen, müsse der Frauenfußball und vor allem die Jugendarbeit sehr viel organisierter werden. „Soweit ich es sehen kann, ist die Girls Soccer League hier die einzige Mädchenliga, die richtig funktioniert“, sagt der Jugendkoordinator. Seiner Ansicht nach sind es die Strukturen in den Verbänden, die es dem Frauenfußball in Namibia schwer machen. Und Martin Brosda hat für Windhoek noch ein weiteres Problem identifiziert: „Ich habe schon von vielen schwarzen Mädchen gehört, die gerne in unserer Mannschaft spielen würden, aber einfach keinen Fahrgelegenheit hierher kriegen.“ Viele von ihnen kämen aus Katutura und könnten sich das Taxi nach Olympia einfach nicht leisten. „Diese Mädchen beim SKW zu haben, würde die Qualität garantiert erhöhen“, ist sich Brosda sicher.

Für die meisten seiner Spielerinnen gilt die Formel: Frauenfußball auf dem Feld ja – anschauen eher nicht. „Von den namibischen Nationalspielerinnen kennen die Mädels, da bin ich mir sicher, keine einzige. Von den Deutschen vielleicht ein paar“, so der Trainer. Im Training seien ganz klar Trikots von Fußballern angesagt. Auch SKW-Spielerin Constanze, die am Dienstagabend zur Übertragung des letzten Vorrundenspiels der deutschen Damen ins Goethezentrum gekommen ist, sucht sich ihre Vorbilder lieber bei den Männern. „Manuel Neuer finde ich klasse“, sagt sie. Alles in allem schaue sie lieber die Spiele der Herren an. Trotzdem findet sie es diskriminierend, dass das Interesse der Namibier an der Frauen-WM so gering ist:

„Die WM der Männer in Südafrika war irgendwie viel präsenter. Wir haben letztes Jahr sogar für manche Spiele schulfrei bekommen. Für das Frauenturnier in diesem Jahr interessiert sich hier kaum jemand.“ Zusammen mit ihren zwei Freundinnen macht sie trotzdem das Beste draus. Beim 4:2 der deutschen Frauen gegen Frankreich können sie oft jubeln und in die Vuvuzela tröten. So euphorisch wie die Mädchen in der letzten Reihe des Übertragungsraums im Goethezentrum feiert keiner der anderen Gäste.

Matthias Mockler

Mit freundlicher Genehmigung der Allgemeinen Zeitung Windhoek-Namibia, veröffentlicht das Namibiana Buchdepot die Pressemeldung: Südafrika war viel präsenter: Frauenfußball und die Weltmeisterschaft in Deutschland bleiben in Namibia ein Randthema.

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