Namibia, Tsumeb: Aus den Briefen einer Namibianerin, von Ilse Schatz und Reinhard Balzer

Namibia, Tsumeb: Aus den Briefen einer Namibianerin, von Ilse Schatz und Reinhard Balzer.

Namibia, Tsumeb: Aus den Briefen einer Namibianerin, von Ilse Schatz und Reinhard Balzer.

Ortsgeschichte und Ereignisse in und um Tsumeb, Namibia gesammelt und berichtet über Jahrzehnte in Briefen und Tagebüchern der Namibianerin Ilse Schatz. In diesem Auszug schreibt Reinhard Balzer über den Otjikotosee.

Ilse Schatz  

Achtzehn Kilometer nördlich von Tsumeb liegt der Otjikotosee direkt an der B 1, der breiten, geteerten Straße, die von Windhoek über Tsumeb, durch das Ovamboland nach Angola führt. Er hat für die Region, aber auch für das Museum in Tsumeb in vielerlei Hinsicht eine große Bedeutung. Zusammen mit dem Guinassee, wenige Kilometer südwestlich gelegen, sind es die einzigen Seen in Namibia. Es sind beides mit Wasser gefüllte Karsthöhlen, deren Decken irgendwann einmal eingestürzt sind und nun auf dem Grund der Seen liegen. Der Otjikotosee ist zwischen zweiundsechzig und fünfundachtzig Meter tief und hat eine Oberfläche von ungefähr siebentausend Quadratmeter. Solange Menschen in dieser Region leben, dient er ihnen als Wasserreservoir. 1906, als erhebliche Probleme mit der Wasserversorgung auftraten, plante man eine Hochdruckleitung vom Otjikotosee in das achtzehn Kilometer südlich gelegene Tsumeb. Es sollten täglich fünfhundert Kubikmeter Wasser gepumpt werde. Dazu brauchte man eine komplette Wasserversorgungsanlage mit Pumpstation und Dampfkessel, die dann auch bei der Firma M. Neuhaus & Co. in Luckenwalde bestellt wurde. 1907 erreichte das erste Wasser die Verbraucher in Tsumeb. 1908 - 1909 fielen in Tsumeb fast 2000 Millimeter Regen, das hat es nie wieder gegeben.

1909 fiel die Wasserversorgung zum ersten Mal aus. In der Regenzeit war der Wasserspiegel des Sees so hoch angestiegen, dass die Pumpen unter Wasser standen und nicht mehr arbeiten konnten. Das Problem kam unvorbereitet, und die Reparatur gestaltete sich sehr schwierig. Erst am 3. März 1909 war die Anlage wieder betriebsbereit, und das Wasser floss wieder in Richtung Tsumeb. In den nun folgenden Jahren wurde die Wasserqualität immer schlechter. Eine Laboruntersuchung ergab schließlich, dass das Wasser nur noch in abgekochtem Zustand für den menschlichen Genuss verwendet werden durfte. Inzwischen hatte man auch versucht, im Otjikotosee eine Fischzucht einzurichten. Uber einen entsprechenden Erfolg wird nichts berichtet. Ende Juni 1915, der Krieg war für die deutsche Schutztruppe gegen die Engländer verloren, begann man, das ganze Kriegsmaterial, das im Raum Tsumeb gelagert war, Kanonen, eigene und erbeutete, Munition und sogar einen zugelöteten Tresor, im Otjikotosee zu versenken. Dies geschah unter größtmöglicher Geheimhaltung. Irgendwie hatten es die nachrückenden englischen Truppen erfahren und begannen im August 1915 mit der Bergung aus dem See. Bis Februar 1916 hatten sie fünf Kanonen, drei Maschinengewehre und einiges an Munition und Zubehör geborgen. Der größte Teil lag aber noch im See.

Erst ab 1970 begannen Taucher wieder, nach den versunkenen Schätzen im Otjikotosee zu suchen, die jetzt natürlich nur noch historischen Wert hatten und in einem Museum gut aufgehoben sind. Man konnte aber nur einen Munitionswagen (Protze) bergen, der sofort nach Windhoek gebracht wurde, um dort nach der Restaurierung im Staatsmuseum ausgestellt zu werden. Ab Oktober 1977 wurden die Tauchversuche fortgesetzt und intensiviert. Taucher vom Underwater Club Windhoek bargen im Dezember 1977 einen weiteren Munitionswagen Fabrikat Krupp Essen A/R Nr.3. Zu den Tauchern aus Windhoek gesellten sich auch zwei Tsumeber Sportler, Phillipus Oppermann genannt Oppies und Tulio van der Merwe. In den folgenden Jahren wurde regelmäßig weitergetaucht.

Am 13. Mai 1983 verunglückte Tulio schwer. Beim Bergen einer englischen Kanone verklemmte sich ein Arm in einer Drahtseilschlinge, er verlor seine rechte Hand. Nach seiner Genesung wurden die Bergungsarbeiten fortgesetzt. Man beschloss, das Kriegsmaterial selbst zu restaurieren und brachte alle Funde in einen Hangar der Minengesellschaft TCL. Bei den Restaurierungsarbeiten wurde Rob de Koning von Sepp Essl tatkräftig unterstützt, der als Flugzeugingenieur und Feinmechaniker die besten Vorraussetzungen für diese Arbeiten mitbrachte.

1984 war ein besonders erfolgreiches Jahr für die Bergungsarbeiten. Mehrere Kanonen wurden geborgen und kamen in den Hangar. Laut Berechnung von K. Möller aus Swakopmund liegen heute noch neunzehn Kanonen und ein Tresor im See. Inzwischen war so viel Kriegsmaterial aus dem See geborgen, welches unter allen Umständen in Tsumeb bleiben sollte, dass es erforderlich wurde, den Ausstellungsraum im Museum zu vergrößern. Der zusätzliche Raum sollte den Namen KHORABRAUM erhalten, so hatte es Rob de Koning vorgeschlagen. Am 26. März 1986 war es soweit, um 17.00 Uhr wurde der KHORABRAUM offiziell eröffnet.

Als Mineraliensammler wusste ich schon lange, dass dieses Land reich an Mineralen ist, und es viele Möglichkeiten gibt, schöne Stücke zu erwerben, aber auch selbst zu finden. Der so genannte Osterfund von Tsumeb im Jahre 1994 weckte mein Interesse und Neugierde. Man hatte bei Aufräumungsarbeiten untertage traumhaft schöne, für Tsumeb typische Kupferminerale gefunden, die in dieser Form, Schönheit und Menge eine Sensation darstellten. Das war der Anlass für meine erste Reise 1994. So führte mich meine Rundreise zuerst nach Tsumeb, und ich sah im Heimatmuseum der Stadt wunderschöne Minerale und Gegenstände, die zur Gewinnung von Erzen verwendet wurden. Die Geschichte des Bergbaues in Tsumeb ist eng mit dem Siegerland verbunden.

Viele Exponate in der Ausstellung brachten die Bergleute aus dem Siegerland zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit. Ich war sehr schnell in der Lage, Gemeinsamkeiten mit der Gegend zu finden, in der ich aufgewachsen war. Bekannte Namen tauchten auf, Kleidungsstücke und viele andere Ausstellungsgegenstände kamen mir bekannt vor. Anfang Januar 1910 trafen elf Siegerländer Bergleute in Tsumeb ein. Aus Herdorf August Mockenhaupt, Josef Schmidt, Albert Helmert, Emil Sandert, Johann Jörg, August Euteneuer, Wilhelm Böcher, Louis Molzberger und der Steiger Wilhelm Örter. Aus Neunkirchen kam Fritz Weber und Ernst Krumm aus Schutzbach. Sie unterstanden alle dem Obersteiger Lang aus Niederscheld im Dillkreis, Hessen.

Leider traf ich Frau Schatz nicht an. Da ich von Ihren Plänen, das Museum zu vergrößern, gehört hatte, schrieb ich ihr und bot meine Hilfe für die Zukunft an. Bei meinem nächsten Besuch in Tsumeb 1998 konnte ich sie leider wieder nicht sprechen, sie war erkrankt. So blieb es bei dem obligatorischen Museumsbesuch ohne Frau Schatz, die mir so gerne ihr Lebenswerk persönlich vorstellen wollte. Die Mine war inzwischen geschlossen worden und sollte liquidiert werden. Man verkaufte die Immobilien günstig an die vorangegangen Nutzer. Das Museumsgrundstück mit dem Ausstellungsgebäude wurde für einen symbolischen Preis an das Tsumeb Museum abgegeben. Am 1. April 1998 erreichte mich der erste optimistische Brief von Frau Schatz.

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Namibia, Tsumeb: Aus den Briefen einer Namibianerin, von Ilse Schatz und Reinhard Balzer.

Buchtitel: Namibia, Tsumeb, aus den Briefen einer Namibianerin
Autoren: Ilse Schatz; Reinhard Balzer
Herausgeber: Reinhard Balzer
Marburg, 2011
ISBN: keine gemeldet
Kartoneinband, 23x23 cm, 230 Seiten, zahlreiche Abbildungen

Schatz, Ilse und Balzer, Reinhard im Namibiana-Buchangebot

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