Hochadel und Kolonialismus im 20. Jahrhundert, von Jan Diebold

Hochadel und Kolonialismus im 20. Jahrhundert, von Jan Diebold. Böhlau-Verlag Gmbh. Wien Köln Weimar, 2019. ISBN 9783412500818 / ISBN 978-3-412-50081-8

Hochadel und Kolonialismus im 20. Jahrhundert, von Jan Diebold. Böhlau-Verlag Gmbh. Wien Köln Weimar, 2019. ISBN 9783412500818 / ISBN 978-3-412-50081-8

Dies ist ein Auszug der Einleitung zu 'Hochadel und Kolonialismus im 20. Jahrhundert' von Jan Diebold.

Am 27. April 1960 erklärte das westafrikanische Land Togo seine Unabhängigkeit vom französischen Kolonialreich. Wenige Wochen später empfing der junge Staat als einen seiner ersten internationalen Besucher einen bemerkenswerten Gast aus Deutschland: den 87-jährigen Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg (1873-1969), der während der Phase der deutschen Kolonialherrschaft Gouverneur von Togo gewesen war. Er unternahm seine Reise auf Einladung des togoischen Ministerpräsidenten Sylvanus Olympio und mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland. Dies erscheint vor dem Hintergrund der Biographie Adolf Friedrichs erklärungswürdig: Der bis 1918 in Mecklenburg regierenden Fürstendynastie entstammend, hatte er um die Jahrhundertwende als junger Mann das Kolonialreisen für sich entdeckt und eine Karriere als >Afrikaforscher< gestartet. Ab Juni 1912 stand er dann als Gouverneur an der Spitze der deutschen Kolonialverwaltung in Togo. Ein Amt, das er bereits zwei Jahre später infolge des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs aufgeben musste. In der Zeit der Weimarer Republik betätigte er sich in Deutschland als prominenter Vertreter der kolonialen Revisionsbewegung und trug seinen Teil zur Destabilisierung der Demokratie bei. Er näherte sich bereits Ende der 1920er Jahre der nationalsozialistischen Bewegung an und betrieb nach deren Machtübernahme Auslandspropaganda für das totalitäre Regime. Damit stand der Mecklenburger sowohl für den deutschen Kolonialismus und Imperialismus als auch für den Teil des Adels, der sich nach seiner politischen Entmachtung 1918 der völkischen Rechten angeschlossen hatte. Dadurch wirft seine Reise 1960 in mehrfacher Hinsicht Fragen auf. Denn in deutschen sowie in internationalen Debatten der Zeit erschien der ostelbische Adel unter dem Schlagwort des >Junkers< als Inbegriff autoritärer Herrschaft. Diese Teilgruppe des Adels, zu der auch die mecklenburgische Aristokratie zählte, galt als mitverantwortlich für die Übergabe der Macht an die nationalsozialistische Regierung. Die Bundesrepublik Deutschland definierte sich deswegen in Abgrenzung von dieser älteren Herrschaftsform als eine demokratische Gesellschaft gleichberechtigter Staatsbürger/-innen. Auch gegenüber der eigenen Kolonialvergangenheit ging der westdeutsche Staat demonstrativ auf Distanz. Denn nachdem als Folge der Niederlage im Ersten Weltkrieg das Deutsche Reich alle seine Kolonien an die Alliierten hatte abtreten müssen, entwickelte sich die revisionistisch gesinnte Kolonialbewegung zu einem einflussreichen republikfeindlichen Sammelbecken. Im Rahmen des Zweiten Weltkriegs hatten weite Teile dieser Bewegung den nationalsozialistischen Expansionskrieg unterstützt, in der Hoffnung auf die Rückeroberung der Kolonien. Es gehörte deswegen zu den Grundzügen westdeutscher Außenpolitik, auf jegliche Kolonialambitionen demonstrativ zu verzichten. Die Unterstützung für Adolf Friedrich erscheint vor diesem Hintergrund als ein ungewöhnlicher außenpolitischer Schritt. Darüber hinaus war es auch für einen sich gerade erst unabhängig erklärt habenden afrikanischen Staat keine Selbstverständlichkeit, einen ehemaligen Gouverneur als Ehrengast zu empfangen und damit positiv an die gemeinsame Kolonialgeschichte zu erinnern. Nur wenige Wochen nach dem Besuch des Mecklenburgers in Togo prangerte der erste Ministerpräsident des Kongo, Patrice Lumumba, während der Unabhängigkeitsfeierlichkeiten gegenüber einem anderen Hochadligen, König Baudouin I. von Belgien, ein »Regime der Unterdrückung und Ausbeutung« sowie »Massaker« an. Die togoische Regierung sah im Besuch Adolf Friedrichs aber eine Möglichkeit, um sich einerseits symbolisch von der französischen Kolonialmacht abzugrenzen und andererseits an die gemeinsame deutsch-togoische Geschichte anzuknüpfen. Sie betrachtete dies als ein Mittel, um internationale Beziehungen zur Bundesrepublik aufzubauen. Auch innerhalb der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft erfuhr die Person Adolf Friedrichs eine symbolische Aufladung. Er diente dort als Identifikationsfigur und stand für angeblich positive Traditionen sowie einen unbelasteten Nationalismus. Da er als Angehöriger des gut vernetzten europäischen Hochadels sowie als berühmter >Afrika-Experte< über ein ungebrochen gutes Ansehen im Ausland verfügte, traute ihm das Auswärtige Amt zu, die internationale Reputation Deutschlands zu verbessern. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Hochadel und Kolonialismus im 20. Jahrhundert, von Jan Diebold.

Titel: Hochadel und Kolonialismus im 20. Jahrhundert
Untertitel: Die imperiale Biographie des »Afrika-Herzogs« Adolf Friedrich zu Mecklenburg
Autor: Jan Diebold
Reihe: Quellen und Studien aus den Landesarchiven Mecklenburg-Vorpommerns, Band 21
Reihenherausgeber: Kathleen Jandausch, Matthias Manke, Martin Schoebel, Rene Wiese
Verlag: Böhlau-Verlag Gmbh
Wien Köln Weimar, 2019
ISBN 9783412500818 / ISBN 978-3-412-50081-8
Broschur, 17 x 24 cm, 342 Seiten

Diebold, Jan im Namibiana-Buchangebot

Hochadel und Kolonialismus im 20. Jahrhundert

Hochadel und Kolonialismus im 20. Jahrhundert

Hochadel und Kolonialismus im 20. Jahrhundert: Die imperiale Biographie des »Afrika-Herzogs« Adolf Friedrich zu Mecklenburg.