Erinnerungen eines sehr alten Tierarztes, von Dr. Gregor Proppe

Erinnerungen eines sehr alten Tierarztes, von Dr. Gregor Proppe. Selbstverlag Dr. Gregor Proppe. Buchdruckerei Huer & Klaas in Meppen, 1974

Erinnerungen eines sehr alten Tierarztes, von Dr. Gregor Proppe. Selbstverlag Dr. Gregor Proppe. Buchdruckerei Huer & Klaas in Meppen, 1974

Erinnerungen eines sehr alten Tierarztes. Im folgenden Auszug berichtet Dr. Gregor Proppe von seiner Ankunft in Deutsch-Südwestafrika im August 1913 und seinen ersten Eindrücken an seiner Dienststelle.

Gregor Proppe  

[...] Schon recht früh ging's am nächsten Morgen des 20.08.1913 zum Swakopmunder Bahnhof, um mit dem durchgehenden Zug nach Windhuk zu fahren. Das war schon ein Fortschritt und erst seit kurzem möglich. Früher brauchte man zwei Tage und mußte in Karibib übernachten. Jetzt gab es in Karibib nur eine kurze Mittagspause und dann ging's mit Volldampf weiter. Zum Speisewagen hatte es der Zug noch nicht gebracht. Gegen neun Uhr abends waren wir in Windhuk. Als ich ausstieg, hörte ich schon einen Mann, der am Zug entlanglief, meinen Namen rufen. Ich war dem Gouvernement schon vom Dampfer gemeldet worden, das einen Assistenten vom Serum-Institut Gammams beauftragt hatte, mich in Windhuk in Empfang zu nehmen. Das war mir natürlich sehr lieb, besonders, da er mich nach der Begrüßung zu einem soliden Abendessen im Rheinischen Hof einlud. Nach dem Essen ging es dann mit der mitgebrachten Karre, 6 Maultiere vor, in schlankem Galopp die 6 km nach Gammams, wo ich mit Sack und Pack in einem kleinen Häuschen, etwa 300 m neben den Institutsgebäuden, im Busch ausgeladen wurde. Allein gelassen, fühlte ich mich dort doch etwas einsam. Als dann in der Nähe des Hauses auch noch die Schakale anfingen zu bellen und ich feststellte, daß ich zwar Türen und Schlösser, aber keine Schlüssel am Hause hatte, hielt ich es doch für besser, erst mal die Koffer mit den Gewehren auszupacken. Am nächsten Tage waren dann die diversen Meldungen zu erledigen: bei Dr. Hans Sieber, dem Institutsleiter, beim Landestierarzt in Windhuk, beim Gouvernement und dem Leitenden Miiitärveterinär, wozu mir eine Karre und zwei Eingeborene vom Institut zur Verfügung gestellt wurden. Dann ging's an die Arbeit. Dr. Sieber gab mir von den Farmern eingesandtes Untersuchungsmaterial von kranken Tieren, das ich anhand der Fachliteratur bestimmen sollte. (Nachdem er es sich schon selber angesehen und bestimmt hatte). Nachdem ich mich nach 14 Tagen eingewöhnt und akklimatisiert hatte, wurde ich auch zur eigentlichen Institutsarbeit herangezogen. So wurde dort die Pockenlymphe, die für Erst- und Wiederholungsimpfungen in der Kolonie benötigt wurde, in Gammams angefertigt. Nach etwa drei Wochen wurde ich dann auch mal mit einem Windhuker Veterinär auf Pad geschickt, um einen Deckhengst zu kontrollieren, bei dem der Farmer rotzverdächtige Erscheinungen gemeldet hatte. Dazu benötigten wir zwei Tage für die Hin- und zwei Tage für die Rückreise, konnten aber auf Farm Hoffnung, die einen Übernachtungsbetrieb hatte, über Nacht bleiben. Den Farmer konnten wir beruhigen. Aber mit Anreise und Untersuchung des Hengstes war es Mittag geworden und wir hatten Hunger. Da wir nicht angemeldet waren, hatte der Farmer nicht geschlachtet und seine Schafe und Ziegen waren draußen im Feld auf der Weide. Er hatte aber ein Bassin mit Goldfischen, nahm seinen Käscher und holte damit ein oder zwei Dutzend Goldfische raus, um sie uns als Fischsuppe vorzusetzen. Und so bin ich, kaum ein paar Wochen in Südwestafrika, zu meiner ersten und einzigen Goldfischsuppe in meinem Leben gekommen. Anfang Oktober kam dann aus Keetmanshoop die Nachricht, daß Dr. vet. Arthur Lux, der Regierungstierarzt dieses Bezirks, durch neue Malariaanfälle so schwer erkrankt sei, daß er zur Wiederherstellung nach Deutschland zurück müsse. Am 14. Oktober ging es mit dem Zug nach Keetmanshoop ab, um ihn abzulösen. Als wir in Tses, der letzten Haltestelle vor Keetmanshoop ankamen, zogen in Richtung Keetmanshoop dunkle Regenwolken auf. Wir wurden bei der Weiterfahrt von einem Unwetter überrascht, wie ich es noch nicht erlebt hatte. Als wir in Keetmanshoop ankamen, hörte der Regen zwar auf, aber alle Wege und Stege vor dem Bahnhof, waren überschwemmt, so daß wir eine gute Stunde auf dem Bahnhof festsaßen, bis das Wasser sich einigermaßen verlaufen hatte. Auf telefonischen Anruf ließ mich der Bezirksamtmann mit einer Karre nach dem mir zugewiesenen, etwas höher gelegenen Haus am Kanonenberg bringen, wo ich sofort mit dem Auspacken meiner Koffer beginnen konnte. Keetmanshoop war in Feststimmung. Ich war am 15. Oktober 1913 angekommen, gerade rechtzeitig zur Jahrhundertfeier der Völkerschlacht bei Leipzig. Die hatte drei Tage gedauert, und so mußte auch die Erinnerungsfeier in Keetmanshoop ganz selbstverständlich drei Tage dauern. Und da diese patriotischen Feiern alkoholisch stark untermalt waren, war das ziemlich anstrengend. Aber die Keetmanshooper hatten in diesen Tagen auch noch andere Gründe zum Feiern. Anfang Oktober war man beim Bohren nach Wasser in 120 m Tiefe auf artesisches Wasser gestoßen. Mitte Oktober waren die Leitungen fertig gelegt, und auch mein Grundstück hatte eine Zapfsteile bekommen. Die Keetmanshooper waren nicht mehr auf das Wasser aus dem alten Sumpfloch angewiesen, das früher einmal zur Gründung von Keetmanshoop geführt hatte, und das schon lange nicht mehr zur Versorgung der immer größer werdenden Zentrale des Südens ausreichte, sondern sie hatten jetzt nicht nur ausreichendes, sondern auch zum ersten Mal absolut gesundes, klares Wasser. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Erinnerungen eines sehr alten Tierarztes, von Dr. Gregor Proppe.

Titel: Erinnerungen eines sehr alten Tierarztes
Autor: Dr. Gregor Proppe
Genre: Memoiren
Verlag: Selbstverlag Dr. Gregor Proppe
Buchdruckerei Huer & Klaas
Meppen, 1974
Originalbroschur, 15 x 21 cm, 93 Seiten, einige sw-Abbildungen

Proppe, Georg im Namibiana-Buchangebot

Erinnerungen eines sehr alten Tierarztes

Erinnerungen eines sehr alten Tierarztes

Erinnerungen des Tierarztes Dr. Gregor Proppe an die Provinz Posen, Deutsch-Südwestafrika, Timor und Ost-Java.