Einsam in Südwest, von Jürgen Leskien

Einsam in Südwest, von Jürgen Leskien. Verlag Neues Leben GmbH. Berlin, 1991. ISBN 3355012203 / ISBN 3-355-01220-3

Einsam in Südwest, von Jürgen Leskien. Verlag Neues Leben GmbH. Berlin, 1991. ISBN 3355012203 / ISBN 3-355-01220-3

Einsam in Südwest, von Jürgen Leskien. Aus dem Nachlaß des Eisenbahners Hermann Koppen, Beamter an der Strecke Swakopmund - Windhuk, Südwestafrika. Hermann Koppen ist eine literarische Figur. Nebenpersonen und Situationen sind erfunden. Die Authentizität der zitierten Zeitdokumente ist verbürgt.

Jürgen Leskien  

ERSTES BUCH

Der erste Tag nach meinem Erwachen

Ich weiß nicht, welches Datum wir heute schreiben und wie lange ich geschlafen habe. Es ist sehr heiß, obwohl es nur wenige Meter bis zum Meer sind. Unter den angeschwemmten Sachen, die die Eingeborenen in die Hütte getragen hatten, wo sie mir mit Gesten bedeuteten, daß dies alles mir gehöre, fand ich ein Heft mit festem schwarzem Deckel. Wie durch ein Wunder steckten die Stifte noch in meiner Jackentasche, auch der silberne Drehbleistift, den mir Vater nach der Gesellenprüfung geschenkt hatte, gekauft vom Ersparten. Die Schwarzen machen mir Angst, aber sie geben mir Fisch zu essen und klares Wasser zu trinken, überall bloße Brüste, und das andere ist auch nur spärlich bedeckt. Ich werde meine Beobachtungen in dieses Heft schreiben. Wenn man mich verschleppt, bleibt vielleicht das Heft erhalten und trägt zu meiner Rettung bei. Ich kann nicht glauben, daß es Mutter nicht mehr gibt und Vater ertrunken sein soll. Ich sehe noch Mutters erhobenen Arm. Die Planke war zu klein, um uns alle zu halten. Aber wenn die Fischer mich noch rechtzeitig gefunden haben, warum dann nicht auch Mutter und Vater und all die anderen der Nanny?

Der zweite Tag nach meinem Erwachen

Seit dem frühen Morgen herrscht unter den Schwarzen große Aufregung. Ein alter Mann hat meinen Leib befühlt und dabei ununterbrochen vor sich hin gemurmelt. Zwei Frauen haben dann meinen geprellten Rücken mit klebrigem Fett eingerieben. Als sie fertig waren, mußte ich mich übergeben. Ich fühle mich sehr elend und möchte nur schlafen. Ob die Männer der Schutztruppe schon nach uns suchen?

15 Januar 1894: Es ist sicher die Wahrheit, wenn Vater Tanneberg sagt, der Herr habe mir ein neues Leben gegeben, wie könnte ich sonst bei den Missionaren auf Obongo sein.

16 Januar 1894: Vater Tanneberg sah, wie ich im schwarzen Heft schrieb. Er lobte mich und meinte, ich solle es ruhig zur Gewohnheit werden lassen, für die, die nach uns hier sein werden, denn wir stehen noch ganz am Anfang. Von nun an werde ich das Wichtigste vom Tage notieren und auch sonst alles zusammenhalten, was von unserem Leben auf neugewonnener Scholle kündet. Ich sehe es auch als meine Pflicht nach dieser wundersamen Rettung. Sie sagen, einem jungen Mann in meinem Alter, mit dieser eisernen Gesundheit, mit solch einem Beruf, dem ständen in Südwest alle Wege offen, wenn er sich nur rechtschaffen mühe. Sie müssen es ja wissen, die Leute um Vater Tanneberg, sie sind ja schon so lange hier. Vater und Mutter war es nicht vergönnt, ich aber werde siedeln, hier mein Heim einrichten. Ein Haus aber später bauen, jetzt kann ich erst einmal bei Vater Tanneberg bleiben, in der Mission, sobald ich mich erholt habe, als Schmied nützlich sein. Trotz meiner siebzehn Jahre, denke ich. Die Ausübung unserer Schutzherrlichkeit über so ausgedehnte, in unwirtlichen Regionen gelegene Gebiete, deren Einwohner ja wirklich keine besonders sympathischen Gefühle in uns Deutsche erwecken können, ist für uns eine kulturell hohe Aufgabe. So ungefähr Vaters Worte. Die dunkle Wohnung in der Kleiststraße war fast vergessen und auch die Sorge, in der Not Herbert vielleicht aus der Lehre nehmen zu müssen. Wir hatten alle an der Reling gestanden, Vaters Arm lag auf den Schultern der Mutter. Die Sonne stand tief, am Horizont zeichnete sich als schmaler Streif Land ab, von dem der Erste Offizier meinte, daß es Südwest sei. Dann kam der Sturm. Als lehnten sich fremde Götter gegen unsere Ankunft auf. Aber Vaters Wort gilt, da ich die erste schlimme Heimsuchung überstanden habe. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Einsam in Südwest, von Jürgen Leskien.

Titel: Einsam in Südwest
Autor: Jürgen Leskien
Genre: Namibia-Roman
Verlag: Verlag Neues Leben GmbH
Berlin, 1991
ISBN 3355012203 / ISBN 3-355-01220-3
Original-Kartoneinband, Original-Schutzumschlag, 13 x 21 cm, 181 Seiten

Leskien, Jürgen im Namibiana-Buchangebot

Einsam in Südwest

Einsam in Südwest

Einsam in Südwest ist ein historisierender Tagebuchroman um einen deutschen Bahnwärter zu Zeiten Deutsch-Südwestafrikas.

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