Wie ich Südwestafrika sah, von Paul Hermann
Wie ich Südwestafrika sah: Reisetagebücher des deutschen Geologen Paul Hermann von 1906 bis 1908.
Reise nach Gobabis
Mein Windhuker Aufenthalt ist nur von kurzer Dauer und dient nur dazu, mich wieder beritten zu machen. Kaum habe ich meine Berichte beendet, da plane ich auch schon eine neue Reise. Zunächst möchte ich die Kalaharisteppe kennenlernen. Ich nehme zum Vorwand, die Formationen von Gibeon weiter nach Norden verfolgen zu müssen. Und das Gouvernement genehmigt meinen Plan. Aber bevor es ans Reisen gehen kann, muß alles gut vorbereitet und vor allem gute Pferde beschafft werden. Leider war ich bei der allgemeinen Zuteilung von Pferden noch in Gibeon und mußte jetzt zusehen, was an gutem Material noch vorhanden war. Da war ein noch nicht zugerittenes Pferd — ich hätte es mir gerne durchgearbeitet, aber nach drei Wochen wurde es für einen anderen Zweck zurückgenommen. Schon wollte ich eigene Pferde kaufen - aber ein Gouvernements-Erlaß hinderte mich am Erwerb. Schließlich mußte ich mich doch dazu verstehen, Gouvernementstiere anzunehmen. Genau so sah es mit Maultieren aus und der Zeitpunkt der Abreise wurde hinausgezögert. Endlich kommt der ersehnte Tag heran. Es ist der 10. September. Eine Maultierkarre mit sechs Maultieren und zwei Reitpferden bilden meine Karawane. Hierzu drei Hereros. Noch in letzter Minute fast drängte der Windhuker Bezirksamtmann darauf, daß ich einen Polizeisergeanten mitnehmen sollte, der Sicherheit halber. Es gab in den letzten Tagen noch genug ärgerliche Angelegenheiten, und ich war froh, endlich von Windhuk fortzukommen. Leider ist mit des Geschickes Mächten kein ew'ger Bund zu flechten, und das Unglück schreitet schnell: In Klein-Windhuk erreichte es mich in Gestalt eines Deichselbruches — und endlich erhalte ich die von mit schon vom Anfang an angeforderte Federkarre. Das Maultiermaterial ist sehr schlecht, aber es geht fort, und das ist die Hauptsache. Diesmal geht es über Kapps Farm nach Neudamm, der Regierungsfarm mit einem Stauweiher. Im Logierhaus erhalte ich Unterkunft, und die gute Milch, die ich als Willkommenstrank bekomme, mundet prächtig. Leider muß ich wieder einmal feststellen, daß Südwestafrika das Land der Übertreibung sein kann. Ich komme gegen Abend nach einem Bummel in die Umgebung ins Quartier zurück — aber was muß ich sehen! Die Wände des Zimmers sind mit schwarz und rot gepunkteten und gestreiften Blattwanzen überdeckt. Meine Decken laufen förmlich fort. Millionen dieser Tiere sind im Zimmer anwesend, und draußen wird das Haus von noch größeren Scharen belagert - das kann eine schöne Nacht geben. Zunächst versuche ich es mit Gegenzug, d.h. es werden gegenüberliegende Fenster geöffnet - und siehe da, als das erste kühle Lüftchen säuselt, erhebt sich ein Schwärm nach dem andern und verläßt mit Protest das Lokal. Noch seßhafte Kompanien werden mit Handtüchern hinausgewedelt. Endlich ist das Schlafgemach frei, und ich habe Ruhe. Am Morgen sehe ich auch am Hause keine Spur mehr von diesen Tieren. Sie kommen und gehen, und niemand kennt das Woher und Wohin. Meine Reise wollte ich möglichst am Weißen Nossob entlang fuhren bis etwa Witvley und dann nach Gobabis abbiegen. Zunächst geht der Weg in einem 150 m breiten Rivier endang. Auf dem festen Boden zieht auch die Karre flott durch. Dann aber treten wir in ein etwa 500 m breites Rivier ein. Wir müssen durch schweren Sand, und die Maultiere versagen allmählich. Endlich sind wir in Otjituesu. Das dortige Wasserloch im Rivier hat wohl Wasser genug für meine Tiere, aber für uns Menschen lege ich schnell ein neues Loch an und erhalte schon in 50 cm Tiefe gutes, klares Wasser in reichlichen Mengen. Nachdem sich die Maultiere einigermaßen erholt haben, geht es weiter bergauf, bergab, immer am Rivier entlang. [...]
Dies ist ein Auszug aus: Wie ich Südwestafrika sah. Reisetagebücher eines deutschen Geologen 1906-1908, von Paul Hermann.
Titel: Wie ich Südwestafrika sah
Untertitel: Reisetagebücher eines deutschen Geologen 1906-1908
Autor: Paul Hermann
Genre: Südwestafrika-Memoiren
Verlag: Klaus Hess Verlag
Göttingen; Windhoek 2002
ISBN 3933117208 / ISBN 3-933117-20-8
Originalbroschur, 15 x 21 cm, 147 Seiten, 12 sw-Abbildungen
Hermann, Paul im Namibiana-Buchangebot
Wie ich Südwestafrika sah
Reisetagebücher eines deutschen Geologen 1906-1908: 'Wie ich Südwestafrika sah'.