Verflochtene Mission. Perspektiven auf eine neue Missionsgeschichte, von Linda Ratschiller und Karolin Wetjen

Verflochtene Mission. Perspektiven auf eine neue Missionsgeschichte, von Linda Ratschiller und Karolin Wetjen. Böhlau Verlag GmbH & Cie. Köln, Weimar, 2018. ISBN 9783412509378 / ISBN 978-3-412-50937-8

Verflochtene Mission. Perspektiven auf eine neue Missionsgeschichte, von Linda Ratschiller und Karolin Wetjen. Böhlau Verlag GmbH & Cie. Köln, Weimar, 2018. ISBN 9783412509378 / ISBN 978-3-412-50937-8

Verflochtene Mission. Perspektiven auf eine neue Missionsgeschichte; Ansätze, Methoden und Fragestellungen einer neuen Missionsgeschichte von Linda Ratschiller und Karolin Wetjen.

Mit der Einladung zum Jahresfest 1897 verschickte die Leipziger Missionsgesellschaft eine Anlage: »Thesen betreffend des Verhaltens der Beschneidung gegenüber«. Diese Thesen, die eine Diskussionsgrundlage dafür bilden sollten, wie mit Beschneidungspraktiken und -ritualen im ostafrikanischen Missionsgebiet der Gesellschaft umzugehen sei, kreisten im Wesentlichen um die Frage, ob man die Beschneidung als religiös, und damit als »heidnisch«, einordnen solle oder ob sie lediglich eine »Volkssitte« sei und als solche in Teilen von Missionaren im Missionsgebiet geduldet werden könne. Die Thesen waren einerseits auf der Grundlage von Erkundigungen von Missionaren zu den Beschneidungspraktiken im Missionsgebiet entstanden, die diese bereits ein halbes Jahr zuvor an den Direktor gesandt hatten und die ihrerseits auf Auskünften von Christinnen und Christen im Missionsgebiet beruhten. Andererseits hatte der Leipziger Missionsdirektor Experten anderer Missionsgesellschaften um ihr Urteil gebeten. Eine Diskussion der Thesen fand zunächst in den einzelnen Missionsvereinen statt, die die Leipziger Mission unterstützten und deren Mitglieder zur Bewertung vermutlich auf Wissen über Afrika zurückgriffen, das sie durch Ausstellungen, Missionszeitschriften und Fotos gewonnen hatten. Nach einer lebhaften Debatte auf der Generalversammlung der Missionsgesellschaft wurden die Thesen erneut den Missionaren vorgelegt, die sie wiederum anhand ihrer ethnografischen Forschungen und dem, was sie von lokalen Intermediaries erfahren hatten, prüften. Doch damit nicht genug : Die Thesen blieben auch über das Jahr 1897 hinaus Gegenstand von Debatten in Europa und im Missionsgebiet, wo sie immer wieder von den mittlerweile gewählten Vertretern der Missionsgemeinden verhandelt wurden. Obwohl die Leipziger Missionsgesellschaft und mit ihr andere protestantische wie katholische Missionsgesellschaften, Anthropologen und Kolonialärzte noch in den 1930er Jahren über afrikanische Beschneidungspraktiken, ihre mögliche Abschaffung oder Duldung stritten und die Diskussion 1897 damit quasi ergebnislos verlief, ist die Episode für die Missionsgeschichte dennoch aufschlussreich: Sie ermöglicht erstens einen Blick auf die verschiedenen Akteure, die sich am Projekt »Mission« beteiligten. Missionarinnen und Missionare ebenso wie die Mitglieder der Missionsgemeinden in Übersee waren nur ein Teil der Mission. Hinzu kamen chiefs und andere Autoritäten in Afrika und Asien, Kolonialbeamte verschiedener Kolonialmächte, Händler und Wissenschaftler, Ärzte, Theologen oder Ethnologen, aber auch Missionsdirektoren und Leitungsgremien der Missionsinstitutionen, Mitglieder von Missionsvereinen, Spenderinnen und Spender in Europa. Eine Analyse der Beschneidungsdebatte beleuchtet zweitens die verschiedenen Netzwerke und Räume, in denen die Mission agierte. Missionsgesellschaften verbanden Orte und Menschen in Indien, der Südsee, Afrika und Europa in einem Missionsraum. Über ihre Netzwerke, die von Informanten über Kolonialbeamte bis hin zu Wissenschaftlern und Politikern reichten, entstanden und zirkulierten Wissensbestände, die ständig neu ausgehandelt und verändert wurden. Missionsverlage gaben eine ganze Reihe von Zeitschriften, Postkarten und Kalendern heraus, über die Vorstellungen vom Außereuropäischen transportiert wurden: Missionsausstellungen, die mit Völkerschauen und Kolonialausstellungen konkurrierten, zogen ein weites Publikum an. Objekte, Fotografien und Karten aus dem Missionsgebiet wanderten in völkerkundliche Sammlungen, ebenso wie Waren, Gebrauchsgegenstände und Bibeln ins Missionsgebiet transportiert wurden. Debatten wie die Beschneidungsdebatte wurden drittens über die Grenzen einer Missionsgesellschaft hinweg geführt. Sie verweisen auf gesamtgesellschaftliche Konflikte, bei denen es keineswegs nur um das koloniale Andere ging, sondern vor allem auch um das Eigene. Im Kontext der Mission entstanden immer wieder grundlegende Auseinandersetzungen über religiöse Werte, kulturelle Identitäten und soziale Fragen. Solche Debatten, wie sie z. B. um den Schulunterricht, die Frage der Hygiene, das Verhältnis zum Kolonialstaat oder Polygamie geführt wurden, weisen also über die Untersuchung einer einzigen Missionsgesellschaft hinaus. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Verflochtene Mission. Perspektiven auf eine neue Missionsgeschichte, von Linda Ratschiller und Karolin Wetjen.

Titel: Verflochtene Mission
Untertitel: Perspektiven auf eine neue Missionsgeschichte
Herausgeber: Linda Ratschiller; Karolin Wetjen
Verlag: Böhlau Verlag GmbH & Cie
Köln, Weimar, 2018
ISBN 9783412509378 / ISBN 978-3-412-50937-8
Gebunden, 16 x 24 cm, 248 Seiten, 9 s/w-Abbildungen

Ratschiller, Linda und Wetjen, Karolin im Namibiana-Buchangebot

Verflochtene Mission. Perspektiven auf eine neue Missionsgeschichte

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Verflochtene Mission. Perspektiven auf eine neue Missionsgeschichte, unter Berücksichtigung des Aspekts der Verflechtungsgeschichte.