Postkoloniale Gegenbilder, von Fabian Lehmann

Postkoloniale Gegenbilder. Künstlerische Reflexionen des Erinnerns an den deutschen Kolonialismus in Namibia, von Fabian Lehmann. Basel Southern Africa Studies, Vol. 13. Basler Afrika Bibliographien. Basel, Schweiz 2021. ISBN 9783906927275 / ISBN 978-3-906927-27-5

Postkoloniale Gegenbilder. Künstlerische Reflexionen des Erinnerns an den deutschen Kolonialismus in Namibia, von Fabian Lehmann. Basel Southern Africa Studies, Vol. 13. Basler Afrika Bibliographien. Basel, Schweiz 2021. ISBN 9783906927275 / ISBN 978-3-906927-27-5

In Postkoloniale Gegenbilder beschreibt Fabian Lehmann künstlerische Reflexionen des Erinnerns an den deutschen Kolonialismus in Namibia.

Landschaft des Vergessens: Shark Island

Ich möchte im zweiten Teil dieses Kapitels einen konkreten Raum im südlichen Namibia vorstellen, der über die einheitliche Erscheinung der Landschaft und die historische Tiefe des Ortes verfügt; der Teil einer Stadt ist, aber in seiner peripheren Lage Assoziationen an das ländliche Namibia evoziert; der als Gedenkplatz fungiert, dessen Geschichte aber vergessen ist. Aufgrund dieser Ambivalenzen verkörpert die Halbinsel Shark Island als Teil der Stadt Luderitz an der südlichen Atlantikküste Namibias einen Gegenort zu den von Förster und anderen beschriebenen Erinnerungslandschaften und verdeutlicht die potenzielle Komplexität der Beziehung zwischen Landschaft und Gedächtnis. Auf dem während der deutschen Kolonialzeit als „Haifischinsel" benannten Teil von Luderitz existierte während des deutsch-namibischen Krieges zwischen 1904 und 1907 ein Konzentrationslager, in dem Afrikaner*innen aus weiten Teilen der Kolonie interniert wurden. Zu jener Zeit war die heute in die Stadt Luderitz integrierte Landzunge tatsächlich eine Insel und lediglich über eine Brücke mit dem Festland verbunden. Die etwa eineinhalb Kilometer lange Halbinsel verläuft in Nord-Süd-Richtung parallel zur Küste. Erst nach der deutschen Kolonialzeit ist zwischen Festland und Insel eine dauerhafte Verbindung aufgeschüttet und durch die dazu gewonnene Landfläche der Hafen von Luderitz erweitert worden. Diese Halbinsel ließe sich bezüglich ihrer Vergangenheit am ehesten als traumatischer Ort fassen. Nur mangelt es ihr als potenzieller Trägerin dieser Bezeichnung an einem entscheidenden Merkmal, denn der gewaltvollen Vergangenheit der Halbinsel wird nicht gedacht. In erheblichem Gegensatz zu ihrer historischen Bedeutung und Bekanntheit als gefürchtetes Gefangenen- und Arbeitslager ist die Geschichte der Halbinsel heute größtenteils vergessen. Ähnlich wie die Berliner Gestapo-Zentrale vor deren Aufarbeitung zum Dokumentationszentrum liegt die Vergangenheit Shark Islands bis heute verschüttet und dringt nicht an die Oberfläche. In Abgrenzung zur Erinnerungslandschaft bietet es sich daher an, von einer „Landschaft des Vergessens" zu sprechen. Dieser Begriff soll verdeutlichen, dass es sich nicht etwa um eine Landschaft handelt, der für das gruppenbezogene Erinnern keine Bedeutung zukäme. Denn Shark Island verfügt durchaus über Charakteristika einer Erinnerungslandschaft. Auf der Halbinsel befindet sich räumlich konzentriert eine Anzahl identitätsstiftender Denkmäler. Es tut sich aber ein deutlicher Bruch zwischen den auf Shark Island zentral platzierten Denkmälern und der tatsächlichen Geschichte der Halbinsel auf. So ist das Potenzial der Halbinsel als eine Landschaft, in der sich Trauma und Trauer dauerhaft an einen konkreten Ort binden können, bislang nicht in die Realität kollektiver Erinnerungspraxis übersetzt worden.

Die Geschichte Shark Islands: Das Konzentrationslager

Im Gegensatz zu der prosperierenden Hafenstadt Swakopmund stagnierte die Entwicklung der historisch als „Lüderitzbucht" bekannten Stadt Luderitz im späten 19. Jahrhundert. Das auf der gleichen geografischen Breite wie Windhoek gelegene Swakopmund verfügte über sowohl wirtschaftlich als auch klimatisch günstigere Ausgangsbedingungen. Es war und ist die direkte Verbindung der Hauptstadt zum Atlantik und den damit verbundenen Seewegen nach Europa. Zugleich ist Swakopmund, dem mitteleuropäischen Klima ähnlich, bis heute ein bei nationalen Urlauber*innen, Rentner*innen und internationalen Touristinnen beliebter Erholungsort. Die infrastrukturelle und wirtschaftliche Bedeutung von Luderitz hingegen, das weitab der Hauptstadt im Süden der Kolonie liegt, beschränkte sich auf die Fischerei und den Abbau von Guano auf den Inseln vor der Küste. Die klimatischen Bedingungen machten die Besiedelung der Bucht für die Europäerinnen zu einer Herausforderung, insbesondere vor dem Hintergrund der technischen Möglichkeiten um 1900. Trinkwasser war aufgrund des äußerst geringen Niederschlags rar und die Lage zwischen den Ausläufern der Namibwüste auf dem Festland und dem Atlantik mit dem kalten Benguela-Strom vor der Küste verursacht über die Mehrzahl der Tage des Jahres einen stetigen und starken Wind, der nicht selten den Sand der Wüste mit sich und in die Augen treibt. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Postkoloniale Gegenbilder, von Fabian Lehmann.

Titel: Postkoloniale Gegenbilder
Untertitel: Künstlerische Reflexionen des Erinnerns an den deutschen Kolonialismus in Namibia
Reihe: Basel Southern Africa Studies, Vol. 13
Autor: Fabian Lehmann
Verlag: Basler Afrika Bibliographien
Basel, Schweiz 2021
ISBN 9783906927275 / ISBN 978-3-906927-27-5
Broschur, 17 x 24 cm, 474 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen

Lehmann, Fabian im Namibiana-Buchangebot

Postkoloniale Gegenbilder

Postkoloniale Gegenbilder

Postkoloniale Gegenbilder: künstlerische Reflexionen des Erinnerns an den deutschen Kolonialismus in Namibia.