Perspektiven 2016 / Afrikanischer Heimatkalender 2016, Die deutschsprachigen Namibier: Weiße Afrikaner oder Fremde im eigenen Land?

Perspektiven 2016 / Afrikanischer Heimatkalender 2016, Die deutschsprachigen Namibier: Weiße Afrikaner oder Fremde im eigenen Land? Informationsausschuss der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia DELK. Windhoek, Namibia 2016. ISBN 9789991686844 / ISBN 978-99916-868-4-4

Perspektiven 2016 / Afrikanischer Heimatkalender 2016, Die deutschsprachigen Namibier: Weiße Afrikaner oder Fremde im eigenen Land? Informationsausschuss der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia DELK. Windhoek, Namibia 2016. ISBN 9789991686844 / ISBN 978-99916-868-4-4

Aus dem Jahrbuch Perspektiven 2016, ehemals Afrikanischer Heimatkalender, das 2016 das Thema dere deutschsprachigen Namibier diskutiert und ob diese Weiße Afrikaner oder Fremde im eigenen Land seien, folgt als Auszug ein Interview mit Rupert von Francois.

Leben zwischen zwei Welten Ein Interview von Achim Gerber mit Rupert von Francois

Herr von Franqois, Sie haben einen in Namibia sehr bekannten Namen und Ihr Urgroßvater Curt von Francois steht in Bronze gegossen neben der Stadtverwaltung Windhoeks. Ihre Wurzeln sind spannend...

Ja, ich bin ein Urenkel des Landeshauptmanns Curt von Francois. Mein Urgroßvater war mit einer Damara-Prinzessin, Amelie Gereses, verheiratet. Meine Großmutter Josephine hat nie geheiratet, deshalb ging der Name auf meinen Vater über. Gideon heiratete meine Mutter Eva Gaes. Sie war auch ein Mischlingskind mit einem deutschen Vater und einer Damara Mutter.

Seit Ihrer Geburt leben Sie zwischen zwei Welten: Damara/Nama mit Afrikaans und Deutsch. Welche Kultur, welche Sprache ist Ihnen näher oder kann man das gar nicht so sagen und hat beides seinen bleibenden Wert gefunden?

Ich bin 1949 geboren und bin auf der Alten Werft aufgewachsen. Afrikaans war zu diesem Zeitpunkt die Sprache, in der ich erzogen wurde. Damara wurde nur gelegentlich gesprochen, aber vieles aus der Damarakultur steckt in mir, wie zum Beispiel die Musikalität, diese hat bei den Damara mit ihrer Sprache zu tun. Wobei man sagen muss, dass die Damara sich bis heute vieles erhalten haben, ihre Musik und ihre Kultur. Wenn sie unter sich sind, kommt das zum Vorschein. Ich habe aber auch starke deutsche Wurzeln. Ich bin Tischlermeister. Ich brauche die Genauigkeit, und in der deutschen Sprache fühle ich mich heimisch. Beide Wurzeln haben ihren bleibenden Wert und machen mich zu dem, was ich bin.

Sie sind Wanderer zwischen zwei Welten. Haben 20 Jahre in Deutschland gelebt...

Das kam so: Mit dem evangelischen Missionsbeauftragten Fritz Schneider war ich mit einer Gruppe junger Blechblasschüler 1969 ein Jahr in Deutschland auf Tournee. Wir machten durch Konzerte und mit einem Laienspiel auf die Situation zu Hause in Namibia aufmerksam. Die Apartheidsgesetze griffen ja voll zu und betrafen auch mich. Die Rheinische Mission finanzierte meine Weiterbildung und ich konnte mit Hilfe eines Stipendiums Innenarchitektur studieren, habe dann aber beschlossen, eine Tischlerlehre zu absolvieren. Danach habe ich noch meinen Meister gemacht und arbeitete bis 1992 in Deutschland. Meine damalige Frau drängte mich dann aber dazu, Namibia zu bereisen. 1990 war ja die Zeit des Umbruchs.

Mit welchen Gefühlen sind Sie damals ins unabhängige Namibia zurückgekehrt?

Mit sehr gemischten Gefühlen. Der Kontakt zu meiner Familie war fast abgebrochen und mich verband eigentlich nur noch recht wenig mit dem Land, in dem ich zur Apartheidszeit als nicht vollwertiger Bürger galt. Dennoch bekam ich während der Zeit des Urlaubs einige interessante Kontakte und Berufsangebote. 1992 haben wir den Schritt gewagt, 1993 war ich dann selbstständiger Tischlermeister in Namibia, war auch Vizepräsident der ersten namibischen Handwerkskammer. Später drängte es mich dazu, junge Menschen auszubilden. Das habe ich dann auch mit großer Leidenschaft getan. Für mich selbst war es der richtige Schritt, in die neue, alte Heimat zurückzukehren.

Was hat sich aus Ihrer Sicht in den 25 Jahren Unabhängigkeit im Land selbst verändert?

Manchmal denke ich: gar nichts. Vieles hat sich eher verschlechtert. Nehmen wir die Wohnsituation der armen Menschen. Früher hatten die Menschen in der Alten Location und vor allen Dingen nach der Zwangsumsiedlung im Rahmen des Odendaal-Plans nach Katutura fließend Wasser und Elektrizität. Blechhütten gab es fast gar nicht. Blechhütten sind unmenschlich. Kalt im Winter, heiß im Sommer. Die Menschen leben dicht an dicht. Die daraus resultierenden Probleme sind riesig. Warum geht die Regierung nicht dagegen vor? Nehmen wir die Stadtverwaltung. Der Straßenbau hat kein Konzept und keine Weitsicht. Nehmen wir die Situation der Mischlinge. Wir waren zur Apartheidszeit „Glasmännchen". Alle sahen durch uns hindurch. Das ist heute immer noch so. Affirmative action geht an uns vorbei. Jede Kultur hat ihre Stärken. Wir Mischlinge, schauen wir nach Rehoboth, sind handwerklich geschickt. Die Regierung hat die Chinesen ins Land gelassen und die Handwerksbetriebe damit kaputt gemacht: Armut und Alkohol machen sich breit. Ist Namibia in diesen Jahren frei von Vorurteilen und Rassismus geworden? Nein. Vor allem zwischen Schwarz und Schwarz ist er schlimmer geworden. Tribalismus herrscht vor. Der Umgang mit den Buschleuten schreit zu Himmel. Unsere Völker sind so gegensätzlich. [...]

Dies ist ein Auszug aus Perspektiven 2016 / Afrikanischer Heimatkalender 2016, Die deutschsprachigen Namibier: Weiße Afrikaner oder Fremde im eigenen Land?

Buchtitel: Perspektiven 2016 (Afrikanischer Heimatkalender 2016)
Untertitel: Die deutschsprachigen Namibier: Weiße Afrikaner oder Fremde im eigenen Land?
Herausgeber: Informationsausschuss der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia DELK
Windhoek, Namibia 2016
ISBN 9789991686844 / ISBN 978-99916-868-4-4
ISSN 2026-7010
Broschur, 17 x 24 cm, 140 Seiten, zahlreiche Abbildungen

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