Namibia: Eine Reiseerzählung, von Sebastian Fickert
Der folgende Auszug aus dem Buch 'Namibia: Eine Reiseerzählung' von Sebastian Fickert beschreibt Eindrücke und Stimmungen nach der Landung am Hosea-Kutako-International-Airport in Windhoek.
[...] Unser Pilot teilt über die Lautsprecher mit, dass wir bald landen. Vier Grad beträgt die Temperatur gerade in Windhoek. Die Boeing sinkt, kurz vor der Landung sehe ich draußen weder Lichter noch sonstige Zeichen einer Zivilisation. Inmitten einer ausgedörrten Strauchlandschaft setzt die Maschine auf. Über die Gangway gelangen wir auf die Landebahn, an deren Rand wir bis zum Flughafengebäude entlanglaufen. Am Horizont leuchtet das Morgenrot, der Himmel ist noch dunkel. Der Anblick ist faszinierend. Das finden auch einige Mitreisende, die sofort ihre Smartphones zücken, was dem Flughafenpersonal weniger gefällt. „No photos, please!", höre ich die Sicherheitsleute mehrfach rufen. Mit Pudelmützen auf dem Kopf, eingepackt in dicke Anoraks und Handschuhe rudern sie mit den Armen, als wollten sie sich dadurch ein bisschen aufwärmen. Auch das ist ein interessantes Bild: Man sieht weiße Waden und Unterarme unter den kurzen Hosen beziehungsweise T-Shirts der Passagiere, aber nur schwarze Nasenspitzen der frierenden Security. Mittlerweile dürfte es deutlich wärmer als vier Grad sein, es ist frisch, aber nicht unangenehm. Auf der Landebahn ist ansonsten wenig Betrieb. Wie die Anzeigetafel verrät, werden bis zur Mittagszeit gerade einmal zehn Flieger ankommen, die Hälfte davon aus Johannesburg. Hingegen ist die Warteschlange im Terminal des Hosea-Kutako-International-Airports - entsprechend der Dauer der Passkontrolle - sehr lang. Wir haben ausgiebig Zeit, den Schalter zur Anmeldung von Jagdwaffen und die Fotos politischer Anführer zu studieren. [...] Freundlich empfängt uns der englischsprechende Fahrer in der Empfangshalle. „Der Bankautomat ist draußen", ist der dritte Satz, den er sagt. Er weiß, worauf es ankommt. Denn Namibia Dollar haben wir noch nicht im Gepäck. Rechts neben dem Automaten ist eine dunkle Ecke, in der zwei Personen unter Decken kauern. Zwischen Pudelmützen und Decke sind lediglich die dunklen Nasen zu erkennen. Fokussiert auf den Bildschirm versuche ich mich durch das Menü zu tasten. Plötzlich gleitet von rechts eine Hand zum Display und drückt flink auf verschiedene Schaltflächen. Nur den Betrag, den ich abheben will, gibt sie nicht ein. Die Hand gehört nicht einem Obdachlosen, der in der Ecke übernachtet, sondern einer fürsorglichen, aber frierenden Angestellten, die mit ihrer Kollegin geduldig auf Automatennutzer wartet. Bis ich das erfasst habe, hat mein Körper so viel Adrenalin ausgeschüttet, dass ich mich in der nächsten halben Stunde sehr wach fühle. Unser Fahrer wartet ebenfalls geduldig auf uns und lässt dann das Auto durch die angenehm kühle, karge Landschaft gleiten. „Wann hat es das letzte Mal hier geregnet?", frage ich. „Mmmhhh - lange her." Er überlegt. „Ich glaube im Dezember." Draußen ziehen Antilopen, Siedlungen mit stacheldrahtgesicherten Häusern und ein ausgetrockneter Flusslauf namens „Bismarck" vorbei. In Windhoek lese ich weitere vertraute Namen wie die Daimler- oder die Steinstraße. Eine sehr lange und große Straße ist Sam Nujoma gewidmet. Nujoma war von 1990 bis 2005 der erste Präsident des unabhängigen Namibias. Rief er anfangs zur „Wiederversöhnung aller Rassen unserer Heimat" auf, entwickelte er sich später zu einem Autokraten. Entgegen der ursprünglichen Verfassung übernahm er eine dritte Amtszeit, in der sich die Korruptionsvorwürfe gegen ihn häuften. Zuletzt fiel er durch Hetzreden gegen Engländer und Deutsche auf, denen - falls sie nicht kooperieren - „in den Kopf geschossen werden sollte". Hingegen scheint er große Autos aus Deutschland, die er sich auf Staatskosten geleistet hat, sehr zu schätzen. Passend dazu fahren wir an einem schicken Autohaus mit teuren Mercedes vorbei. Die Stadt ist noch ruhig. Nur bei unserer Autovermietung sehe ich Betriebsamkeit. Nach einer kurzen Begrüßung werden vor uns die Papiere ausgebreitet. Die professionelle und schnelle Arbeitsweise der Vermietung habe ich bereits im Vorfeld der Reise kennengelernt. Anfang Februar mailte ich dem Unternehmen und fragte nach einem 4x4-Geländewagen mit Dachzelt. Eine Stunde später erhielt ich in geschliffenem Deutsch das Angebot aus Namibia, verbunden mit der Aufforderung, bis zum Folgetag die Personalien sowie die Angaben zum internationalen und nationalen Führerschein, vor allem aber zur Kreditkarte zu übermitteln. Weil ich letztere nicht dabeihatte und unterwegs war, füllte ich das Formular nur fast vollständig aus, und schickte es mit dem Hinweis ab, dass die Angaben zur Kreditkarte zwei Tage später folgten. Postwendend erhielt ich die Antwort, das Angebot könnte solange nicht aufrechterhalten werden: „Unsere Firma arbeitet auf einer „First Come - First Serve" Basis. Ihre Reisedaten fallen in die Hochsaison und die Verfügbarkeit ist extrem gering." Auch für die Buchung der Unterkünfte beziehungsweise Campingplätze sei es womöglich bereits zu spät. [...]
Dies ist ein Auszug aus: Namibia: Eine Reiseerzählung, von Sebastian Fickert.
Titel: Namibia
Untertitel: Eine Reiserzählung
Autor: Sebastian Fickert
Genre: Reisebericht
Verlag Königshausen & Neumann GmbH
Würzburg, 2020
ISBN 9783826071065 /ISBN 978-3-8260-7106-5
Broschur, 14 x 22 cm, 218 Seiten, einige sw-Abbildungen
Fickert, Sebastian im Namibiana-Buchangebot
Namibia: Eine Reiseerzählung
Trotz abgedroschenem Klappentext ist 'Namibia: Eine Reiseerzählung' ein lesenwerter Reisebericht eines viel und aufmerksam reisenden deutschen Schriftstellers und Juristen.