Die Kürbiskinder. Afrikanische Märchen, von Kathleen Arnott und Inge Wiskott
In diesen mit vielen Zeichnungen ausgestatteten Buch sind die schönsten Märchen aus mehreren afrikanischen Ländern gesammelt: Die Kürbiskinder. Afrikanische Märchen, von Kathleen Arnott und Inge Wiskott.
Der unzufriedene Fisch (Senegal, Fulani)
Es war einmal eine Familie kleiner Fische, die lebte zufrieden in einem Teich. Mit den Fischen im Fluß kamen sie nicht zusammen. Der Teich war winzig und unansehnlich, Steine und Algenbüschel lagen darin, und ringsum wuchsen Dornbüsche und ein paar Palmen. Die meisten dieser kleinen Fische waren quietschvergnügt. Aber einer, der größer und stärker gewachsen war, hielt sich immer abseits. Sobald die anderen ihm nahekamen, stellte er sich hochmütig steil auf im Wasser und wollte nichts mit ihnen zu tun haben. „Liebe Leutchen", pflegte er zu sagen, und machte dabei große Kulleraugen und balancierte auf seinem hübschen Schwanz, „rührt doch das Wasser nicht so auf, seht ihr denn nicht, daß ich mein Nachmittagsschläfchen halte? Weg mit euch! Und weg mit dem Kleinzeug da", setzte er noch hinzu und verscheuchte mit einem Flossenschlag eine Herde vergnügter, winziger Fische, die im Schatten hin und her flitzten. Dies geschah so oft, daß eines Tages ein älterer Fisch spöttisch zu ihm sagte: „Ich verstehe gar nicht, warum du nicht diesen winzigen Teich verläßt und in den großen Fluß ziehst. Ein so großer und bedeutender Fisch wie du sollte sich doch nur mit Fischen seiner Art und Größe abgeben." Der Große dachte einige Tage über diesen Vorschlag nach, er blies sich noch mehr auf, als er es schon bisher getan hatte, und beschloß endlich, seine Heimat zu verlassen und eine angemessenere Umgebung zu suchen. „Mein Freund hat ganz recht", meinte er, „ich wäre bestimmt glücklicher unter Fischen meiner Größe. Ich habe dieses winzige Kroppzeug hier schon so satt! Es hat in letzter Zeit viel geregnet, da müßte der Fluß eigentlich aus den Ufern getreten sein und sein Wasser bis in unseren Teich fließen. Wenn es so weit ist, lasse ich mich dann mit dem Flutwasser in den Fluß hinüberschwemmen, damit ich endlich von hier loskomme." Er erzählte seinen Kameraden von diesem Vorhaben. Die älteren Fische beglückwünschten ihn mit ernstem Gesicht, die jüngeren konnten ihre Freude darüber, daß sie den ekelhaften Kerl bald los sein würden, nur schlecht verbergen. Sie schwammen aufgeregt hin und her und besprachen die Sache untereinander. Einige Tage darauf kam das Flutwasser. Der kleine Teich wurde überschwemmt, und der Große ließ sich zur Oberfläche tragen und schwamm mit der Strömung zum Fluß hinüber. Im tiefen Flußwasser merkte er, daß es dort ganz anders roch und schmeckte und daß die Felsen und Algen größer waren. Erleichtert und voller Vorfreude seufzte er und dachte an das gute Leben, das ihm nun bevorstand. Er ruhte sich einige Augenblicke neben einem großen Stein aus, da fühlte er plötzlich einen Wasserwirbel hinter sich. Vier oder fünf Fische, alle doppelt so groß wie er, zogen über ihm vorbei. Einer sah hinunter und rief barsch: „Aus dem Wege, Kleiner! Weißt du nicht, daß hier unser Jagdgrund ist?" Dann wandten sich auch die anderen gegen ihn und verjagten ihn. Der Arme versteckte sich nun unter einem Algenbüschel. Von Zeit zu Zeit spähte er ängstlich hervor. Da kamen schon zwei große schwarz-weiße Fische auf ihn zugeschossen, ihre grauenerregenden Mäuler hatten sie weit offen. Wenn er sich nicht schnell in eine Spalte im Ufersand gezwängt hätte, wäre er auf der Stelle verschluckt worden. „O du lieber Himmel", keuchte er, als die zwei Ungeheuer nach vergeblichem Warten endlich abgezogen waren. „Hoffentlich gibt's nicht noch mehr von der Sorte im Fluß. [...]
Dies ist ein Auszug aus: Die Kürbiskinder. Afrikanische Märchen, von Kathleen Arnott und Inge Wiskott.
Titel: Die Kürbiskinder
Untertitel: Afrikanische Märchen
Editorin: Kathleen Arnott
Übersetzerin: Inge Wiskott
Originaltitel: African Myths and Legends
bei Oxford University Press, London 1962
Verlag: Verlag Herder KG
Freiburg im Breisgau, 1966
Originalkartoneinband, Originalschutzumschlag, 14 x 21 cm, 125 Seiten, sw-Illustrationen
Arnott, Kathleen und Wiskott, Inge im Namibiana-Buchangebot
Die Kürbiskinder. Afrikanische Märchen
Die Kürbiskinder: Afrikanische Märchen zusammengetragen und nacherzählt von Kathleen Arnott.