Der Völkermord von Ruanda im Jahr 1994, von Sebastian Runkel

Der Völkermord von Ruanda im Jahr 1994: Rolle und Einfluss der Medien auf die Geschehnisse vor und während des Genozids. Diplomica Verlag. Hamburg, 2015. ISBN 9783959346870 / ISBN 978-3-95934-687-0

Der Völkermord von Ruanda im Jahr 1994: Rolle und Einfluss der Medien auf die Geschehnisse vor und während des Genozids. Diplomica Verlag. Hamburg, 2015. ISBN 9783959346870 / ISBN 978-3-95934-687-0

Aus der Studie Sebastian Runkels, Der Völkermord von Ruanda im Jahr 1994, stammt der folgende Auszug aus dem 2. Kapitel des im Diplomica Verlag erschienenen Werkes.

2. Der Völkermord

Der genaue Ablauf der Massenmorde in Ruanda 1994 ist historisch und quellenmäßig trotz verschiedener Neuerscheinungen in den letzten Jahren noch nicht vollständig geklärt und aufgearbeitet. Dennoch stimmen fast alle Forscher miteinander überein, dass hier eindeutig ein Fall von einem Völkermord vorliegt. Zwischen dem 6. April, als das Flugzeug des Staatspräsidenten abgeschossen wurde, und dem 19. Juli 1994, als der Krieg von den Rebellen offiziell beendet und ein neuer Präsident eingesetzt wurde, starben wahrscheinlich über eine Million Menschen, von denen bislang über 950000 namentlich identifiziert sind. Herausstechend ist die enorme Brutalität, die mit dem Morden einherging. Nach Statistiken sollen ca. 37 % der Opfer mit Macheten und 16 - 17 % mit Keulen ermordet worden sein, das heißt mehr als die Hälfte aller Opfer wurden mit diesen Hiebwaffen umgebracht und zerhackt. Ruanda ist kein typischer afrikanischer Staat, kein flaches, heißes und trockenes Wüstenland. Das so genannte ,Land der tausend Hügel' ist nach allen Seiten durch Grabenbrüche und Schluchten, Seen und Gebirgsketten gesichert und wird darum auch manchmal als die .Schweiz Afrikas' bezeichnet. Geopolitisch ist Ruanda sehr eng in ein Netz von komplexen Interaktionen mit seinen Nachbarstaaten eingebunden. Besonders Ruandas Beziehung zu Burundi war seit deren beider Unabhängigkeit, die sie jeweils im Juli 1962 wiedererlangten, durch eine gegenseitige Beeinflussung von Gewaltausbrüchen im Sinne einer Verzahnung der Gewalt charakterisiert. Beide Länder wurden deshalb treffend von Rene Lemarchand als „subversive Nachbarn" charakterisiert. Sie weisen etwa die gleiche Verteilung der Bevölkerungsgruppen von Hutu und Tutsi auf, nämlich im Verhältnis von ca. neun zu eins, allerdings unter spiegelverkehrten Machtverhältnissen. Während in Burundi die Tutsi die Regierungsmacht stellten, wurden sie in Ruanda unterdrückt. Die Unterscheidung zwischen den Bevölkerungsgruppen der Hutu und der Tutsi ist eine in der Geschichte des Landes künstlich herbeigeführte. Weder reale ethnische, sprachliche oder religiöse Strukturen konnten für eine Unterscheidung dienen, sondern allein besonders durch die belgische Kolonialmacht eingeführte soziale Einstufungen trennten die ehemals einheitliche Bevölkerung. Die Gruppen weisen keine besonderen Merkmale auf, die sie unterscheiden und gleichzeitig als ethnisch bezeichnet werden können. Die Begriffe Hutu und Tutsi brachten eigentlich nur soziale und politische Inhalte zum Ausdruck. Gehörte man zu den Tutsi, hieß das zunächst einfach, dass man von der Viehzucht lebte und wirtschaftlich erfolgreicher war als ein Hutu, der zu den mittleren und unteren gesellschaftlichen Gruppen gehörte. Die Begriffe richteten sich lange nach dem Erreichten und wurden entsprechend flexibel gehandhabt und nicht vererbt. Erst die Kolonialherren führten dann die ethnische Bedeutung der Begriffe ein. Dabei legte die belgische Kolonialverwaltung auch die Herkunft einer jeden Familie fest, als sie ein System von Personalausweisen einführte. Dies sollte später für viele Tutsi verhängnisvolle Folgen haben, da im Personalausweis vermerkt war, welcher Bevölkerungsgruppe man angehörte. Äußerliche Unterschiede, wenn überhaupt vorhanden, waren so gering, dass hier keine Unterscheidung möglich gewesen wäre. Im Zuge der Dekolonisation formte sich gerade bei den Hutu ein Bewusstsein, dass sie seit Jahrhunderten als Gruppe diskriminiert worden waren und Hutu-Politiker forcierten eine Förderung des Bewusstseins dieser angeblichen Unrechtssituation. So entstand eine klassische Situation, welche die Politisierung von Ethnizität begünstigte. Politiker der Tutsi hingegen definierten die Identität ihres Volkes in Kategorien der Herrschaft und behaupteten, sie hätten schon vor Jahrhunderten das Land beherrscht und die Hutu-Bevölkerung unterworfen. So vertraten Politiker beider Seiten einen Herrschaftsanspruch. Mit der Revolution im Jahr 1959 begann eine Welle von großen Massakern, die bis zum Völkermord anhielt. In der Revolution von 1959, in der die althergebrachte monarchisch organisierte Vorherrschaft der Tutsi in Ruanda beendet wurde, wurden die ersten Weichen für den Völkermord gestellt. Weitere Massaker fanden 1961, 1963-64, 1972/73, 1991 und 1992/1993 statt. In Burundi brach die Gewalt ebenfalls immer wieder aus. [...]

Dies ist ein Auszug aus der Studie: Der Völkermord von Ruanda im Jahr 1994. Rolle und Einfluss der Medien auf die Geschehnisse vor und während des Genozids, von Sebastian Runkel.

Titel: Der Völkermord von Ruanda im Jahr 1994
Untertitel: Rolle und Einfluss der Medien auf die Geschehnisse vor und während des Genozids
Autor: Sebastian Runkel
Verlag: Diplomica Verlag
Hamburg, 2015
ISBN 9783959346870 / ISBN 978-3-95934-687-0
Broschur, 16 x 22 cm, 82 Seiten

Runkel, Sebastian im Namibiana-Buchangebot

Der Völkermord von Ruanda im Jahr 1994

Der Völkermord von Ruanda im Jahr 1994

Der Völkermord von Ruanda im Jahr 1994: Rolle und Einfluss der Medien auf die Geschehnisse vor und während des Genozids.