Buschtrecker, von Karl Angebauer

Buschtrecker, von Karl Angebauer. Deutsche Buchwerkstätten. Leipzig, 1929

Buschtrecker, von Karl Angebauer. Deutsche Buchwerkstätten. Leipzig, 1929

Buschtrecker, von Karl Angebauer (Halbleinenausgabe, 1929).

Buschtrecker, von Karl Angebauer (Halbleinenausgabe, 1929).

Karl Angebauer, der 1904 als Schutztruppler ins Land kam, schlug sich einige Jahre als Buschtrecker und Wanderhändler im Nordosten von Südwestafrika durch.

Karl Angebauer  

Es war zur ersten Zeit meiner Okawangoniederlassung, ich befand mich gerade beim Mittag in meinem neuerbauten Pontok, als plötzlich irgend etwas den Eingang verdunkelte. Neugierig sah ich auf, gewahrte mitten im Eingang eine groteske Gestalt, angetan mit zerkratzten Ledergamaschen, Khakijacke und breitrandigem Hut, die ein großes, rotgeblümtes Tuch nach argentinischem Muster um den Hals geknüpft trug, der ein paar leere Wassersäcke, ein Kochgeschirr, Koppi, Feldflasche und Messer an dem Karabinerhaken des Gürtels baumelten, die, als weitere Ausrüstung noch eine Decke unter dem Arm, eine alte Donnerbüchse von unendlicher Länge auf dem Rücken, melancholisch-lüstern auf mein Mittagbrot starrte. „Morro...!" sagte diese Gestalt. Heiliger Brahmaputra, das war ja Schorsch, Schorsch L..., mein einstiger Kompagnon, der da stand mit eingefallenen Wangen, das Gesicht grau von staubigem Schweiß überzogen. „Schorsch!" rief ich, „Mensch, wo führt dich denn der Otjiruru (Teufel) her?" - „Durchs Sandfeld." - „Geritten?" - „Futsam!" - „Bewahr' mich Gott ... also Kohlendampf?" Er nickte. „Ja, aber in Dreideubelsnamen, was stehst du denn noch da, blödsinniger Frosch," fuhr ich ihn an, „Einladungskarten werden doch hier nicht ausgegeben!" Nun saß er mir gegenüber und hieb ein. Ich ließ ihn unbehelligt; was sollte ich auch fragen? Daß es ihm mies ging, sah ich so, alles andere: woher und wohin, würde er nachher schon von selbst berichten. Zehn Minuten, und er legte aufatmend Messer und Gabel beiseite. Also er käme von Süd-West, wollte durch nach Angola. Ungefähr vierzehn Tage hatte er gebraucht das jetzt fast wasserlose Sandfeld zu Fuß zu durchqueren. Das bißchen Proviant, daß er mit sich geführt, war bald verbraucht gewesen, Wild, mit dem er gerechnet, war ihm nicht ein Schwanz vor die Knarre gekommen, so mußte er zu Feldkost, Wurzeln und Knollen seine Zuflucht nehmen, die auch nicht immer aufzufinden waren. „Und Wasser...?" -  „Wasser? ja damit haben wir das so gemacht, daß wir's nur tranken, wenn wir's hatten. Ich sag's dir, Junge, diesmal war's kurz daran, und Hyänen und Schakale hätten sich mit unsern Knochen im Sandfeld amüsiert." - „Wir...? Was heißt wir?" fragte ich erstaunt, „denk', du warst allein?" - „Nee, in Begleitung." - „Ja, aber wo zum Deubel steckt denn dein Begleiter, doch nicht etwa... ?" Schorsch schüttelte den Kopf, „liegt vor der Tür, hab'n das letzte Ende geschleppt," sagte er trübselig. „Na, aber ..., entweder du verkohlst mich..., das ist aber doch...," mit einem Satz war ich zur Tür hinaus. Da lag etwas, zusammengeringelt, wie leblos. Vorsichtig rührte ich es mit der Fußspitze an. Ein langer, schmaler Kopf hob sich. Nur ein ganz klein wenig, fiel dann wieder zurück. Halbgeschlossene Augen blinzelten müde zu mir auf, blickten mich unendlich jammervoll und gequält an. Total ausgepumpt und verhungert, dachte ich mitleidig, rief nach Hangula, eine Schüssel mit Milch zu bringen. „Ist das nun eigentlich 'ne Klapperschlange, 'n Schuppentier oder 'n Ameisenbär?" fragte ich kopfschüttelnd Schorsch. „Is tatsächlich 'n Hund," behauptete Schorsch. „Scherenschleifer?" - „Nee, Rassehund, Vater: deutsche Dogge, Mutter: englische Grey-Hündin." - „Hm, hm..." Ich blickte auf das Monstrum herab, nahm Hangula die Milchschüssel ab und beugte mich nieder, das Jammergeschöpf trinken zu lassen, von dem Schorsch behauptete, es sei ein Hund. Gierig schob es den Kopf über die Schüssel, schlapperte sie, zu matt aufzusteh'n, im Liegen aus. „Gib mir auch eine Schüssel mit Milch," sagte Schorsch, und dann will ich mich schlafen legen. Als Schorsch drei Tage bei mir verweilt, hatte er seinen Humor wieder. Nachdem acht Tage verflossen, sprach er von Weiterreise und machte geheimnisvolle Andeutungen über riesenhafte Pläne und Projekte, die er in Szene zu setzen beabsichtige, die ich allerdings, der ich ja Schorsch lange genug kannte, nicht besonders wichtig nahm. Nach vierzehn Tagen fühlte er sich weit genug gekräftigt, seinen Marsch fortzusetzen. Ich puppte ihn neu ein, rüstete ihn für die nächste Zeit mit Proviant aus, und jetzt fühlte er sich wieder in Form und unermeßliche Hoffnungen für die Zukunft schwellten seinen Busen. „Eigentlich könntest du mir noch einen Donkey verkaufen," meinte er nachdenklich kurz vor seiner Abreise, „daß ich kein Geld habe, weißt du ja." Ich war im Besitz einiger Esel, die ich zufälligerweise einmal eingehandelt, und für die ich kaum Verwendung hatte; es fiel mir nicht allzu schwer, mich von einem dieser edlen Grautiere zu trennen. „Bist doch kein absolut unangenehmer Kerl," meinte Schorsch denn auch anerkennend, „und damit du auch mein Entgegenkommen siehst, ich schenke dir den Rassehund. Mache viele so vorteilhafte Geschäfte in Zukunft, und du wirst bald genug auf den Hund gekommen sein. Übrigens/' unterbrach er seine philosophischen Ausführungen, „gebrauche ich jetzt noch einen Sattel zu meinem Esel." [...]

Dies ist ein Auszug aus den Memoiren: Buschtrecker, von Karl Angebauer.

Titel: Buschtrecker
Autor: Karl Angebauer
Verlag Deutsche Buchwerkstätten
Reihe: Durch Steppen und Urwald 
Leipzig, 1929
Originalleinenband, 15x21 cm, 120 Seiten, 8 sw-Fotos

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