Afrika ist kein Land, von Dipo Faloyin

Afrika ist kein Land, von Dipo Faloyin. Suhrkamp Verlag AG. Berlin, 2023. ISBN 9783518473207 / ISBN 978-3-518-47320-7

Afrika ist kein Land, von Dipo Faloyin. Suhrkamp Verlag AG. Berlin, 2023. ISBN 9783518473207 / ISBN 978-3-518-47320-7

Geh von der Annahme aus, dass sich jede Aussage zu den Handlungen einer ethnischen Gruppe auf die Führung dieser Gruppe zu ebenjener Zeit bezieht und nicht den mehrheitlichen Glauben der gesamten Gemeinschaft widerspiegelt. Dipo Faloyin, Afrika ist kein Land.

Identitäten bilden sich auf eigentümliche Weise. Ich stamme aus einem Ort, irgendwo zwischen einem Topf Jollof-Reis in der geschäftigsten Küche Westafrikas und einem Wohnzimmer voller ständig wechselnder Hauptfiguren. Ich erfreue mich an Diskussionen, weil ich aus dem beständigsten Ritual meiner Familie geschmiedet bin: zu viele Leute auf engstem Raum zu versammeln und über alles und nichts zu streiten, jede Person sagt ihre Meinung über jede Meinung aller anderen. Ich wurde als Sohn von Eltern geboren, die widersprüchliche Erinnerungen an Ereignisse haben, bei denen beide anwesend waren. Ich wuchs umgeben von einer Familie auf, in der sich ständig jemand beschwert, dass jemand anderes eine Geschichte nicht richtig erzählt; entweder nicht genau genug oder nicht mit dem erforderlichen Flair. Bei uns zu Hause wird Geschichte nicht von den Siegern geschrieben, sondern von demjenigen der als Erstes spricht. Meine Mutter ist ein geselliger Typ, ein Publikumsliebling. Am besten geht es ihr, wenn es ein Problem gibt; umsponnen von Geschehnissen, die nicht in ihrer Hand liegen, ist die Lösung immer ein Familientreffen. Von ihr habe ich meine Liebe zum Leben in Ballungsgebieten, umhüllt von Lärm und allseitigem Gewusel geerbt; die tiefe Freude darüber, zwischen einer Jukebox voller Erfahrungen und einem ausgedehnten Busnetz eingepfercht zu sein. Meine Mutter bleibt immer für noch einen Song. Ich bleibe immer für noch einen Song. Mein Vater ist auf seine eigene Art extrovertiert; extrem im Reinen mit sich selbst und dem dringenden Bedürfnis, nur zu sein. Sein gängiges Tempo ist das Gegenteil von Bewegung. Könnte er einen perfekten Tag gestalten, würde dieser ein Schläfchen am Morgen beinhalten. Von ihm habe ich mein ruhiges Wesen: Die Dinge sind wahrscheinlich nie so schlecht oder gut, wie sie zunächst scheinen. Am schnellsten bedeutet bei uns, dass wir langsam gehen; oder wie es meine Schwester einmal beschrieb, so langsam, wie wir sind, könnten wir genauso gut rückwärts laufen. Ich bin halb Yoruba und halb Igbo. Man sagt, Yorubas wollen nur eine gute Zeit haben und Igbos bloß ein gutes Leben, was bedeutet, dass ich so programmiert bin, wann und wo auch immer, niemals automatisch eine Einladung auszuschlagen, ohne zumindest ein paar Nachfragen zu stellen. Ich habe drei ältere Schwestern, was bedeutet, dass 23 Prozent meiner Lebenszeit darauf verwendet wurden, den Argumenten nachzutrauern, von denen ich mir gewünscht hätte, sie wären mir während eines längst beendeten Streits eingefallen. Ich komme aus einem verwirrend großartigen Gefüge davon, wer eigentlich ein Blutsverwandter ist, und einer tiefen Wertschätzung für Hitze, sowohl im Geschmack als auch im Gefühl, sowie den heilenden Kräften von Pepper Soup. Ich wurde in dem strengen Glauben erzogen, dass es die Aufgabe einer Auntie ist, sich in deine Angelegenheiten einzumischen, und dass es unmöglich ist, zu viele Cousinen und Cousins zu haben, zwei Konzepte, die ich bei jeder Gelegenheit verteidigen muss. Ich stamme aus einem Haus, dessen Tür immer offen stand. Vom Glauben, dass ein Besuch bei uns zu Hause auch bedeutet, bei uns zu essen, weil Essen die ultimative Sprache der Liebe ist; Essen vergibt Sünden und spendet Gnade. Ich wurde dazu erzogen, für die Kirche früh aufzustehen und für Wahl-Abende lange aufzubleiben. Ich komme aus einer Familie, die niemals freiwillig einen Strandurlaub verbracht hat und Intuition mehr schätzt als Organisation; einem Zuhause, in dem Entscheidungen eher auf Emotionen als auf Durchführbarkeit basieren. Eine strenge Routine meiner Kindheit, zu früh bei Veranstaltungen oder am Flughafen anzukommen, hat dazu geführt, dass ich allergisch darauf reagiere, zu früh bei Veranstaltungen und am Flughafen anzukommen. Schlafenszeiten wurden vorgegeben, ebenso wie das Verständnis, dass Kinder gehört werden sollten. Ich stamme von einer langen Ahnenreihe schlechter Poker-Faces ab, einem Clan, der genetisch nicht in der Lage ist, die Frustrationen oder Freuden zu verbergen, die in unsere Herzen eingebrannt sind, wie zeitweilig sie auch sein mögen. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Afrika ist kein Land, von Dipo Faloyin.

Titel: Afrika ist kein Land
Autor: Dipo Faloyin
Übersetzung: Jessica Agoku
Verlag: Suhrkamp Verlag AG
Berlin, 2023
ISBN 9783518473207 / ISBN 978-3-518-47320-7
Broschur, 14 x 21 cm, 398 Seiten

Faloyin, Dipo im Namibiana-Buchangebot

Afrika ist kein Land

Afrika ist kein Land

Afrika ist kein Land korrigiert eine globale Wahrnehmungsverzerrung und erschien unter dem Originaltitel Africa is not a Country.