H.P.A.H. Gerhardt

Hermann Paul August Hugo Gerhardt (1905-1985) war ein in Südwestafrika lebender deutscher Farmer, Dichter und Satiriker, der unter dem Pseudonym 'Der Dampfschuster' bekannt war. Foto: Allgemeine Zeitung ca. 1985

Hermann Paul August Hugo Gerhardt (1905-1985) war ein in Südwestafrika lebender deutscher Farmer, Dichter und Satiriker, der unter dem Pseudonym 'Der Dampfschuster' bekannt war. Foto: Allgemeine Zeitung ca. 1985

H.P.A.H. Gerhardt im Jahr 1911 in der dritten Vorschulklasse des Reform-Realgymnasium an der an der Kaiserin-Augusta-Straße in Tempelhof. (Ausschnitt aus Gruppenfoto).

H.P.A.H. Gerhardt im Jahr 1911 in der dritten Vorschulklasse des Reform-Realgymnasium an der an der Kaiserin-Augusta-Straße in Tempelhof. (Ausschnitt aus Gruppenfoto).

H.P.A.H. Gerhardt, vermutlich 1930er Jahre. Foto: Familienbesitz

H.P.A.H. Gerhardt, vermutlich 1930er Jahre. Foto: Familienbesitz

Grabstelle von Hermann Gerhardt 'Der Dampfschuster' (1905-1985) in Swakopmund.

Grabstelle von Hermann Gerhardt 'Der Dampfschuster' (1905-1985) in Swakopmund.

Hermann Paul August Hugo Gerhardt (1905-1985) war ein in Südwestafrika lebender deutscher Farmer, Dichter und Satiriker, der unter dem Pseudonym 'Der Dampfschuster' bekannt war.

H.P.A.H. Gerhardt wurde am 16.02.1905 als zweites Kind des Leutnants a. D. und Unternehmers Paul Hermann Theodor Gerhardt (1878-1957) und dessen Ehefrau Luise Wilhelmine Gertrud Gerhardt (1883-1977),  geborene Ludewig, in der Dorfstraße Nr. 3 des Berliner Stadtteils Alt-Tempelhof geboren. Er wurde 1915 in Tempelhof eingeschult, besuchte ab Ostern 1920 die Salzmann'sche Erziehungsanstalt Schepfenthal im thüringischen Waltershausen und später das Berliner Askanische Reform-Realgymnasium an der Kaiserin-Augusta-Straße, wo er 1925 das Abitur ablegte und im Anschluß sein Freiwillig Einjähriges beim Infanterie-Regiment I in Königsberg leistete. Danach, vermutlich noch im Jahr 1926, trat H.P.A.H. Gerhardt als kaufmännischer Lehrling in die Berliner Firma Valentin, Röhren & Eisen, ein und studierte daneben Maschinenbau. Für ein amerikanisches Unternehmen arbeitete er, vermutlich ab 1929, als Vertreter und "Sales Engineer", bis die Firma 1930 sämtliche europäischen Filialen schloß und H.P.A.H. Gerhardt, inmitten der Weltwirtschaftskrise, in die Arbeitslosigkeit entließ. Sein Vater Paul Gerhardt, war Inhaber und Geschäftsführer der Firma 'Carl Lerm & Gebrüder Ludewig' in der Ringbahnstraße Nr. 16-20 in Berlin-Tempelhof, die, nach dessen Tod bei einem Verkehrsunfall am 19.02.1957, vom Schwiegersohn Hermann Schulte-Heuthaus (1898-1979) weitergeführt wurde und an der H.P.A.H. Gerhardt von 1957 bis 1981 Beteiligungen hielt. Der Kaufmann, Generalmajor a. D. und Ritterkreuzträger Hermann Schulte-Heuthaus war der Ehemann von H.P.A.H. Gerhardts älterer Schwester, Charlotte Gerhardt (1903-1986), ihr gemeinsamer Sohn, Dipl-Ing. Gerhard Schulte-Heuthaus (1937-1996), führte das bedeutende Traditionsunternehmen bis zur Konkursabwicklung im Jahr 1996, eine Folge ruinöser Bieterschlachten neu erstandener Konkurrenten der Nachwendezeit um Aufträge. Im Alter von 27 Jahren und erwerbslos, wanderte H.P.A.H. Gerhardt am 09.07.1932 an Bord der 'Watussi' über Hamburg und Walvisbay nach Südafrika aus und bestritt seinen Lebensunterhalt zunächst mit Gelegenheitsarbeiten. In Johannesburg lernte er die deutschstämmige Farmerstochter Annemarie Brumme (1913-1999) kennen, die sich, von Südwestafrika kommend, zur Nachbehandlung einer Kinderlähmung in der Metropole aufhielt. Dort heiratete das Paar am 01.08.1933. Das erste Kind, Karin Gerhardt (verh. Ahrens), kam am 22.04.1934 in Johannesburg zur Welt, gefolgt von Hedwig 'Henny' Gerhardt (verw. Ewald), die am 21.02.1936 in Pretoria geboren wurde. Zum Anfang des Jahres 1937 reiste die Familie nach Deutschland und traf am 17.02.1937 in Berlin ein, wo H.P.A.H. Gerhardt in das väterliche Unternehmen eintrat. Zweieinhalb Jahre später, etwa Mitte 1939, verließ er mit seiner Ehefrau und den beiden Töchtern Deutschland, reiste mit dem Passagierdampfer Ubena nach Südwestafrika und zog zu den Brauteltern Richard und Bertha Brumme auf die 40 km südlich von Otavi (Südwestafrika) gelegene Farm Zunis. Die in westlicher Nachbarschaft befindliche, noch unerschlossene Farm Nuchomis erwarb und schenkte H.P.A.H. Gerhardts Vater als künftigen Sitz der Familie, der zum Anfang jeder Woche nach Nuchomis aufbrach, um dort Brunnen zu bohren. Auf einem dieser Ritte zwischen den Farmen Zunis und Nuchomis wurde H.P.A.H. Gerhardt von Ordnungskräften der südafrikanischen Mandatsmacht festgenommen und, wie die große Mehrheit deutschstämmiger Männer im wehrfähigen Alter, als 'feindliche Subjekte' bis 1946 im südafrikanischen Lager Andalusia interniert. In der Gefangenschaft beschäftigte er sich mit der Schuhmacherei, was ihm den Spitznamen 'Der Dampfschuster' einbrachte, sein späteres Pseudonym. Sein Schwiegervater Richard Brumme stellte die auf Nuchomis begonnenen Bohrarbeiten fertig, Annemarie Gerhardt und die Töchter zogen dorthin um und lebten, bis zur Fertigstellung eines neu erbauten Wohnhauses, unter provisorischen Verhältnissen. Bis zur Rückkehr H.P.A.H. Gerhardts aus südafrikanischer Gefangenschaft im Jahr 1946, hatte Annemarie Gerhardt die Farm erfolgreich und wirtschaftlich tragfähig aufgebaut und entwickelt. Wie zahlreiche andere Ehen nach Jahren der kriegsbedingten Trennung, endete auch die Verbindung der Gerhardts noch im selben Jahr durch Scheidung. Ein Gericht sprach die Kinder dem Vater und der Mutter ein Besuchsrecht zu. Annemarie Gerhardt sollte in der Folge Karl-Heinz Schuster heiraten, mit dem sie erst in Kapstadt und seit den 1950er Jahren in Windhoek lebte. Am 11.10.1947 heiratete H.P.A.H. Gerhardt die geschiedene Annemarie Thier (1911-1994), geborene Block, und adoptierte deren Sohn Carl-Dieter (*1936). In der Folge bewirkte die neue Ehefrau, über die Wahl unterschiedlicher Schulorte, die räumliche Trennung ihrer Stieftöchter: Karin Gerhardt wurde auf eine Schule in Hermannsburg (Natal), Henny Gerhardt nach Swakopmund geschickt. Am 31.07.1948 wurde Hasso-Paul Gerhardt geboren, der, kaum älter als ein Jahr, bei einem Unglücksfall ums Leben kam. Besuche bei den Berliner Verwandten unternahm Hermann Gerhardt im Jahr 1955, die Töchter Karin und Henny im Jahr 1969. Nach dem Tod der Schwiegereltern aus zweiter Ehe, zog das Ehepaar auf deren Farm Claussen-Bosvlakte bei Otjiwarongo und verkaufte die Farm Nuchomis an den Nachbarfarmer Wallace Bester. 1972 verpachtete H.P.A.H. Gerhardt die Farm Claussen an seinen Sohn Carl-Dieter Gerhardt, der bereits verheiratet war und Kinder hatte, und zog mit seiner Ehefrau nach Henties Bay. Gerhardts letzte Lebensjahre verbrachten sie ab 1982 in Swakopmund, wo seine im Selbstverlag erschienene Gedicht- und Glossensammlung erschien. Hermann P.A.H. Gerhardt war von bemerkenswerter Persönlichkeit und schrieb seit 1947 häufig Leserbriefe und Artikel an die Allgemeine Zeitung in Windhoek, in denen er, in Versen oder in Glossen, seine Gedanken zum Zeitgeschehen, zu gesellschaftlichen Themen oder über sich und Mitmenschen ausdrückte, stets humorvoll, satirisch und mit einem Schuß "Berliner Schnauze". Sein Pseudonym 'Der Dampfschuster' war landesweit bekannt. Geschichtlich interessiert, gilt er als Entdecker des Grabes des im März 1905 an Malaria verstorbenen Herero Theobat Kambowika, der als sogenannter 'Eingeborenensoldat' mit der Gebirgsbatterie der Abteilung Heyde auf Seiten der Kaiserlichen Schutztruppe im Herero-Aufstand mitgekämpft hatte. Bis 1982 war H.P.A.H. Gerhardt aktiv an der Ausrichtung und Durchführung der jährlichen Gedenkfeiern am Friedhof Waterberg beteiligt und Korrespondent der Askanischen Blätter, einer periodisch erscheinenden Zeitschrift ehemaliger Lehrer und Schüler der Askanischen Oberschule in Berlin-Tempelhof, an die er über viele Jahre regelmäßige Berichte von seinem Farm- und Familienleben sowie der Landespolitik schickte. Ferner unterhielt er Kontakte zu weiteren Askaniern, wie dem in Margate (Südafrika) ansässigen Dr. O.G.H. Fiedler, der ihn im Oktober 1984 besuchte. H.P.A.H. Gerhardt verstarb am 10.12.1985 in Swakopmund und ist dort bestattet.

Links zu Hermann Paul August Hugo Gerhardt (1905-1985):

Denkmaldatenbank: Fabrik Carl Lerm & Gebrüder Ludewig
https://www.berlin.de/landesdenkmalamt/denkmale/liste-karte-datenbank/denkmaldatenbank/daobj.php?obj_dok_nr=09055116

Familiengrabstätte_Schulte-Heuthaus auf Friedhof Zehlendorf
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cf/Familiengrabst%C3%A4tte_Schulte-Heuthaus.jpg


Gerhardt, H.P.A.H. im Namibiana-Buchangebot

Mach es wie die Sonnenuhr

Mach es wie die Sonnenuhr

"Mach es wie die Sonnenuhr" ist eine humorvolle Sammlung von Versen und Glossen zum das Zeitgeschehen in Südwestafrika.