25.09.2014

Wovon man in Namibia sonst nicht spricht

Wovon man in Namibia sonst nicht spricht. Namstyle: Elende Wächterbude neben nordkoreanischem Protzbau.

Wovon man in Namibia sonst nicht spricht. Namstyle: Elende Wächterbude neben nordkoreanischem Protzbau.

Zum Abgang etlicher Altkämpen musste in letzter Zeit viel gute patriotische Nachrede geleistet werden, versteht sich. Über die Sünden der Unantastbaren redet man toch nich. „Wovon man sonst nicht spricht“ lautete einst ein Buchtitel der Aufklärung jener Jahre, als Anatomie und Vererbungs- sowie Fortpflanzungslehre entweder den Medizinern vorbehalten war oder eben an Bohnen, Erbsen und Bienen gelehrt wurde.

Unsere Partei, die sich für die Größte aller Zeiten hält, hat da etliche Bände auf dem Regal stehen, die fast mit denselben Worten betitelt sind: „Wovon man partout net nich spricht“ oder „Was für einen wahren Comräd tabu is“. Jeder weiß, dass es vorrangige Themen gibt, die ein linientreuer Genosse zu vermeiden weiß, selbst wenn er darauf angesprochen würde. Wie da sind die Erdlöcher von Lubango, das Teko-Gefängnis und viele andere Kerker der Verlorenen. Und der 1. April 1989 mit 30 Tagen danach, als die Krieger der Bewegung in voller Kampfmontur ins Land und in die Transitperiode einsteigen wollten, was der 435-Nam-Lösungsplan in keiner Weise vorgesehen hatte, denn der Normalbürger sollte nich einmal mit einer Mausefalle ausgestattet sein. Ihr müsst Euch noch vergegenwärtigen, dass der ausgehandelte und ausgeklügelte internationale Lösungsplan den gordischen Knoten durchschneiden sollte und das Territorium - damals mit knapp über einer Million Einwohner – als vollwertigen Staat auf die Weltbühne bringen sollte. Denn vorher, so stand es in manch politisch-polemischer Schrift geschrieben, hat das Territorium SWA mos den Weltfrieden bedroht (sic!). Jesslaik, Papier is geduldig und das Publikum soll keine lästigen Fragen stellen. Das alles und noch mehr gehört mos zu unserer Erinnerungskultur. Dass Erinnerung auch irgendwie etwas mit Geschmack, Abstimmung und Takt zu tun hat, is bei unseren staatlichen Museumsschöpfern und -verwaltern wrachtach noch nich angekommen. Sowas kannste annähernd sogar lernen, ohne Kunstmogul zu sein. Die Franzosen haben einen guten Spruch für unsere imperiale Kaffeemaschine und den Wachpontok daneben. Die sagen, sinngemäß übersetzt: „Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es nur ein Schritt.“ Das Otjiperendero hier auf der Seite macht´s deutlich. Neben dem millionenschweren Prunkbau, der mit guten Fliesen und rostfreien Bauelementen sowie Panorama-Lifts ausgestattet is, gestaltet und made by Nord-Korea, eine Struktur, die weit vom Volk entfernt is und über die Proletarier hinausragt – also daneben steht da ein Wachhäusl, das wieder echt Lokalkolorit liefert. Wenn Du bedenkst, wie luxuriös und gestalterisch vor sieben Jahren zum 100-jährigen Jubiläum die Rastlager von Etoscha hergerichtet wurden und wie schnell das alles wieder runtergewirtschaftet wurde, um das gesittet und nich im passenderen Wellblechdeutsch auszudrücken, dann muss jeder Patriot schon heute um die Kaffeemaschine bangen. Der Wachpontok mit Zeitungsblättern als Sichtschutz in den Fenstern sowie das Kabel, das aus der Bude kommt, um irgendwo noch für den Wasserkessel noch biekie Strom zu klauen, müssen Dir klarmachen, dass das Nam-Milieu den Museumsturm noch gründlich einnehmen wird. Die Beutekultur unserer Gesellschaft hat schon mit den elektronischen Info-Schirmen mit Hörvorrichtung in den Hallen klargespielt. Die karge Beschriftung der Wandmalerei und der prä-kolonialen Landkarte bleibt samt wimmelnder Fehler nordkoreanischer Prägung unserer Nachwelt noch ´ne Weile erhalten. Die Kaffeemaschine wird nochall Schritt für Schritt namibianisiert.

Foto: Neben dem musealen Unabhängigkeitspalazzo, im Volksmund von Ovenduka eher bekannt als die Kaffeemaschine, steht auf den Granitplatten heutzutage ein Wachhäusl, aus Asbest oder meinetwegen aus Glasfiber. Die Fenster sind mit Zeitungspapier verklebt, zur Freude eines jeden Redakteurs, der sich um die Lesekultur sorgt. Der Palazzo stammt von den Nordkoreanern, der Wachpontok stammt von uns und ergänzt auf seine, nein, auf unsere ureigene Art die Glanz- und Gloria-Erinnerungskultur im Lande der Bravourösen. Otjiperendero: Stefan Fischer

Mit freundlicher Genehmigung der Allgemeinen Zeitung in Windhoek (Namibia), veröffentlicht das Namibiana Buchdepot die Pressemeldung: Wovon man in Namibia sonst nicht spricht.

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