07.05.2014

Südafrika: Wähler stellen jetzt die Weichen für die Zukunft

Wähler des regierenden ANC tanzen auf einer Wahlkampfveranstaltung in Soweto/Johannesburg im Anlauf zu den Wahlen am heutigen Mittwoch. Der Wandel in Südafrika wird immer noch stark mit der Erinnerung an Ex-Präsident Nelson Mandela in Verbindung gebracht. Nach dessen Tod geht es in der öffentlichen Debatte darum, was für ein Land Südafrika künftig sein wird.

Der Schriftsteller Andre Brink sprach von seiner südafrikanischen Heimat einst als einem Ort, an dem man beim Nachdenken über die Zukunft zunächst die eigenen Ängste überwinden müsse, so schwer dies auch sei. „Auf dem langen Weg, der vor uns liegt“, schrieb Brink noch zu Zeiten der Apartheid, „geht es nicht um große Visionen, sondern vor allem um ein stilles Zutrauen in die Zukunft des Landes“. Wer die Vielfalt und Lebensfreude, aber auch die rassische Zerrissenheit und Geschichte des Landes kennt, wird diese Worte besser verstehen. Spätestens seit dem Tod seines Gründervaters Nelson Mandela im Dezember geht es am Kap nicht mehr darum, wie weit Südafrika seit den Tagen der Apartheid gekommen ist, sondern darum, was für ein Land der frühere Rassenstaat künftig sein wird. Neben der Trauer über den Tod Mandelas hat zuletzt vor allem die Ungewissheit über die Zukunft die nationale Debatte dominiert. Viele Südafrikaner scheinen erst jetzt zu begreifen, dass die Abschaffung der Apartheid vor 20 Jahren der leichtere Teil des Umbruchs war - und dass zur Belohnung für diese historische Leistung nicht automatisch eine funktionierende Demokratie auf sie wartet, wie viele in der ersten Euphorie vermeint hatten. Als weit schwieriger hat es sich erwiesen, eine erfolgreiche Wirtschaft und effiziente Institutionen zur Abstützung des gesellschaftlichen Wandels zu bauen. Wenn Südafrika am heutigen Mittwoch, fast auf den Tag genau 20 Jahre nach der Vereidigung von Nelson Mandela zum ersten schwarzen Staatspräsidenten des Landes, zum fünften Mal an die Wahlurnen geht, werden die Schlangen wartender Menschen viel kleiner als damals sein. Viele Schwarze, vor allem die Generation der „born frees“, die keine Erinnerung mehr an die Apartheid hat, glauben nicht mehr daran, dass ihre Stimme wirklich etwas bewirken kann. Rassismus umgekehrt: Dass dies so ist, liegt neben der zunehmenden Machtarroganz des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) daran, dass Südafrika mittlerweile in einer oft bedrückenden Normalität angelangt ist: Zwar ist die Bürgerkriegsgefahr von einst gebannt, doch hat das Land nun ganz andere Sorgen. Wie die Konkurrenten in Brasilien, Mexiko oder Russland wird auch das Land am Kap von hoher Kriminalität, scharfen sozialen Gegensätzen und einer überbordenden Korruption geprägt. Von der Regenbogennation, wo Gut über Böse triumphiert und Schwarz und Weiß gemeinsam in die Zukunft schreiten, ist das Land weit entfernt. Im Gegenteil: Statt an Mandelas Versöhnungspolitik festzuhalten, forciert der ANC nun mit rigiden Quoten einen oft umgekehrten Rassismus und diskriminiert offen gegen die Weißen. Die dadurch bedingten Ängste verdecken jedoch genau wie die Verklärung der Zustände, dass Südafrika in den letzten Jahren gelernt hat, ohne seinen Gründervater zu leben. Dass es dem ANC bislang nicht gelungen ist, die Verfassung des Landes nachhaltig zu unterminieren, verdankt das Land vor allem seiner lebendigen Bürgergesellschaft, insbesondere den kritischen Medien und der (noch) unabhängigen Justiz, darunter einer (schwarzen) Ombudsfrau, die bei der Aufdeckung politischer Missstände Großes geleistet hat. Auch ist die Opposition, vor allem die liberale Demokratische Allianz, die die Provinz Westkap mit der Metropole Kapstadt regiert, lebendiger und dynamischer als viele glauben. Ganz langsam zerspringen auch die alten Rassenschablonen: Nicht nur unter den Weißen, sondern auch unter schwarzen Südafrikanern wächst der Unmut über die ständig neuen Korruptionsvorwürfe gegen Präsident Jacob Zuma und dessen schlechte Führung des Landes. An einem klaren Wahlsieg der früheren Widerstandsbewegung besteht trotz seiner Unbeliebtheit und der immer neuen Skandale seiner Regierung dennoch kein Zweifel. Dazu ist Mandelas ANC auch 20 Jahre nach seinem Machtantritt noch immer eine viel zu starke Marke. Dass diese Marke jedoch zunehmend an Attraktivität verliert, hat der Tod Mandelas gezeigt. Vielen Menschen am Kap ist durch die Trauer um den großen Freiheitskämpfer und sein Erbe schmerzlich bewusst geworden, wie tief das Land unter seinen Nachfolgern in nur einer Generation gefallen ist. In Südafrika selbst herrscht zum 20. Jahrestag der ersten freien Wahl deshalb zwar ein gewisser Stolz auf die junge, fragile Demokratie. Festtagsstimmung, wie der ANC sie vorgaukelt, sucht man jedoch vergebens. Bezeichnend dafür ist, dass Südafrika auf dem Demokratie-Index des britischen „Economist“ zwar auf Platz 31 gleich hinter Frankreich rangiert - aber bei der Bewertung der Zufriedenheit mit dieser Demokratie, wie sie der Global Happiness-Index der Vereinten Nationen misst, nur abgeschlagen auf Platz 96 landet. Im Fall von Singapur ist das Bild genau umgekehrt: Trotz der dort weit schwächeren Demokratie sind seine Bewohner insgesamt viel glücklicher. Die Autoren der Studie erklären dies damit, dass die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen wie im effizient regierten Singapur für viele Menschen weit wichtiger ist als das bloße Abhalten von Wahlen. Noch dürften sich die vielen Versäumnisse des ANC auch diesmal nicht im Wahlergebnis auswirken. Zu stark ist noch immer die Aura der einstigen Befreiungsbewegung und zu nahe der Tod des Volkshelden Mandela. Gleichwohl sind die immer häufigeren Proteste gegen die vielen inkompetenten Stadtverwaltungen am Kap ein klares Indiz dafür, dass die schier endlose Geduld der schwarzen Südafrikaner mit ihren Befreiern allmählich zu Ende geht.

Wolfgang Drechsler, Kapstadt

Mit freundlicher Genehmigung der Allgemeinen Zeitung in Windhoek (Namibia), veröffentlicht das Namibiana Buchdepot die Pressemeldung: Südafrika Wähler stellen jetzt die Weichen für die Zukunft.

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