10.09.2017

Rezension: Zwischen Nationalsozialismus und Apartheid. Die deutsche Bevölkerungsgruppe Südwestafrikas 1915–1965

Eine Rezension über Martin Eberhardt Geschichtswerk 'Zwischen Nationalsozialismus und Apartheid. Die deutsche Bevölkerungsgruppe Südwestafrikas 1915–1965', von Eberhard Hofmann, Allgemeine Zeitung, Windhoek/ Namibia.

Eine Rezension über Martin Eberhardt Geschichtswerk 'Zwischen Nationalsozialismus und Apartheid. Die deutsche Bevölkerungsgruppe Südwestafrikas 1915–1965', von Eberhard Hofmann, Allgemeine Zeitung, Windhoek/ Namibia.

Eine Rezension über Martin Eberhardt Geschichtswerk 'Zwischen Nationalsozialismus und Apartheid. Die deutsche Bevölkerungsgruppe Südwestafrikas 1915–1965', von Eberhard Hofmann, Allgemeine Zeitung, Windhoek in Namibia.

Als sich die Interessengemeinschaft Deutschsprachiger Südwester (IG) Anfang der neunziger Jahre aufgelöst hat, ist eine rund 70 Jahre lange Epoche Namibias zu Ende gegangen, die von der Wechselwirkung „rein deutscher“ politischer Gruppierungen und ihren südafrikanisch geprägten Gegenspielern bestimmt war.  Nach der Unabhängigkeit Namibias 1990 hat sich die Sprachgruppe nicht mehr rein kulturpolitisch organisiert. Von den 70 Jahren hat der Autor Martin Eberhardt fünf Jahrzehnte, 1915 bis 1965, herausgetrennt, um den Weg der Deutschsprachigen Namibias vom Zeitpunkt der südafrikanischen Besatzung 1915, vom Beginn der Mandatszeit ab 1920, hin zur Anpassung an die südafrikanische Verwaltung, dann unter dem Einfluss des Nationalsozialismus und bis zum Höhepunkt der Apartheid Mitte der sechziger Jahre über fünf Jahrzehnte hinweg nachzuzeichnen. Es handelt sich um eine Dissertation, die Eberhardt 2005 an der Universität von Konstanz vorgelegt hat, die in zugänglicher Gestaltung als Geschichtswerk mit 584 Seiten, davon fast 40 Seiten Quellenangaben, erschienen ist. Kann über die deutschsprachige Namibier noch etwas Neues geschrieben werden, nachdem andere wie Brigitta Schmidt-Lauber und Klaus Rüdiger das Thema erschöpft haben, könnte man fragen. Martin Eberhardt hat eine gewaltige Menge an deutschen, südafrikanischen und namibischen Quellen herangezogen, die bisher unbeachtet geblieben waren, darunter viele Polizeiakten, die die südafrikanische Polizei über Südwester angelegt hat, die unter Verdacht standen, Nazi-Aktivitäten zu betreiben oder die einfach als feindlicher Untertan (enemy subject) klassifiziert waren. Die Eingrenzung, beziehungsweise der Abbruch der Aufarbeitung kommt abrupt 1965, was wohl der akademischen Themenstellung zuzuschreiben ist. Aber gerade weil das Werk auf dem populärwissenschaftlichen Markt erscheint, hätte der Autor dennoch eine Brücke zur Gegenwart (2007) schlagen können. Die Generation deutschsprachiger Südwester/Namibier, die sich in den zwanziger und dreißiger Jahren kulturpolitisch voll engagiert hat, hat nach dem 2. Weltkrieg und in vielen Fällen nach ihrer Internierung in Südafrika wenig über die dreißiger Jahre erzählt. Nur die Internierung hat in kleineren Publikationen Niederschlag gefunden. Der Autor Martin Eberhardt füllt mit seinem Beitrag vor allem durch sorgfältig recherchierte Aufarbeitung der Situation und Aktivitäten der Deutschsprachigen in den zwanziger und dreißiger Jahren eine Lücke. Sonstige Überlieferung aus den zwei Jahrzehnten beschränkt sich meistens auf persönliche Aufbau- oder Pionierarbeit, aber die hochbrisante politische Dimension blieb häufig mit dem Hinweis ausgegrenzt, dass man sich durch die Politik die Finger verbrannt habe und deshalb arbeiten, Steuer zahlen, aber ansonsten politische Abstinenz üben müsse. Dabei waren die zwei Jahrzehnte von harter Auseinandersetzung zwischen den Deutschsprachigen und der südafrikanischen Verwaltung sowie von erbitterten Richtungskämpfen in eigenen Reihen gekennzeichnet, die unter Anderem durch direkten und indirekten Eingriff, auch Einmischung aus Nazi-Deutschland, übrigens auch in die Redaktion der Allgemeinen Zeitung, gezeichnet und manipuliert waren, wie der Autor aufzeigt. Die deutschsprachige Gruppe war in der Zeit nie einheitlich gleichgeschaltet, wie es die NS-Gesellschaft in Deutschland zum Vorbild gegeben hatte, aber war im Zeitgeist mehrheitlich deutsch-national ausgerichtet und klammerte sich an den Gedanken der Kolonialrevision, der bei der Hitler-Regierung wiederum keinen hohen Rang einnahm. Dieses Werk spricht zwei Leserkreise getrennt an. Zum Einen deutschsprachige Namibier. Sie entdecken überraschend viele bekannte Namen und bisher nur erahnte Zusammenhänge. Gleichzeitig werden sie falsche zeitliche Einordnung und Fehlbeurteilungen des Autors beanstanden, z. B. wenn er den „Deutschstämmigen“ unterstellt, dass sie „bis heute“ eine politische Mythologie pflegten, dass die „Sozialdemokratie die Deutschen in Stich gelassen habe“. Solchen Gedankengang hat es gegeben, ist aber längst aus dem Alltagswissen und Empfinden verschwunden. Den zweiten Leserkreis findet der Autor im Interessierten reiner Geschichte. Zum Sprachstil des Buches: hier und da stirbt der Genitiv, wie auch in Deutschland beklagt, an der Verwendung des Dativs. Manch namibischer Ausdruck ist dem Autoren fremd geblieben, so dass er Location anstatt den unverwechselbaren Begriff 'Alte Werft' benutzt. Was soll „englisch-burische Cleavage“ wohl aussagen? Gemeint ist wahrscheinlich die Polarisierung zwischen Buren und Engländern und nicht die Spaltung von Mineralien oder die Erotik des Dekolletés. Nach dem 2. Weltkrieg und nach dem Abschied vom Gedanken, dass in Südwestafrika eine eher internationale Mandats- oder gar deutsche Verwaltung erhalten könne, arrangiert sich die deutsche Sprachgruppe zunächst unter der Apartheidsregierung. In diesem Abschnitt des Buches ist es bedauerlich, dass der Autor als Quelle fast ausschließlich die Allgemeine Zeitung zitiert, anstatt die Recherche mit den noch überall anzutreffenden Zeitzeugen der Apartheid vor 1965 zu ergänzen. Student und Leser finden aufschlussreiche Einblicke, die auch die Gegenwart Namibias erhellen.

Eberhard Hofmann

Zwischen Nationalsozialismus und Apartheid: Die deutsche Bevölkerungsgruppe Südwestafrikas 1915-1965 (Martin Eberhardt) ISBN 9783825802257 / ISBN 978-3-8258-0225-7

Mit freundlicher Genehmigung der Allgemeinen Zeitung in Windhoek (Namibia), veröffentlicht das Namibiana Buchdepot die Pressemeldung: Rezension: Zwischen Nationalsozialismus und Apartheid. Die deutsche Bevölkerungsgruppe Südwestafrikas 1915–1965.