Wüstenskifahren: Ausstieg nach Namibia, von Henrik May

Wüstenskifahren: Ausstieg nach Namibia, von Henrik May.

Wüstenskifahren: Ausstieg nach Namibia, von Henrik May.

Der Thüringer Henrik May beschreibt seinen Ausstieg nach Namibia und wie er, nach einem Weg voller Härten und Mühen, das Wüstenskifahren erfand und die Freiheit fand.

Henrik May  

[...] Es dauerte ein Weilchen, bis danach Ruhe einkehrte und ich nicht mehr so oft an den schrecklichen Vorfall denken musste. Irgendwann war es dann mal wieder so weit, dass bei meiner Gastfamilie das Fleisch knapp wurde und Paul sagte, er müsse etwas organisieren. Ein paar Tage später bekam er Nachricht von seinem Kollegen, dem Rudi. Rudi war ein Damara (die mit der Klicklaut-Sprache). Er könne günstig an eine Kuh kommen, meinte Rudi, für umgerechnet 200 DM. Das Problem war nur, das Tier war in einem Stück, und er sollte es selbst abholen und auch töten. Paul bot mir an mitzukommen. Klar, ich nahm jede Gelegenheit wahr, etwas Neues zu sehen und Informationen zu bekommen aus allen Lebenssituationen, um dann zu filtern und zukunftsorientiert zu recherchieren. Wir, Paul, Rudi, Pauls Freund Herbert und ich, standen um 4 Uhr morgens auf, um in Richtung Norden zu fahren. Wir waren im gleichen Auto unterwegs, mit dem wir später auch das Riet holen sollten. Da es eigentlich ein Zweisitzer war, saßen wir vorne zu dritt schon sehr beengt, und Rudi saß auf der Ladefläche. Es ging erst die Küste entlang in Richtung Wlotzkasbaken. Das ist eine kleine Siedlung, die mehr als 100 Jahre zurückgeht auf einen Schutztruppler namens Wlotzka. Der entdeckte, dass Strandgut, das in Swakopmund von der Schiffsanlegestelle gefallen war, dort angespült wurde. Er barg es und verkaufte das Ganze zum Schnäppchenpreis. Da einer der deutschen Auslandskreuzer, die im Auftrag der Reichsregierung jahrelang auf der Suche nach einer geeigneten Stelle zum Ausbau eines Hafens waren, dort auch einen Baken errichtet hatte, ging das Fleckchen Erde nach und nach als „Wlotzkas Baken" in den Sprachgebrauch ein. Heute dient es jedoch nur noch als Ferienresidenz und zum Strandurlaub. Dann fuhren wir weiter über Henties Bay und von dort ins Landesinnere über Uis nach Khorixas. In Khorixas angekommen durchfuhren wir das Armenviertel und landeten irgendwann auf einem Hinterhof mit engmaschiger Drahteinzäunung.

Man wartete auch schon auf uns, nur die Kuh war noch nicht da. Wir erfuhren jedoch, dass die gerade eingefangen wurde. Paul fand dann aber den Preis für die Kuh zu teuer. Denn wenn man die Kuh jagt und durchs Dorf treibt, wird sie verängstigt und ihr Fleisch zäh. Die Kuh erschien dann, am Kopf und am Schwanz je ein Seil und wurde von den Damara-Leuten in die gewünschte Richtung gezerrt. Endlich kam sie merklich gestresst auf besagtem Hinterhof mit seiner Menschentraube an. Ich sah, wie Paul das Gewehr anlegte; es fiel ein Schuss, die Patronenhülse flog zur Seite, und die Kuh fiel um. Und schon stürzten sich alle Anwesenden darauf, hatten Messer in den Händen und begannen, die Kuh zu zerlegen. Da gab keine Plane oder sonstige Unterlage, im Hinterhof auf Dreck und Sand wurde das Tier ausgeschlachtet. Paul wollte mir auch ein Messer zum Mitmetzgern geben, aber das konnte er getrost vergessen. Ich bin raus und habe mit den Kindern auf der Straße Fußball gespielt.

Nach dem Schlachten gab es erst einmal einen Umtrunk. Rudi hat dann von den 600 Namibia-Dollar ein Drittel abbekommen, da er den Deal vermittelt hatte. Deshalb ist er gewiss auch mitgefahren: vermutlich hätte er das Geld sonst wohl nicht bekommen. Und so musste Rudi nun zusammen mit der ausgeweideten Kuh auf der Ladefläche zurückfahren. Die Kuh wurde aufgeladen, Rudi noch hinten obenauf, und dann fuhren wir mit einem Zaster in Richtung Uis. Die Straße dahin ist eine Schotterpiste, und solche Schotterstraßen entwickeln mit der Zeit und je nach Nutzungsintensität eine wellenähnliche Oberfläche. Die Antriebsräder der Fahrzeuge neigen bei hiesiger Bodenbeschaffenheit - zumal bei kräftigem Gasgeben - zum „Durchdrehen" und verursachen eine erst unmerkliche, dann immer stärker hervortretende Aufschichtung, eine stets wachsende Querrillenbildung (in Namibia treffend „Wellblech" genannt), die schließlich alle darüber hinwegrollenden Autos übel durchrüttelt.

Reifendruck und Stoßdämpferfunktion spielen bei der „Waschbrett"-Entstehung vermutlich auch eine Rolle. Von Zeit zu Zeit wird von der Straßenbehörde schweres Gerät (sogenannte Straßenhobel) eingesetzt, um die Oberfläche wieder glatt zu „kratzen". Wir fuhren hinter Uis wieder in Richtung Henties Bay, als Paul plötzlich anhielt und meinte, jemand brauche unsere Hilfe. Ich hatte das durch den aufgewirbelten Staub gar nicht bemerkt: Dort stand am Straßenrand eine Gruppe Schwarzer mit ihrem Auto. Sie wollten nach Henties Bay, doch ihr Motor war verreckt. Paul holte ein Abschleppseil hervor, und wir schleppten sie in Richtung Henties Bay ab. Die Schwarzen waren zu sechst, saßen auch größtenteils auf der Ladefläche. Ich schaute einmal nach hinten; jedes Mal, wenn es in die Kurve ging, rutschte Rudi in die tote Kuh rein. Ein Bild des Grauens. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Wüstenskifahren. Ausstieg nach Namibia. Von einem, der auszog, die Freiheit zu finden, von Henrik May.

Buchtitel: Wüstenskifahren – Ausstieg nach Namibia
Untertitel: Von einem, der auszog, die Freiheit zu finden
Autoren: Henrik May
Verlag: Engelsdorfer Verlag
Leizig, 2011
ISBN 9783862683376 / ISBN 978-3-86268-337-6
Gebunden, 16x24 cm, 202 Seiten, zahlreiche sw- und Farbfotos

May, Henrik im Namibiana-Buchangebot

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