Von Dir, mir und den Anderen in Südwestafrika, von Marga Vaatz

Von Dir, mir und den Anderen in Südwestafrika, von Marga Vaatz.

Von Dir, mir und den Anderen in Südwestafrika, von Marga Vaatz.

Neben Von Dir, mir und den Anderen in Südwestafrika schrieb Marga Vaatz vier weitere Bücher über ihre Erinnerungen in Südwestafrika.

Marga Vaatz  

[...] Und dann die Farmverwüster! Wie konnte ich nur! Ich bitte um Verzeihung, ich meine natürlich Farmverwalter. In Südwestafrika ist es so: wenn alle Stricke reißen, wenn man selbst als Lagerverwalter, oder bei der Eisenbahn oder als Aufseher von Straßenarbeiten keine Arbeit mehr findet, kann man immer noch Farmverwalter werden. Es gibt natürlich auch Ausnahmen. Das sind die Männer, die sich mit Schlips und Kragen einfach nicht wohlfühlen, die hinter einem Schreibtisch dem Erstickungstod nahe sind. Es sind die Männer, deren kräftig zupackende Fäuste dazu bestimmt sind, rauhes Land zu erschließen, kurz, die etwas von Farmerei verstehen. Und etwas von Farmerei verstehen, heißt: auf jedem Sattel reiten können. Er muß etwas von Vieh- und Schafzucht verstehen, er muß Rinderseuchen erkennen und behandeln können. Er muß wissen, wie man einem tausend Kilogramm schweren, wildem Ochsen eine Spritze unters Fell jagt, ohne daß die Nadel abbricht. Er muß den Eigentumsbrand setzen können, Kälber enthornen und kastrieren, er muß einen Traktor fahren und Dämme bauen können. Er muß soviel von den menschlichen Krankheiten verstehen, daß er beurteilen kann, ob noch Ballistolöl oder Rizinusöl hilft, oder ob der Patient schnellstens ins nächste Krankenhaus gebracht werden muß. Er muß Fundamente für Pumpenböcke gießen und Windmotore aufstellen können. Er muß Autos und Motore reparieren und sich immer zu helfen wissen, wenn konventionelle Methoden versagen. Er muß durch unwegsame Gelände reiten und immer wieder reiten, um die beste Route für eine neue Päd festzulegen. Er muß etwas von Buchführung verstehen und im Farmstore verkaufen. Er muß schmieden, Pferde beschlagen, schweißen und mauern können, kurz, es gibt nichts, einfach nichts, was er sich nicht anzupacken wagen müßte. Er muß auf allen Gebieten bewandert und braucht auf keinem Gebiet ein Fachmann zu sein. Ein guter Verwalter ist in des Wortes bester Bedeutung ein „Hans Dampf" in allen Gassen. Hat man so einen Verwalter, dann sollte man ihn in Gold fassen, denn diese Gattung ist dünner gesät als blauweiße, fünfkarätige Diamanten. So lange ich denken kann, hatte mein Vater einen Verwalter auf der Farm. Er selbst war an sein Windhoeker Geschäft gebunden und ritt nur einmal monatlich auf die Farm, um die nötigen Arbeiten anzuordnen. Der Ritt dauerte fünf Stunden, bergauf, bergab, fünf Stunden lang! Der erste deutsche Verwalter, den wir hatten, war ein Dithmarscher aus Schleswig-Holstein, ein Bulle von einem Mann. In späteren Jahren hat er einmal mit seinen bloßen Händen einen Leoparden erwürgt, die anschließende Blutvergiftung hätte ihm fast das Leben gekostet. Bei unserer schwarzen Belegschaft verschaffte er sich gleich in der ersten Woche ungeheueren Respekt, als er beim Abladen des Ochsenwagens, ja, das waren noch Zeiten! - einen zweihundert Pfund schweren Maismehlsack über die Schulter warf und sich zusätzlich einen ausgewachsenen Damara-Mann unter den Arm klemmte und beide leichten Schrittes ins Lager trug. Er hatte kornblumenblaue Augen, rauchte Pfeife, und war eher wortkarg, aber wenn er ins Erzählen kam, konnte man ihm den ganzen Abend zuhören. Er war der Mann meiner Träume. Ich bewunderte ihn. Aber die Gefühle einer Elfjährigen werden von niemandem ernstgenommen. Warum eigentlich nicht? Der nächste Verwalter gehörte zu der Gattung, die die Arbeit nicht erfunden haben. Mein Vater hatte ihn beauftragt, mit unserer schwarzen Belegschaft eine neue Kampeinzäunung zu ziehen. Als er nach vier Wochen wieder auf den Hof trabte und nach einem Glas Wasser losmarschierte, fand er keinen einzigen Pfahl in den steinigen Boden gerammt, nichts, das Veld lag da, so jungfräulich unberührt wie eh und je. Als Vater ziemlich erschüttert fragte: „Sagen Sie mal, was haben Sie eigentlich in den vier Wochen gemacht?" kam die überaus freundliche, gelassene Antwort: „Ach, wissen Sie, der Tag ist halt so rumganga!" Damit sorgte dieser Verwalter zwar für ein geflügeltes Wort in unserer Familie, er aber durfte sich eine andere Stellung suchen, wo die Zeit auch ohne Arbeit so rumgeht. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Von Dir, mir und den Anderen in Südwestafrika, von Marga Vaatz.

Titel: Von Dir, mir und den Anderen in Südwestafrika
Autorin: Marga Vaatz
Verlag: Raunard Publications
Windhoek, o. J. (1960/70er Jahre).
Original-Kunstledereinband mit goldgeprägtem Deckeltitel, 15x20 cm, 140 Seiten, Frontispiz-Foto der Autorin

Vaatz, Marga im Namibiana-Buchangebot

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