Unsere Helden in Südwestafrika, von Paul Kolbe

Unsere Helden in Südwestafrika, von Paul Kolbe.

Unsere Helden in Südwestafrika, von Paul Kolbe.

Unsere Helden in Südwestafrika von Oberst Paul Kolbe ist ein seltenes militärhistorisches Werk über den Herero- und Nama-Aufstand.

Paul Kolbe  

Am 12. März erreichte die rechte, die nördliche Kolonne Onjatu, nicht weit vom Ursprung des Swakop gelegen. Während diese Truppe rastete und aus das herankommen der linken Kolonne wartete, unternahm der Major von Glasenapp am 13. März mit 11 Offizieren und 38 Reitern, sowie 8 Mann zu Fuß eine weitere Erkundung gegen Westen hin, um festzustellen, ob der Abzug der Hereros nach dem Waterberge zu stattgefunden habe. Bei Owikokorero, etwa 20 km westlich Onjatu, wurde der Trupp plötzlich heftig von allen Seiten, leider mit recht gutem Erfolge, von dem in den Gebüschen versteckten Gegner beschossen; der bedeutenden Überlegenheit der Hereros gegenüber mußte der Rückzug angetreten werden. Die kleine Schar erreichte gegen Mitternacht wieder Onjatu, nachdem sie leider recht große Verluste gehabt hatte. 7 Offiziere und 19 Mann waren gefallen, 3 Offiziere, darunter der Führer, und 2 Mann verwundet. Mehr als die Hälfte der ganzen Erkundungsabteilung war mithin außer Gefecht gesetzt worden. Wenn nun auch der Ritt nicht ohne Erfolg gewesen, wenn auch festgestellt worden war, daß man einem zahlreichen, zum ernsten Widerstande entschlossenen Gegner gegenüberstand, der Erfolg selbst war doch zu teuer erkauft und leider nicht ohne Schuld des Führers. Das Vorreiten desselben mit den Unterführern weit über die Sicherung hinaus, sein Loslösen von der Truppe war ein schwerer Fehler, der sich bitter gerächt und großes Unheil angerichtet hat. Der gewiß nicht zu verkennende Schneid war hier nicht am Platze; er konnte zur Vernichtung der ganzen Truppe führen. Doch blieb der verlustreiche Ritt auch in anderer Beziehung nicht ohne gute Folgen. Man zog aus ihm von neuem die alte Lehre und beherzigte sie später mit sehr gutem Erfolge, daß auch im Kampfe gegen die Wilden starke Patrouillen mit vielen Offizieren zur Aufklärung nicht am Platze sind, sondern daß auch hier schwächere, getrennt reitende Trupps weit bessere Dienste leisten. Sie waren eben nicht dazu da, Gefechte zu führen, sondern dazu, zu sehen, zu erkunden und festzustellen, wo sich Spuren größerer Viehherden befanden, aus deren Vorhandensein stets auf größere Banden Hereros geschlossen werden konnte.

Leider befanden sich unter den Opfern dieses Erkundungsrittes auch der vielfach bewährte, alte Afrikaner Oberleutnant Eggers, der Hauptmann a. D. von Francois, der sachkundige Berater des Führers und der Oberassistenzarzt Dr. Velten, der, getreu seiner Pflicht, zu den Verwundeten in die Schützenlinie vorgeeilt war. Da die Meldungen ergaben, daß etwa 3000 Eingeborene unter den Häuptlingen Samuel Maharero, Traugott und Tetjo der schwachen, durch Krankheit sehr mitgenommenen Ostabteilung gegenüberstanden, beschloß der Major von Glasenapp, zunächst Nachrichten von der Hauptabteilung abzuwarten, um sodann mit dieser gemeinsam zum Angriffe zu schreiten. Sie bezog in der Nähe von Onjatu ein Lager, nachdem sie ihre linke Kolonne an sich herangezogen hatte. Die Verbindung mit der Hauptkolonne herzustellen, glückte ihr aber trotz aller Mühe nicht. Unterdessen war auch die Westabteilung nicht untätig geblieben.

Der Major von Estorff hatte in Omaruru die ihm unterstellten Kräfte - 2. Schutztruppen-Kompagnie, 3. Kompagnie des Marine-Infanterie-Bataillons, das Detachement des Landungskorps des „Habicht", ein Feldgeschütz C/73, ein 6 cm Gebirgsgeschütz und zwei 3,7 cm Maschinenkanonen - zusammengezogen und war am 20. Februar in der Richtung auf Outjo aufgebrochen, um sich vor allem mit der 4. Schutztruppen-Kompagnie zu vereinigen. Der Hauptmann Franke, über dessen Kompagnie der Major bei seinem Eintreffen in Omaruru das anerkennende Urteil fällte: „Mann und Pferd mager und sehnig, aber gesund aussehend - in der Tat eine stolze Kompagnie!", hatte inzwischen festgestellt, daß die Banden der Hereros sich östlich zurückgezogen hatten, und in dieser Richtung ging dann der Major von Estorff vor, nachdem er sich mit der Kompagnie, etwa 70 km nördlich Omaruru, vereinigt hatte. Bald wurde dann auch der Gegner an der Wasserstelle Otjihinamaparero in den Etjobergen gemeldet, und unverzüglich zum Angriff dorthin vormarschiert. Nach einem anstrengenden Nachtmarsche wurde gegen Morgen des 25. Februar der Gegner in der festen Stellung auf den felsigen höhen des Etjoberges erkannt.

Er hatte die natürliche Stärke desselben in höchst geschickter Weise ausgenutzt, indem er die Durchbrüche und Spalten des fast unzugänglichen Felsennestes durch Astverhaue gesperrt und das Schußfeld vor der Front sorgfältig frei gemacht hatte. Die Feuerwirkung, auch die der Artillerie, gegen diese Stellung konnte nur gering sein, und allzu deutlich trat dieser Übelstand während des Gefechts zutage. Es zeigte sich hier wieder, auch den naturwüchsigen Söhnen der Wildnis gegenüber, daß jeder moralische Eindruck in erster Linie ein Kind des materiellen Erfolges ist. Fehlt dieser, so schrumpft jener in nichts zusammen. So begleiteten später die Hereros jedes wirkungslos bleibende Schrapnell mit einem wahren Hohn- und Freudengebrüll. Das Gefecht wurde äußerst schwer. Die Feuerlinie der schwachen deutschen Abteilung mußte gegen Umgehungen immer mehr verlängert werden und betrug bald 3000 m, während der etwa 1000 Mann starke Gegner sich bis auf etwa 4500 m, die deutschen Flügel immer mehr umfassend, ausdehnte.

Äußerst bedenklich wurde die Lage der Deutschen gegen Mittag, als der linke Flügel noch weiter umfaßt wurde und Reserven nicht mehr vorhanden waren. Doch von einem Rückzüge wollte der Führer nichts wissen. Für ihn gab es nichts anderes als die kraftvolle Durchführung des einmal begonnenen Angriffs. Zum Glück war es auf dem rechten Flügel dem Hauptmann Franke gelungen, den Gegner aus seiner vorderen Stellung zurückzuwerfen und in Schach zu halten. Er erhielt daher Befehl, mit einem Teile seiner Kompagnie auf dem linken Flügel einzugreifen. In gestrecktem Galopp führte der Hauptmann persönlich zwei Züge dorthin; er ließ die Leute sofort absitzen, das Seitengewehr aufpflanzen und mit Hurra gegen Rücken und Flanke des überraschten Gegners vorgehen. Diesem schneidigen Angriffe mit der blanken Waffe hielten die Wilden nicht stand. Mit lautem Angstgeschrei ergriffen sie sofort die Flucht, verfolgt von dem energischen Sieger.

Damit war der Tag entschieden und der Angriff auf die in der Mitte der Stellung liegende Wasserstelle machte nunmehr gute Fortschritte. Auch hier hielten die Schwärzen dem funkelnden Seitengewehre nicht stand! „An der Spitze solcher Leute zu stürmen ist eine wahre Lust; sie sind in ihrer Hingabe großartig!", so berichtet ein Offizier in seinem Tagebuche. Von der Verfolgung des Gegners nahm der Major Abstand, um ihn im Hinblick auf den später beabsichtigten gemeinsamen Angriff durch alle drei Abteilungen nicht zu weit zurückzudrängen. Er blieb daher zunächst bei Otjihinamaparero stehen. Otjihinamaparero heißt zu deutsch: „Wem gehört der Platz?" Und wahrlich, deutsch haben unsere Truppen den Wilden die Antwort auf diese Frage gegeben! Unendlichen Jubel rief das Telegramm hervor, das der Kaiser an die stolzen Sieger richtete. Es lautete:

Zu dem siegreichen Gefechte am 25. Februar spreche Ich der Abteilung Estorff meinen kaiserlichen Glückwunsch aus und freue mich der tapferen und entschlossenen Haltung der Kompagnien der Schutztruppe und Marine-Infanterie. Den Verwundeten sind meine besten Wünsche für ihre baldige Genesung auszusprechen. Wilhelm I. R.

Der Gegner war nach der schweren Niederlage - er ließ viele Tote auf dem Gefechtsfelde liegen und mehr als 2000 Stück Vieh in den Händen des Siegers zurück - nach Südosten zurückgeflüchtet. Nunmehr folgte ihm die Westabteilung und brachte ihm am 16. März bei Omusema nochmals eine empfindliche Niederlage bei. Am 24 März traf der Major v. Estorff, zurückgerufen, mit seinen Truppen in Okahandja ein. Es war der Westabteilung gelungen, dem Feinde empfindliche Schläge beizubringen zu einer Zeit, in der die anderen Truppen, vor allem die Hauptabteilung, durch die Verhältnisse gezwungen waren, noch untätig zu bleiben. Ermöglicht worden war das dieser Abteilung allerdings nur dadurch, daß sie vollständig beritten gemacht worden war. Die Westabteilung, als solche, wurde nunmehr aufgelöst. Ihre Truppen wurden der Hauptabteilung, die immer noch in der Bildung begriffen war, eingegliedert und die Mannschaften der Marineinfanterie, von der Schutztruppe wieder getrennt, als Besatzung von Okahandja verwendet. (...)

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Unsere Helden in Südwestafrika, von Paul Kolbe.

Buchtitel: Unsere Helden in Südwestafrika
Autor: Paul Kolbe
Verlag: Friedrich Engelmann
Leipzig, 1907
Illustrierter Original-Leineneinband, 16x24 cm, 398 Seiten, sw-Fotos auf 26 Tafeln, 2 Faltkarten

Kolbe, Paul im Namibiana-Buchangebot

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