Über den Fluss nach Afrika, von Stefanie Gercke

Über den Fluss nach Afrika, von Stefanie Gercke. Wilhelm Heyne Verlag. München, 2007. ISBN 9783453265479 / ISBN 978-3-453-26547-9

Im Verlauf des Romans "Über den Fluss nach Afrika" von Stefanie Gercke, kehrt die durch Traumata verdrängte Erinnerung der Romanheldin allmählich zurück und während einer Südafrikareise heben sich die Schleier der Vergangenheit, erkennt sie ihre Herkunft und wahre Familie.

Stefanie Gercke  

[...] Mitten in der Nacht wachte Benita vom lauten Pochen ihres Herzens auf. Sie brauchte eine Minute, um sich zurechtzufinden. Der Tango mit Roderick fiel ihr ein und dass sie erst nach Mitternacht in ihr Bett gefunden hatte. Doch nicht ihr Herzklopfen hatte sie aufgeweckt, sondern der harte, den Blutdruck hochtreibende Ton von Trommeln, der in der stillen Nachtluft klar zu ihr herübergetragen wurde. Lauschend hob sie den Kopf. Das Geräusch kam aus der Richtung des Farmarbeiterdorfes. Es waren nicht die Tanztrommeln mit ihrem tiefen, resonanten Ton, die dort geschlagen wurden, das hörte sie sofort, der Klang dieser Trommeln war heller, wurde auf stramm gespannten Fellen erzeugt und trug viel weiter. Kriegstrommeln, überlegte sie überrascht, doch die wurden heute sicherlich nur noch zur rituellen Nachrichtenübermittlung oder zu Festen benutzt. Vielleicht stand das Dorf in einem Funkloch, und der Empfang für Mobiltelefone war nicht möglich, weshalb dort jemand auf diese Art eine Botschaft in die afrikanische Nacht schickte. Sie kicherte schläfrig. Welch ein Land. Hier Handys und E-Mails, dort Trommeln. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Halb zwei erst. Zufrieden sank sie zurück und schlief sofort wieder ein. Kurz nach zwei zerriss ein schrilles Geräusch ihre Träume, das sie senkrecht im Bett hochfahren ließ. »Himmel, was war das?«, hörte sie gleich darauf Gloria im Nachbarzimmer kreischen. Sekunden später knallte eine Tür. »Roderick, wach auf, da ist was! Da bringt jemand jemanden um!« Nur mäßig beunruhigt, beschloss Benita nachzusehen, was sie so unsanft geweckt hatte. Sie schlug die Bettdecke zurück, rutschte vom Bett und tappte ins Wohnzimmer. Gloria flatterte in einem kurzen, weißen Hemd wie ein panischer Nachtfalter im hellen Mondlicht, das durch die Panoramafenster strömte, und hämmerte an Rodericks Tür. Ein großer Ast klopfte im Wind gegen die Scheibe im Nordfenster, als begehrte jemand Einlass, und harte Schatten gaben der Szenerie etwas Unheimliches. Dann polterten Möbel, und Roderick fluchte verschlafen. Er riss seine Schlafzimmertür auf, steckte den Kopf heraus und starrte sie aus rotgeränderten Augen sichtlich genervt an. »Was ist los?« Er zog seine dunkelblauen Boxershorts höher. Sonst trug er nichts. »Wie spät ist es eigentlich?« »Da hat wer geschrien! Wie ein Mensch.« Gloria war ungewöhnlich aufgeregt. Roderick rieb sich übers Kinn. Es gab ein kratzendes Geräusch. »Hab nichts gehört«, brummte er missmutig und machte sich daran, wieder zu Bett zu gehen. Doch da ertönte das Geräusch wieder, diesmal überdeutlich und ganz in der Nähe. Benita prustete los, und Roderick verdrehte die Augen. »Gloria, verflucht, das war ein Hahn! Ein männliches Huhn, verstehst du. Gack gack gack!« Er flappte mit den Armen, als wären es Flügel. »Vermutlich ist es Kiras Gockel. Kannst du nicht mal ein Huhn von einem Menschen unterscheiden? Gib endlich Ruhe, ich brauche meinen Schönheitsschlaf!« »Ich dreh dem Vieh den Hals um«, knirschte die aufgebrachte Anwältin und strebte mit hochrotem Gesicht ihrem Zimmer zu. »Hackfleisch mache ich aus dem.« Unvermittelt rollte ein neuer Ton durch die Hügel. Ein tiefes, heiseres, abgehacktes Röhren. Das große Fenster klirrte leise. Alle fuhren zusammen, auch Roderick.[...]

Dies ist ein Auszug aus dem Südafrika-Roman: Über den Fluss nach Afrika, von Stefanie Gercke.

Titel: Über den Fluss nach Afrika
Autor: Stefanie Gercke
Genre: Südafrika-Roman
Verlag: Wilhelm Heyne Verlag
München, 2007
ISBN 9783453265479 / ISBN 978-3-453-26547-9
Originalkartoneinband, Originalschutzumschlag, 14 x 22 cm, 797 Seiten