Südafrika. Ein Reiselesebuch, von Andreas Drouve

Südafrika. Ein Reiselesebuch, von Andreas Drouve. Verlag: Ellert & Richter. Hamburg, 2009. ISBN 9783831903696 / ISBN 978-3-8319-0369-6

Südafrika. Ein Reiselesebuch, von Andreas Drouve. Verlag: Ellert & Richter. Hamburg, 2009. ISBN 9783831903696 / ISBN 978-3-8319-0369-6

Aus dem von Andreas Drouve herausgegebenen Südafrika-Reiselesebuch, lesen Sie hier ein Auszug aus der Erzählung 'Splitter aus Johannesburg' von Ivan Vladislavic.

Damals, als mein Bruder, meine Schwester und ich in Pretoria aufwuchsen, war Johannesburg viel weiter entfernt als heute. Die Leute dort sprachen Englisch, die Gebäude waren höher, die Straßen waren schmutzig und gefährlich, die Autofahrer, die TJ-Fahrer, wie wir sie abwertend nach ihren Nummernschildern nannten, fuhren schnell und rücksichtslos. Echte Straßencowboys. Johannesburg - das war fast schon ein anderes Land. Ein Verdacht, der durch die Übernahme des Dezimalsystems nur bestätigt wurde, weil es die Entfernung zwischen den beiden Städten von den vertrauten fünfunddreißig Meilen auf fremde sechzig Kilometer erhöhte. Halfway House, eine Ansammlung von Läden und Häusern auf halber Strecke, hatte seinen Namen in jenen Tagen erhalten, als die Reise noch so lange dauerte, dass die Reisenden über Nacht ausspannen mussten. Mein Vater wurde nie müde, uns das immer wieder zu erzählen. Selbst in den Sechzigern war diese Straße durch das Veld noch eine schmale Buckelpiste. Am Straßenrand vertrieben sich Eukalyptusbäume und Kiefern die Zeit, und man konnte sich unschwer vorstellen, wie erst Ochsenwagen und später Blechbüchsen in ihrem Schatten dahinrumpelten. Ob in die eine oder die andere Richtung unterwegs, die Ochsenwagen gehörten zu unserer Stadt, die Autos zu ihrer. Trotz der Zephyrs und Zodiacs, der VW-Käfer und Hillman Imperials, die der Fortschritt Pretoria hatte angedeihen lassen, fühlten wir uns immer noch als diejenigen, die hinterherhinkten, die nicht flink genug waren. Abgesehen von den jährlichen Pilgerreisen zur Besichtigung der „Rand Easter Show" und der Weihnachtsbeleuchtung im Joubert Park fuhren wir nur zu besonderen Anlässen wie Familienhochzeiten oder Fußballspielen nach Joburg. Nach einem Spiel im Balfour Park kaufte Vater mir und Branko im Panburgers, einem Schnellimbiss an einer Nebenstraße zur Louis Botha Avenue, das Abendessen. Diese Nebenstraße war uns ein Beispiel für den amerikanischen Traum im Leben dieser Stadt. Überhaupt war die Louis Botha auf ganzer Länge, obwohl sie nach dem Afrikaaner-Premierminister und Burenkriegsgeneral benannt war, eine durch und durch amerikanische Straße, in der sich amerikanische Autos stauten und amerikanische Unternehmen ihren Sitz hatten. Panburgers war ein einziges Getöse aus roten und weißen Streifen, zischenden Grills und klingelnden Registrierkassen. Haufenweise lagen blasse Fritten glänzend in Glasbehältern, als schwämmen sie in Aquarien. Die kalten Getränke bestanden zum größten Teil aus zerstoßenem Eis, die Strohhalme waren aus Plastik, die Köche wickelten die Burger in Wachspapier ein und nannten sie „Panburgers", als ob sie ein wunderbares, neuartiges Gericht entwickelt hätten. Die Küchenbesatzung bestand wie üblich aus Schwarzen, am Tresen aber standen weiße Kinder, die unnatürlich blasse Brut aus Bramley Gardens und Savoy Estate. Kinder aus Pretoria waren hart und sonnengebräunt und struppig; Kinder aus Joburg waren Weicheier, hatten zarte, sommersprossige Hände und sahen überhaupt so aus, als gingen sie niemals nach draußen. Doch der ganze Spaß, den wir beim Radfahren und Fußballkicken hatten, zählte nichts, denn sie waren es, die hier arbeiteten, Papierhüte aufhatten und gestreifte Schürzen trugen, als wären sie direkt einem Archie-Comic entsprungen. Sie waren schon richtige Kids und wir noch kleine Kinder. Nicht lange, nachdem Minky und ich in die Blenheim Street gezogen waren, erhielt auch das Haus Nummer zehn neue Bewohner. Und kurz darauf stellten sie eine Frau an, die die Gartenmauer mit einem Ndebele-Muster versehen sollte. Als ich eines Morgens vorbeiging, sah ich, wie sie das geplante Muster mit Filzstift auf den weißen Putz zeichnete, und in den folgenden Tagen schaute ich immer wieder einmal vorbei, um den Fortgang des Unternehmens zu verfolgen. [...]

Dies ist ein Auszug aus 'Südafrika. Ein Reiselesebuch', von Andreas Drouve.

Titel: Südafrika
Untertitel: Ein Reiselesebuch
Autor: Andreas Drouve
Verlag: Ellert & Richter
Hamburg, 2009
ISBN 9783831903696 / ISBN 978-3-8319-0369-6
Kartoneinband, Schutzumschlag, 11 x 22 cm, 156 Seiten

Drouve, Andreas im Namibiana-Buchangebot

Südafrika. Ein Reiselesebuch

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Das Südafrika-Reiselesebuch zeichnet Geschichte und Gegenwart Südafrikas in Mythen, Kurzgeschichten, ungeschminkten Erfahrungsberichte und Reisereportagen.

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